(Rom) Die provokante Frage stellte jüngst der katholische Kunst- und Kulturkritiker Francesco Colafemmina als Reaktion auf das Gesprächs-Interview von Papst Franziskus mit dem Atheisten Eugenio Scalfari. Gemeint ist die Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. durch Papst Franziskus. Colafemmina verweist auf die Enzyklika Veritas splendor, die Johannes Paul II. am 6. August 1993 im fünfzehnten Jahr seines Pontifikats veröffentlichte. Der Kulturkritiker sieht in den Aussagen von Papst Franziskus über das Gewissen einen offenen Widerspruch zur bisherigen kirchlichen Lehre.
Konkret führt er als Beispiel Punkt 32 aus der genannten Enzyklika an. Der vollständige Text der Enzyklika Veritatis splendor kann auf der Internetseite des Heiligen Stuhls nachgelesen werden. Die Aussagen von Papst Franziskus finden sich im Beitrag Sandro Magister: Wende und Bruch von Papst Franziskus – Distanz zu Johannes Paul II. und Benedikt XVI.
Auszug aus der Enzyklika Veritatis spendor von Johannes Paul II. von 1993 über das Gewissen:
32. So ist man in manchen modernen Denkströmungen so weit gegangen, die Freiheit derart zu verherrlichen, daß man sie zu einem Absolutum machte, das die Quelle aller Werte wäre. In diese Richtung bewegen sich Lehren, die jeden Sinn für die Transzendenz verloren haben oder aber ausdrücklich atheistisch sind. Dem Gewissen des einzelnen werden die Vorrechte einer obersten Instanz des sittlichen Urteils zugeschrieben, die kategorisch und unfehlbar über Gut und Böse entscheidet. Zu der Aussage von der Verpflichtung, dem eigenen Gewissen zu folgen, tritt unberechtigterweise jene andere, das moralische Urteil sei allein deshalb wahr, weil es dem Gewissen entspringt. Auf diese Weise ist aber der unabdingbare Wahrheitsanspruch zugunsten von Kriterien wie Aufrichtigkeit, Authentizität, „Übereinstimmung mit sich selbst“ abhanden gekommen, so daß man zu einer radikal subjektivistischen Konzeption des sittlichen Urteils gelangt.
Wie man sogleich erkennen kann, gehört zu dieser Entwicklung die Krise um die Wahrheit. Nachdem die Idee von einer für die menschliche Vernunft erkennbaren universalen Wahrheit über das Gute verloren gegangen war, hat sich unvermeidlich auch der Begriff des Gewissens gewandelt; das Gewissen wird nicht mehr in seiner ursprünglichen Wirklichkeit gesehen, das heißt als ein Akt der Einsicht der Person, der es obliegt, die allgemeine Erkenntnis des Guten auf eine bestimmte Situation anzuwenden und so ein Urteil über das richtige zu wählende Verhalten zu fällen; man stellte sich darauf ein, dem Gewissen des Einzelnen das Vorrecht zuzugestehen, die Kriterien für Gut und Böse autonom festzulegen und dementsprechend zu handeln. Diese Sicht ist nichts anderes als eine individualistische Ethik, aufgrund welcher sich jeder mit seiner Wahrheit, die von der Wahrheit der anderen verschieden ist, konfrontiert sieht. In seinen äußersten Konsequenzen mündet der Individualismus in die Verneinung sogar der Idee einer menschlichen Natur.
Diese unterschiedlichen Auffassungen bilden den Ausgangspunkt jener Denkrichtungen, die eine Antinomie zwischen Sittengesetz und Gewissen, zwischen Natur und Freiheit behaupten.
Text: Fides et Forma/Giuseppe Nardi
Bild: Fides et Forma
Um den Protest der „Konservativen“ zu ersticken, wenn Johannes XXIII. ohne Wunder, dafür aber mit zahlreichen Glaubensirrtümern und wegen der immer wieder mit starken Gründen anzunehmenden Mitgliedschaft in Freimaurerlogen gewissermaßen als Anti-Heiliger kanonisiert wird. Dass Johannes Paul II. teilweise selber humanistisch-aufklärerischen Irrtümern anhing, die mit den Dogmen nicht vereinbar waren, macht die Sache besonders perfide. Schließlich hat er schon in „ausgleichender Gerechtigkeit“ Johannes XXIII. samt Pius IX. seliggesprochen…
Diese Kanonisierung Johannes XXIII. und Johannes Pauls II. wird eine Zäsur sein: ab jetzt ist jede Kanonisation in der Kirche nichtig, bis „Dominus Iesus interficiet spiritu oris sui et destruet illustratione adventus sui.“