(St. Pölten) Am vergangenen Wochenende waren im niederösterreichischen Sankt Pölten „progressive“ Katholiken unter sich und boten Einblick in ihre Gedankenwelt einer „anderen“ Kirche mit viel Mensch und wenig Gott. Das Forum XXIII, dessen Namen eine Anspielung auf den in progressiven Kreisen wegen der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils verehrten Johannes XXIII. ist, hatte den gleichgesinnten italienischen Vatikanisten Marco Politi eingeladen.
Politi ist von berufswegen Vatikanist bei kirchenfeindlichen Medien. Das wäre weiter nicht schlimm, wenn er – wie Standeskollegen – in seinen Beiträgen ein Gegengewicht zur Kirchenkritik darstellen würde. Doch Politi verstärkt die Kritik seiner Kollegen aus Politik und Kultur. Zunächst tat er das für das linksliberale Flaggschiff der italienischen Medienlandschaft, die Tageszeitung La Repubblica, die jüngst durch die Briefe von Papst Franziskus und Benedikt XVI. an führende Atheisten dieser Zeitung im Mittelpunkt des Interesses stand. Seit einiger Zeit spitzt Politi, der über gute Deutschkenntnisse verfügt, die Feder für das Revolverblatt Il Fatto Quotidiano.
20 Jahre Forum XXIII: antikatholischer Anachronismus
Politi gehörte zur Fronde der Journalisten, die keine Gelegenheit ausließen, das Pontifikat Benedikts XVI. in Grund und Boden zu schreiben und dadurch einen ebenso falschen, wie bedrückend negativen Eindruck davon zu vermitteln. Das Gegenstück dazu war der aufbrausende Jubel, mit dem derselbe Politi die Wahl von Papst Franziskus begleitete. Der Kontrast zwischen dem negativ dargestellten Vorgängerpontifikat und dem positiv gefeierten neuen Pontifikat entsprach dabei nicht der Realität, sondern weitgehend einer medialen Inszenierung in zwei Akten. Politis Buch Benedikt. Krise eines Pontifikats, das im November 2012 auch in deutscher Sprache erschien, war ein einziger verzerrender, denunziatorischer Frontalangriff gegen den damals regierenden Papst. Die offenkundige Absicht war die Demontage Benedikts XVI.. Das Bild auf dem Schutzumschlag zeigt einen abtretenden Papst. Keine drei Monate später hatten Politi und Genossen mit dem unerwarteten Amtsverzicht des deutschen Papstes ihr Ziel gewissermaßen erreicht.
Entsprechend bejubelt Politi seit März jede Geste des argentinischen Papstes. Am 21. März überschlug er sich geradezu in ausgelassener Freude:
Die scharzen Schuhe mit Schubändern, die Verweigerung der päpstlichen Mitren, das Kreuz aus Eisen, die schlichte Kasel statt pompöser Meßgewänder, das stehende Reden, die Kardinäle ‚Brüder‘ nennen, die Macht als Dienst zu bezeichnen, das Verbannen der Purpurpantoffeln der Papst-Herrscher auf den Dachboden, bedeutet das gesamte symbolische Gerüst kaiserlicher Macht des Papsttums und einer halbgöttlichen Vorstellung zu zerlegen, auf dem es sich seit mindestens tausend Jahren stützte.
Marco Politi, ein bei Massenmedien gern gesehener „aggressiver Antiklerikaler“
Christianophobie bezeichnete Politi am 6. Juni als „antikatholischen Vatikanisten“, Corrispondenza Romana schrieb am 9. Januar, daß Politi eine „anachronistische antikatholische Ideologie“ vertritt. Die UCCR nannte Politi erst am 9. August einen „aggressiven Antiklerikalen, immer bereit Schmutz auf die Kirche zu schleudern“. Politi war daher bereitwilliger und dort gern gesehener Referent bei der zwielichtigen amerikanischen Organisation SNAP, die angeblich die Interessen von sexuellen Mißbrauchsopfern von Priestern vertritt (siehe dazu den Bericht Wer sind die Organisationen, die Papst Benedikt XVI. vor den internationalen Strafgerichtshof zerren wollen?). Dort findet Politi das „ideale Publikum, um die katholische Kirche und Benedikt XVI. zu verleumden“, wie Christianophobie schrieb.
Von Politis Anti-Benedikt XVI.-Buch war bereits die Rede. Auch bei anderen seiner Bücher sagen bereits die Titel aus, in welche Richtung der Autor zielt: Das Bekenntnis. Ein homosexueller Priester erzählt seine Geschichte (2000) und Ich, ein homosexueller Priester (2006). Politis Ausführungen von 2012 über die Ethik des Journalisten lösten unter Kollegen nur Gelächter aus.
Die Tatsache, daß Politi vom Forum XXIII als Referent geladen wurde, sagt viel über das Forum selbst aus. Entsprechend bediente der „antikatholische“ Vatikanist sein katholisches Publikum mit den gewünschten Stichworten: „neues Klima“, „neue Atmosphäre“ seit der Wahl von Papst Franziskus. „Jetzt“ sei die Zeit gekommen, „Reformen durchzusetzen“, „die neue Atmosphäre in konkrete Reformen umzumünzen“. Und schließlich streute Politi seinen Gastgebern noch Rosen und schrieb, daß dieses veränderte „Klima“ vorbereitet werden mußte, und daß wesentliche Impulse aus Österreich von den „Reformbewegungen“ gekommen seien, mit denen er die Gruppen Kirche von unten, Wir sind Kirche, Forum XXIII und auch die ungehorsamen Priester meinte.
Forum der „Kritischen, Zweifler, Suchenden und Enttäuschten“ ohne kritisches Hinterfragen
Eingeladen hatte das Forum XXIII zu seinem 20jährigen Bestehen zur Festveranstaltung Franziskus: Der Umbruch. Ein Pontifikat mit Risiken. Das Forum bezeichnet sich selbst, was zumindest für die katholische Glaubenslehre bereits bedrohlich klingt, als „unabhängige Einrichtung im Geist Johannes XXIII. und des II. Vatikanischen Konzils“. Es wendet sich laut Selbstangabe „in ökumenischer Offenheit an Kritische, Suchende und Zweifler, an alle Enttäuschten, die den dynamischen Erneuerungsprozess, den das Konzil ausgelöst hat, mit Begeisterung und Engagement begrüßt, nun aber sich verbittert und resigniert in die innere Emigration zurückgezogen haben“. Welchen Nutzen der Vortrag eines „antikatholischen Ideologen“ für den Glauben und das Seelenheil haben soll, bleibt offen und erklärt sich wohl nur aus dem „Anachronismus“ Politis, ein „antikatholischer Vatikanist“ zu sein, ein Anachronismus, in dem sich wahrscheinlich auch das Forum XXIII befindet.
Politi selbst wurde vom Forum XXIII als „renommierter Vatikan-Kenner“ vorgestellt, der „bei den internationalen Medien ein gern gesehener Gastautor, wie etwa bei ORF, ARD, ZDF usw.“ sei. Warum dem so ist, wurde vom Forum natürlich nicht hinterfragt. Daß dieses „Gerngesehenwerden“ nicht nur mit Politis Deutschkenntnissen, sondern auch mit einer ideologischen Verortung zu tun hat, die vor allem ein Stück Manipulation durch die Massenmedien darstellt, indem sie eine bestimmte Richtung vorgeben, wie über die katholische Kirche gedacht zu werden habe, spielte im Kreis der „Kritischen, Suchenden und Zweifler“ des Forums erwartungsgemäß keine Rolle.
Unrühmliche Rolle im Kampf gegen St. Pöltens Bischof Kurt Krenn
Die Veranstaltung fand in der Pfarrei Stattersdorf-Harland statt. Prälat Johannes Oppolzer feierte einen „Gottesdienst“, was immer das auch genau meinte. Oppolzer ist ebenfalls kein Unbekannter am kirchenzersetzenden Rand. Der inzwischen 82 Jahre alte Monsignore und ehemalige Dompfarrer von Sankt Pölten verweigerte bei seinem Einstand in der Pfarre Weinburg den von der Kirche verlangten Treueeid. Schließlich lebt es sich dann leichter im Ungehorsam. Konsequenzen haben Verstöße gegen die kirchliche Ordnung oder häretische Thesen ohnehin nur in den seltensten Fällen, wie sich herumgesprochen hat. Oppolzer spielte ein wenig rühmliche Rolle im Kampf gegen den emeritierten Bischof von Sankt Pölten, Msgr. Kurt Krenn.
Das Bild wird abgerundet durch die Tatsache, daß die offizielle katholische Nachrichtenagentur der österreichischen Bischöfe KAP mit einem eigenen Artikel über die Veranstaltung des Forum XXIII und den Vortrag von Marco Politi berichtete. Eine kritische Anmerkung suchte man vergebens.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: forum23
Das Bizarre ist, daß sich dieses verquere Forum nicht ganz zu Unrecht auf Johannes XXIII. berufen kann.
„[U]nabhängige Einrichtung im Geist Johannes XXIII. und des II. Vatikanischen Konzils“ trifft es eigentlich sehr gut: J
ohannes XXIII hat sich besonders durch seine gespenstische Antrittsrede (Gaudet mater ecclesia) von der Tradition und dem nüchternen Geist der discretio spirituum „unabhängig“ gemacht. Er hat sich auch von den „Unglückspropheten“ „unabhängig“ gemacht – und diese, nämlich Sr. Lucia dos Santos von Fatima und P. Pio, zum Schweigen gebracht.
Das ganze II. Vaticanum spiegelte dann den irrealen Optimismus der Neo-Gnosis Roncallis wider.
Für die Nachgeborenen klingen diese Texte nur noch skurril: Zu augenscheinlich ist die Realität längst über sie hinweggegangen.
Die Realität des Forum XXIII. wird auch so sein, daß es eine Seniorenrunde ohne Zukunft ist. Hochgespielt von manchen Medien, von den Bischöfen bzw. ihrer Nachrichtenagentur gehätschelt, aber bald Vergangenheit.