(Rom) Die traditionsverbundene Internetseite Messa in Latino veröffentlichte den Aufsatz „Die Traditionalisten: die besten Verbündeten von Papst Franziskus“. Der Titel mag verwundern. Abgesehen davon, daß „Traditionalisten“ doch besser mit Anführungszeichen zu schreiben ist, weil die Etikettierung falsch ist, gilt es noch vorauszuschicken, daß der Titel so zu verstehen ist, daß traditionsverbundene Katholiken die besten Verbündeten jedes Papstes sind.
„Papst Franziskus kommt in seinen Reden und Predigten immer wieder auf seine Kritik an einem selbstbezogenen Christentum und am Karrierismus zurück, dem viele Kirchenmänner anhängen. Der Papst betont die Notwendigkeit, daß diese ‚hinausgehen‘ auf die Straßen der Welt, um die Botschaft des Evangeliums zu verkünden. Man sagt aber auch, obwohl es dafür noch keine offiziellen Belege gibt, außer einige Sätze zu den Bischöfen der CELAM [und den Ordensvertretern der CLAR; Anmerkung Katholisches.info], daß er die Traditionalisten nicht besonders liebt. Wie das?
Ich bin nämlich überzeugt davon, daß der Papst genau die Welt der Tradition absolut nicht meiden sollte. Schauen wir uns an, warum.
1.) Wer ist mehr als die Traditionalisten „hinausgegangen“ aus den staubigen Sakristeien, um für die Zelebration der Heiligen Messe zurückzukehren in die Katakomben? Wer hat mehr als sie in der ganzen Welt Industriehallen in Kirchen, Garagen in Kapellen und Zinskasernen in Klöster umgewandelt?
2.) Wer ist mehr als sie, um den Glauben zu bewahren, „hinausgegangen“ auf die Straßen ohne die Bannstrahlen der Spießer zu fürchten und die Ermahnungen der Feigen, die sich als „Vorsichtige“ verkleiden? Diese haben sich vielmehr mit Apostolischer Eilfertigkeit beeilt, die Türen hinter den „hinausgehenden“ Traditionalisten gut zu verriegeln, damit ja niemand ihre von ihnen drinnen abgeschirmte Herde „anstecken“ könnte.
3.) Wer, vor allem in Frankreich, aber nicht nur, hält weiterhin öffentlich feierliche Prozessionen und große Fußwallfahrten auf den öffentlichen Straßen ab?
4.) Wer steht bei anhaltender Apathie der Hirten, weiterhin auf den Straßen und Plätzen Frankreichs, um aktiv die Ehe und die christliche Familie zu verteidigen, auch um den Preis, verhaftet zu werden?
5.) Wer, wenn nicht die Traditionalisten, haben aus Kohärenz zu ihrer Berufung, seit Jahrzehnten auf brillante Karrieren in der Kirche, auf Lehrstühle an Päpstlichen und Katholischen Universitäten, auf sichere Posten in den kirchlichen Redaktionsstuben, im Dienst der Bischofskonferenzen und in den Ordinariaten verzichtet?
6.) Wer ist imstande, zum Ärger selbstbezogener Bischöfe, dank Gottes Gnade und der Bereitschaft zu einer gesunden Auseinandersetzung auf den Straßen der Welt noch immer Protestanten, Juden und Moslems zu bekehren?
7.) Wer trägt weiterhin und konsequent kirchliche Kleidung, um präsent zu sein und sich nicht auf den Straßen der Welt zu verstecken? Wer hingegen bemüht sich umgekehrt, sich möglichst zu tarnen und unkenntlich zu machen, und trägt das Priester- und Ordensgewand, wenn überhaupt, nur innerhalb der wohlgesonnenen Mauern seiner Kirche?
8.) Wer spricht noch über das soziale Königtum Unseres Herrn Jesus Christus und bemüht sich – und zwar außerhalb der Sakristeien – in der Welt dafür zu kämpfen, daß die Staaten in ihren Rechtsordnungen das Gesetz Gottes respektieren und verteidigen?
9.) Wer, um auf die Armut zu sprechen zu kommen, einem Thema, das Papst Franziskus so teuer ist, gibt so bereitwillig seinen Zehnt, indem er sogar Kirchensteuer zahlt und darüberhinaus spendet, wie es ihm möglich ist, um seinem Gewissen treu zu bleiben?
10.) Wer letztlich vertritt ein kämpferisches Christentum, das auf die Bekehrung der Welt abzielt, ohne falsche Ökumenismen, ohne Kompromisse oder falsche menschliche Rücksichtnahme, aber alles in allem für Christus?
Papst Franziskus würde daher wirklich in den Traditionslisten seine treuesten und kostbarsten Verbündeten finden. Aber… vielleicht träume ich… . Die Regie sagt mir, daß ich da etwas mißverstanden haben müsse …
Ich habe nichts verstanden? Mag sein. Aber ich hoffe noch immer. Ich liebe den Papst, denn der Papst ist der Papst. Ich bete für ihn und ich hoffe weiterhin…
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Una Voce
Für bestimmte Situationen in der heutigen Kirche und Welt fällt mir immerzu diese Fabel von Äsop ein:
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Das Lamm und der Wolf
Ein Lämmchen löschte an einem Bache seinen Durst. Fern von ihm, aber näher der Quelle, tat ein Wolf das gleiche. Kaum erblickte er das Lämmchen, so schrie er:
„Warum trübst du mir das Wasser, das ich trinken will?“
„Wie wäre das möglich“, erwiderte schüchtern das Lämmchen, „ich stehe hier unten und du so weit oben; das Wasser fließt ja von dir zu mir; glaube mir, es kam mir nie in den Sinn, dir etwas Böses zu tun!“
„Ei, sieh doch! Du machst es gerade, wie dein Vater vor sechs Monaten; ich erinnere mich noch sehr wohl, dass auch du dabei warst, aber glücklich entkamst, als ich ihm für sein Schmähen das Fell abzog!“
„Ach, Herr!“ flehte das zitternde Lämmchen, „ich bin ja erst vier Wochen alt und kannte meinen Vater gar nicht, so lange ist er schon tot; wie soll ich denn für ihn büßen.“
„Du Unverschämter!“ so endigt der Wolf mit erheuchelter Wut, indem er die Zähne fletschte. „Tot oder nicht tot, weiß ich doch, dass euer ganzes Geschlecht mich hasset, und dafür muss ich mich rächen.“
Ohne weitere Umstände zu machen, zerriss er das Lämmchen und verschlang es.
Das Gewissen regt sich selbst bei dem größten Bösewichte; er sucht doch nach Vorwand, um dasselbe damit bei Begehung seiner Schlechtigkeiten zu beschwichtigen.
Auch das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein sollte ein Katholik gerade heute immer wieder meditieren …
Ja es stimmt, denn die Traditionalisten sind die wahren und einzigen Verbündeten des Papstes, denn diese wirken ja im Sinne Gottes unseres Herrn, seines Heiligen Willen, den Glaubenswahrheiten und der Heiligen Tradition seiner Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche. Und diese getrauen sich auch den Papst auf Fehler hinzuweisen. Nur ist halt die entscheidende Frage, will der Papst dies, oder will dieser die Traditionalisten zum schweigen bringen wie die Ecclesia Dei Gemeinschaften, die sich ja nur mehr Ja und Amen zu sagen trauen.
Gottes und Mariens Segen auf allen Wegen
Gegen Punkt 9 muss ich Widerspruch einlegen:
Für die meisten (nicht alle!) Tradis ist das Thema Armut gar kein Thema, denn die meisten Tradis sind Beamte und Besserverdienende, denen Armut gar nichts sagt. Dementsprechend verhalten sie sich.
In der Hinsicht liefern die „Linken“ einfach mehr Denkanstösse, leider viel zu oft in die Richtung Sozialismus.
Auch „Nächstenliebe“ ist den meisten (wieder: nicht allen!) Tradis eher fremd, denn schliesslich rettet sich jeder selbst… Lauschen sie mal deren Predigten.
Ich hatte gehofft, dass der neue Papst Franz endlich die katholische Soziallehre wiederbelebt.
Aber sein Armutsgerede ist leider inhaltsleer: Wortgeklimper halt.
Hier irren Sie gewaltig, Herr Bell!
In unserer kleinen Kapelle gibt es 1–2 Besserverdienende, was auch immer Sie darunter verstehen mögen. Alle anderen müssen sehr genau rechnen, ob sie am Sonntag 1,2,oder 5€ spenden. Dabei wissen wir sehr genau, daß auch eine Spende von 5€ nicht ausreicht für die Unkosten (Miete usw…) der Kapelle. Aber regelmäßig mehr zu spenden ist einfach nicht möglich.
Weiterhin interessiert mich, wie es sich zeigt, daß die Tradis sich „dementsprechend“ verhalten. Was heißt das genau? Solche Allgemeinplätze helfen nicht weiter.
Ja, und zur Nächstenliebe. Sagen Sie mir doch bitte, wie ich meinen Nächsten retten soll, wenn ich mich nicht selbst rette sondern dem Untergang preisgebe. Du sollst Deinen Nächsten lieben w i e Dich selbst, nicht ohne. daß Du Dich selbst liebst; denn das ist nicht möglich.
Vor kurzem waren 2 Neulinge, eindeutig Nichtkatholiken, vielleicht sogar Atheisten, in der Heiligen Messe. Unser Pater hat kurzentschlossen seine Predigt 100%ig auf sie und die Möglichkeit ihrer Seelenrettung zugeschnitten.
Wo waren Sie bloß, daß Sie zu solch einem Urteil kommen?
Sie irren. Hier haben neunzig Prozent der Leute „Geldsorgen“; in einer Gemeinde von 400 regelmäßigen Messbesuchern am Sonntag: Kleine Renten, wenig Rücklagen, viele Kinder, auch mal Arbeitslosigkeit… Das ist unter traditionsverbundenen Katholiken viel normaler als unter der soziologisch viel homogeneren Klientel des modern-katholischen Glaubens. Da sitzt ja nur noch ein halbgebildetes Besserwissertum in den Bänken, das zumindest eine semiakademische Ausbilduldung hat, wenn es nicht sowieso sein Gehalt von der Kirche bezieht. Unsere Gemeinden spiegeln viel mehr, die Gesamtbevölkerung wieder: Da kniet eben auch mal ein Professor neben einem Obdachlosen an der Kommunionbank. Die Solidarität untereinander ist aber größer und persönlicher, das ist wohl wahr. Z.B. Kleidung und Möbel, werden intern weitergegeben, Nahrungsmittel werden geteilt und verteilt. Wenn jemand nicht mit den Behörden zurecht kommt, wird ihm geholfen, usw. Jeder versucht an den anderen zu denken, weil er dem anderen ja auch in die Augen sehen können muss.
„Wenn jemand nicht mit den Behörden zurecht kommt, wird ihm geholfen“
In Ihrer Kapelle möchte ich gerne zur Messe gehen!
Danke für diese überraschend-geistreiche Analyse der „Tradis“. Besonders Punkt 5. ist hervorzuheben.
Vielleicht kann die geschätzte Redaktion diesen Artikel an S. H. schicken. Er wird sich dann ggf. telephonisch melden.
Lefebvre hat sich selber 1985 als Traditionalist (!) und nicht nur als „traditionsverbunden“ bekannt und dabei keine Anführungsstriche benutzt! Siehe Lefebrve, Marcel, Vorträge und Rundbriefe von 1974 bis 1994, aus dem Frz. übers. v. F. Steinhart, Stuttgart 1994, 413: „Wir Konservative, Traditionalisten, die wir die Tradition mit uns haben, die Wahrheit der Kirche, wir können uns gegen den Liberalismus verteidigen, indem wir alle Argumente benützen, die die Päpste gegen ihn verwendet haben.“ [Hinweis bei Menke, Karl-Heinz, Die traditionalistischen Wurzeln der Piusbruderschaft, IKZ Communio, 38 (2009) 313, Anm. 2.]