(London) Die katholische Historikerin und Publizistin Cristina Siccardi verfaßte eine Rezension für ein in Neuauflage erschienenes Buch über den „Indult von Agatha Christie“ und die Frage, warum Papst Paul VI. für England diese Ausnahmeregelung für den überlieferten Ritus gewährte. Ein Buch, das auch in einer deutschen Ausgabe wünschenswert wäre.
von Cristina Siccardi
(London) Luther hatte kein Erbarmen mit der Heiligen Messe. Er zerriß sie. Er hatte ebensowenig Erbarmen mit dem Papsttum. Er versenkte es. Gerade durch die Zerlegung des liturgischen Ritus führte der Häresiarch aus Eisleben seinen gnadenlosen Krieg gegen die Kirche. Ein Drama, aus dem erst das Konzil von Trient und der heilige Pius V., der den Römischen Ritus auf die ganze lateinische Kirche ausdehnte, einen Weg zur Wiederaufrichtung der Kirche wiesen, wobei der Papst die Möglichkeit beibehielt, auch andere bereits existierende Riten zu gebrauchen, sofern sie mindestens 200 Jahre alt und daher sicher frei von protestantischen Infiltrationen waren.
Im August ist die zweite Auflage des Buches von Gianfranco Amato in den Buchhandel gekommen: Der Indult von Agatha Christie. Wie die tridentinische Messe in England gerettet wurde. [1]L’Indulto di Agatha Christie. Come si ਠsalvata la Messa Tridentina in Inghilterra (Fede & Cultura, 220 Seiten, 18 Euro Das Vorwort stammt von Erzbischof Luigi Negri von Ferrara. Der Autor zeichnet Schritt für Schritt nach, wie es möglich wurde, trotz der nachkonziliaren Liturgiereform von 1969, den nie abgeschafften Vetus Ordo in England zu erhalten.
Auf der britischen Insel wurde die Messe des Heiligen Pius V. dank des Indults vom 30. Oktober 1971 nie ausgelöscht. Gewährt wurde der Indult von Papst Paul VI. nach einem an ihn gerichteten Appeal to preserve Mass sent to Vatican, der am 6. Juli 1971 in der Times veröffentlich wurde. Unterzeichnet war der Appell von 57 Persönlichkeiten des englischen Kulturlebens, darunter die berühmte Schriftstellerin Agatha Christie. Nach ihr wird seither sowohl der Appell als auch der Indult benannt. Unter den Unterzeichnern befanden sich nicht nur bekannte Katholiken wie Graham Greene, sondern auch Kirchenferne und Anglikaner, wie eben Agatha Christie, die berühmte Romanfiguren wie den Detektive Hercule Poirot und Miss Marple erfand, oder die Bischöfe Robert Cecil Mortimer und John Richard Humpidge Moorman, der die Delegation der anglikanischen Konzilsbeobachter angeführt hatte.
Großartig ist der von den englischen Intellektuellen in diesen wunderbaren Appell eingefügte Vergleich:
Nun ist es aber eine Tatsache, daß die Basiliken und die Kathedralen von den christlichen Völkern erbaut wurden , um dort einen Ritus zu feiern, der noch vor einigen Monaten eine Tradition von universaler Lebendigkeit war. Es handelt sich um die römisch-katholische Messe (…) Ohne hier die religiöse und geistliche Erfahrung von Millionen von Menschen während 2000 Jahren in Betracht ziehen zu wollen, dieser Ritus hat gelebt und lebt mit seinen herrlichen lateinischen Texten in einer Menge unendlich kostbarer Werke weiter: Werke, nicht nur von Mystikern und Theologen, sondern auch von Dichtern, Philosophen, Musikern, Malern und Bildhauern, und zwar von den größten aller Länder und Zeiten. Es gehört daher mit gutem Recht der Weltkultur, nicht weniger als der Kirche und den Gläubigen.
Luther hingegen schrieb:
Wenn wir über die Messe triumphieren, so denke ich, dann triumphieren wir über das ganze Papsttum. Denn auf der Messe wie auf einem Felsen ist das gesamte Papsttum mit seinen Klöstern, seinen Bistümern, seinen Kollegien, seinen Altären, seinen Priestern, seinen Lehren errichtet und stützt sich auf sie mit seinem ganzen Leib. Und diese ganzen Sachen müssen mit der sakrilegischen und verabscheuungswürdigen Messe zusammenbrechen.
In England war auch gerade die Heilige Messe Ausgangspunkt für die Demontage der katholischen Kirche, wie der selige John Henry Newman erkannt hatte. Je mehr man sich in diese suggestiven und akribisch belegten Seiten des Buches vertieft, die aktueller sind denn je, desto mehr Fragen treten auf, gerade auch wegen der traurigen Ereignisse um die Franziskaner der Immakulata. Warum gewährte der Montini-Papst den Indult für England? War es die Art der Forderung, die den Papst milde stimmte? War es vielleicht die Wertschätzung, die er für einige Unterzeichner hegte? Oder war es die diplomatische Geschicklichkeit von Kardinal Heenan, der in schwierigen Momenten dem Papst seine Loyalität und Treue bewies? Vielleicht, weil viele der Unterzeichner jener „modernen Welt“ angehörten, mit der der Papst so hartnäckig ins Gespräch kommen wollte? Oder tat er es im Namen jener 40 Märtyrer, die in England und Wales wegen ihrer Anhänglichkeit zur Alten Messe ermordet und von Paul VI. am 25. Oktober 1970 heiliggesprochen worden waren?
Text: Corrispondenza Romana
Übersetzung: Giuseppe Nardi
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↑1 | L’Indulto di Agatha Christie. Come si ਠsalvata la Messa Tridentina in Inghilterra (Fede & Cultura, 220 Seiten, 18 Euro |
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eine deutsche Ausgabe wäre wirklich wünschenswert
Ja, eine deutsche Ausgabe wäre wünschenswert. Eigentlich wäre das „ein Fall für den Sarto-Verlag“. (FSSPX, deutscher Distrikt).
Wenn ich richtig informiert bin, dann gingen die Unterzeichner taktisch vor, sie stellten sich klug auf die Persönlichkeit Paul VI. ein: Indem sie bewusst „kulturell-modern“ argumentierten, ganz bewusst auf theologische Argumente wie den zurückgedrängten Opfercharakter verzichteten. Die hl. Messe als weltweit anerkanntes „Kulturgut“, als Gesamtkunstwerk, in ihrer zeitlos-einmaligen Schönheit auch bewundert von Nicht-Gläubigen, damit konnte man Paul VI. erweichen, bzw. ihm imponieren.
Was es für die Kirche bedeutet, wenn solch ein Papst an der Spitze steht, der von seinen Nachfolgern noch überboten wird, das zeigt sich in aller Schärfe, …wenn man hinsehen will…
Es gibt gerade im englisch/amerikanischen Buchverlagen sehr viele gute Bücher, auch Neuerscheinungen zu katholischen Themen. Ebenfalls gibt es zahlreiche sehr interessante Webseiten und Zeitschriften, die man online lesen kann. Um sich selber ein Bild zu machen und von Übersetzungen unabhängig zu sein, kann man eigentlich nur jeden ermuntern, dass er seine englischen Sprachkenntnisse auffrischt oder Englisch neu lernt. Gerade durch das vielfältige Angebot im Internet, ist ja auch die Motivation gegeben, sich mit Texten auseinanderzusetzen, die den Lernenden persönlich interessieren.
Unabhängig davon, wäre natürlich die von Ihnen angeregte Übersetzung zu begrüßen, nur lohnt es sich für die Verlage meist finanziell nicht und so kommen die Übertragungen dann oft doch nicht zustande.