(Amman) „Mit dem Krieg kommen die Lügen. Nach dem Krieg, werden die Lügen der Besiegten entlarvt und die Lügen der Sieger zur offiziellen Geschichtsschreibung“. Dieser Satz des Historikers Arrigo Petacco gilt auch für den Syrien-Konflikt. Hinter den Kulissen laufen in den USA frenetische Kriegsvorbereitungen. Weitere Länder prüfen eine Teilnahme am geplanten US-Militärangriff. Als Anlaß wird der Einsatz von chemischen Waffen durch das syrische Regime gegen die Rebellen genannt. Damit sei eine Linie überschritten, die ein Eingreifen notwendig mache. US-Präsident Barack Obama hatte diese Maxime bereits vor einem Jahr ausgesprochen, als schon einmal ein amerikanischer Militäreinsatz unmittelbar bevorzustehen schien. Die katholische Kirche bemüht sich um eine Verhinderung einer solchen Ausweitung des Krieges. Papst Franziskus hat in einem dramatischen Appell alle beteiligten Seiten zum Frieden aufgerufen und für Samstag, den 7. September einen Tag des Fastens und des Gebets für den Frieden ausgerufen. Eine aufsehenerregende Reportage aus Ghouta, dem Ort, wo der C‑Waffen-Einsatz gegen die Rebellen stattgefunden haben soll, enthüllt das Gegenteil dessen, was die US-Regierung behauptet.
Die Reportage sammelte vor Ort in Ghouta Zeugenaussagen unter den Rebellen. Die Reportage enthüllt, daß es die Rebellen selbst waren, die „aus Versehen“ die C‑Waffen gezündet haben. „Die chemischen Waffen kamen aus Saudi-Arabien“ und nicht von der Regierung Assad, so die Rebellen in Interviews. Eine Reportage, die in den westlichen Massenmedien jedoch weitgehend unbeachtet bleibt.
In Ghouta kamen laut der Reportage tatsächlich C‑Waffen zum Einsatz. Gemäß Angaben der dortigen Rebellen, wurden sie jedoch nicht vom alawitischen Diktator Bashar al-Assad gezündet, sondern von den Rebellen selbst – aus Versehen. Die aufsehenerregende Enthüllung ist in einer Reportage enthalten, die am 29. August von Mint Press News veröffentlicht wurde. Verantwortlich zeichnen die Journalisten Dale Gavlak, der seit Jahren mit Sitz im jordanischen Amman für Associated Press arbeitet und Yahya Ababneh, der Befragungen und Recherchen in Syrien durchführte. Die von den beiden Journalisten gesammelten Interviews haben etwas Unglaubliches an sich und wecken deshalb auch manchen Zweifel. Sie besagen das genaue Gegenteil von dem, was von US-Regierungsseite behauptet und von anderen westlichen Staatskanzleien und meinungsführenden Medien bekräftigt wird. Die Aussagen der Rebellen belasten nämlich sich selbst und entlasten ihren Feind Assad.
„Aus zahlreichen Interviews mit in Ghouta wohnenden Menschen, Ärzten, Rebellen samt ihren Familien und anderen Bürgern ergibt sich ein ganz anderes Bild der Lage“, als jenem, das US-Präsident Barack Obama, Großbritannien und Frankreich zeichnen. Laut diesen habe Assad durch einen C‑Waffenangriff am 21. August zwischen 355 und 1700 Menschen in Ghouta ermordet. Ghouta ist eine Vorstadt der syrischen Hauptstadt Damaskus. Die Reportage zeigt ein Interview mit Abu Abdel-Moneim, den Vater eines kämpfenden Rebellen: „Mein Sohn kam vor zwei Wochen zu mir und sagte, ob ich denn wisse, was das für Waffen sind, die er zu transportieren hatte.“ Der Mann beschreibt dann in der Reportage das Aussehen der Waffen.
Der Sohn Abdel-Moneims kam am 21. August mit zwölf weiteren Rebellen bei der Explosion chemischer Kampfstoffe ums Leben. Das geschah in einem Tunnel, in dem die Rebellen die Waffen aufbewahrten, die ihnen aus Saudi-Arabien geliefert wurden. Waffenlieferant war der Anführer einer islamistischen Rebellengruppe. Die Waffen kamen aus Riad.
Ein anderer Rebell, der sich „K“ nennt, erklärt in der Reportage: „Die Saudis haben uns nicht gesagt, was das für Waffen sind und wie man sie benutzen muß. Wir wußten nicht, daß es sich um chemischen Waffen handelt, das hat uns niemand gesagt. Niemand von uns konnte ahnen, was das genau war.“ „J“, ein anderer Rebell sagte: „Diese Waffen haben sofort unser Interesse geweckt, weil sie neu waren. Leider haben einige Kämpfer daran hantiert und sie zur Explosion gebracht.“
Die undurchsichtige Rolle Saudi-Arabiens
Laut den beiden Reportern explodierten tatsächlich C‑Waffen, aber nicht durch die Hand des Assad-Regimes, sondern durch die Hand der Rebellen, die sie von Saudi-Arabien erhalten hatten. „Mehr als ein Dutzend interviewter Rebellen hat uns gesagt, von der saudischen Regierung ein Gehalt zu beziehen“, so die beiden Journalisten.
Wer hat die C‑Waffen benützt?
Nach einer genauen Analyse der Reportage und der Verwicklung zwischen sunnitischen Rebellen in Syrien mit Saudi-Arabien schrieb Peter Oborne im Daily Telegraph: „Die einzigen, die einen Nutzen aus dem Massaker gezogen haben, sind die Rebellen, die dabei waren den Krieg zu verlieren. Nun aber haben sie die USA und Großbritannien bereit, an ihrer Seite in den Krieg einzugreifen. Während es nur mehr wenig Zweifel gibt, daß C‑Waffen zum Einsatz kamen, ist noch unklar, wer die Waffen benützt hat. Es scheint wichtig daran zu erinnern, daß Assad bereits früher beschuldigt wurde, Giftgas gegen Zivilisten eingesetzt zu haben. Damals kam Carla del Ponte, UN-Kommissarin in Syrien zum Schluß, daß höchtswahrscheinlich die Rebellen und nicht Assad für den Giftgaseinsatz verantwortlich waren.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi (Screenshot)
Alle hören doch nur wenige berichten!