(Rom) Das Buch In Memoria di Me (Zu Meinem Gedächtnis) des Priester Mauro Gagliardi [1]Don Mauro Gagliardi geboren 1975 in Salerno, Priesterweihe 1999, Diözesanpriester des Bistums Salerno-Campagna-Acerno, Doktorat in Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana 2002, o. … Continue reading ist im Frühjahr 2012 erschienen. Seiner Bedeutung wegen veröffentlichen wir eine Buchbesprechung des Priesters Don Massimo Vacchetti (41), Pfarrer in Bologna.
von Don Massimo Vacchetti
(Rom) Der Bischof fragte mich einmal mit einem gewissen Ernst: „Zelebrierst Du die Messe täglich?“ Erstaunt über diese Frage antwortete ich ihm: „Wenn ich sie nicht jeden Tag zelebrieren würde, wäre ich nicht Priester geworden.“
Diese kuriose Episode erzähle ich aus zwei Gründen. Erstens, weil mancher Priester offensichtlich nicht jeden Tag die Heilige Messe zelebriert. Die Frage des Bischofs enthielt offensichtlich diese Sorge. Zweitens, weil ich das priesterliche Amt mit der Heiligen Messe identifiziere. „Die priesterliche Spiritualität ist von ihrem inneren Wesen her eucharistisch“, sagt das Apostolische Schreiben Sacramentum Caritatis von Papst Benedikt XVI. Und jede pastorale Tätigkeit des Priesters, seine ganze Seelsorge und jede evangelisatorische Aktion hat ihren Ausgangspunkt und ihren Ursprung in der liturgischen Handlung des Meßopfers, in dem sich Christus durch den Priester für die Rettung der Welt darbringt.
Es gibt keine Messe ohne Priester, aber auch keinen Priester ohne Messe
Die Heilige Messe ist daher für den Priester nicht nur ein Akt der Anbetung, nicht nur eine Geste des Sohnes an den Vater, nicht nur das Altaropfer, nicht nur eine Danksagung, vielmehr ist in ihr wie in einem unergründlichen Geheimnis, das ganze Erlösungswerk gegenwärtig und daher die ganze priesterliche Mission. Es gibt keine Messe ohne Priester, aber auch keinen Priester ohne Messe. Es ist daher nicht möglich, die sakramentale Natur des Priestertums vom eucharistischen Gestus zu trennen, ohne ernsthaft das eigene Amt eines guten Hirten zu gefährden, der sein Leben für seine Herde hingibt. Es geht nicht nur um eine heilige Pflicht (die das Kirchenrecht nicht verpflichtend vorsieht), sondern um eine Notwendigkeit für die eigene Seele und ein Bedürfnis für das „Leben der Welt“.
Mit dem Buch In memoria di Me (Zu Meinem Gedächtnis, Verlag Cantagalli, 214 Seiten) des Priesters Mauro Gagliardi, eines jungen Theologen und Consultors des Amtes für die päpstlichen Liturgiefeiern und die Gottesdienstkongregation, ist eine bemerkenswerte Hilfe erschienen, um die wahre priesterliche Spiritualität zu leben.
Zwei Punkte machen das Buch besonders kostbar. Einmal als geistliche Lektüre, weil es einer Reihe von Meditationen für Priesterexerzitien entspringt. Aber auch als theologisch-liturgische Überlegungen über die Art und Weise, wie in den Gemeinschaften und Pfarreien die liturgische Handlung interpretiert wird und wieviel Mißbrauch sie ausgesetzt ist.
Es mag paradox erscheinen, aber der erste Liturgiemißbrauch geschieht in den Priesterseminaren
Es mag seltsam, ja geradezu paradox erscheinen, aber der erste Mißbrauch geschieht vielfach in den Priesterseminaren durch das fast völlige Fehlen einer liturgischen Erziehung. Dadurch werden die Seminaristen zu Priestern und zelebrieren, indem sie durch Ausprobieren das nachahmen, was sie gesehen haben. Dabei sind die Worte des weihenden Bischofs im Weiheritus eindeutig. Darin wird der Neupriester ermahnt, nachzuahmen, was er zelebriert. Er wird nicht ermahnt, die Zelebranten nachzuahmen.
Daraus folgt, daß der Priester in der eucharistischen Liturgie sich selbst findet. Er ist gerufen, eine gelebte Liturgie zu sein, aber vorher muß er nicht nur die historische Entwicklung kennen, sondern auch die Spiritualität und die Theologie, die aus ihr hervorgeht.
Im ersten Teil des Buches zeigt der Autor auf, wie sich die priesterliche Spiritualität aus dem Ritus der Heiligen Messe herleitet. Es ist nicht möglich über die Heilige Messe zu sprechen, ohne damit die liturgische Dynamik zu meinen, durch die das Wunder der eucharistischen Realpräsenz erfolgt. Dieses Ereignis geschieht durch Christus aber durch den Priester, aber gleichzeitig ist es noch mehr, es formt und modelliert auch den Priester selbst. So heißt es auf dem Buchrücken: „Die Eucharistie macht den Priester, der Priester macht die Eucharistie.“ Von den beiden Formulierungen hat erstere Vorrang, denn sie kommt in der Kausalitätskette an erster Stelle, „weil zuerst Christus selbst sich im Kreuzesopfer geschenkt hat“ (Sacramentum Caritatis, Nr. 14).
Von Gestus zu Gestus des Ritus entfaltet der Autor parallel eine Spiritualität des Priestertums
Durch dieses Verweilen bei der liturgischen Aktion läßt der Autor eine ebenso dichte und wesentliche Spiritualität vor den Augen des Lesers entstehen. Er zeichnet ein leidenschaftliches Priesterbild, ein Bild dessen, den Christus berufen hat, damit er „dies zu Meinem Gedächtnis“ tut. Der Bußakt zum Beispiel am Beginn der Zelebration, mit dem der Priester und alle Gläubigen sich ihrer Unwürdigkeit bewußt werden, aber auch der ihnen durch die göttliche Barmherzigkeit gewährten Möglichkeit, sich dem „Kalvarienberg“ des Altars zu nähern, er wird zur Gelegenheit, die Natur des Priesters als Seelenarzt zu erkennen.
Die Liturgie der Heiligen Messe ist im Denken des Autors die wahre Seele jedes Apostolats. Und so läßt der Autor von Gestus zu Gestus des Ritus parallel zur Zelebration, eine Spiritualität des Priestertums erstehen, des Priesters, der sich Jesus gleichmacht als Arzt, Mittler, Meister, Vater, Büßer, Erbauer, Anbeter, Missionar. Eine würdig zelebrierte Liturgie, so der Autor, durchdringt und formt das Bild des Priesters. Die alte Weisheit der Kirche paraphrasierend könnte man sagen, daß „das Gesetz des Gebets das Gesetz des Glaubens des Priesters ist“.
Buch gegen den Strom: Es folgt ganz dem Lehramt von Papst Benedikt XVI.
Die zweite Besonderheit dieses Buches liegt darin, daß es ganz dem Lehramt von Papst Benedikt XVI. folgt. Sicher, der Priester verrichtet seinen Dienst im Amt für die päpstlichen Zelebrationen. Dennoch ist das Buch in Zeiten wie diesen keine Selbstverständlichkeit, sondern ein wichtiges Werk, mit dem der Autor gegen den starken Strom schwimmt. Man muß nicht im offenen Widerspruch zum Papst stehen, um heute gegen sein Lehramt Widerstand zu leisten. Man braucht die lehramtlichen Aussagen einfach nicht zu lesen, sie nicht zu beachten oder sie einfach in Gleichgültigkeit mißachten.
Es steht außer Zweifel, daß Papst Benedikt XVI. die heilige Liturgie am Herzen liegt. Er ließ während seines Pontifikats kaum eine Gelegenheit aus, um diese große und entscheidende Frage aufzugreifen. Der Papst war sich bewußt, daß auf diesem Terrain die entscheidenden Weichenstellungen erfolgen müssen, damit die Kirche ihren Auftrag erfüllen kann. Eine schlampige, nachlässig zelebrierte, ihres Sinngehalts entleerte und in ihrem Anspruch verkürzte Liturgie hat in den vergangenen 50 Jahren seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den Augen der Gläubigen die heilsgeschichtliche und rettende Tragweite des eucharistischen Gestus verdunkelt. Anders läßt sich nicht erklären, mit welcher Insistenz dieser sanftmütige Papst in einer außergewöhnlichen Schlichtheit fern jeder Selbstdarstellung mit solchem Nachdruck wert auf eine würdige Zelebration legte, das Kreuz in die Altarmitte stellte, um wieder die Zelebration ad Dominum in Erinnerung zu rufen, auf den Wunsch, daß die Gläubigen in Ehrfurcht beim Kommunionempfang knien und schließlich die Zelebration in der überlieferten Form des Ritus wiederherstellte.
Mehrzahl der Bischöfe und Kardinäle haben päpstliche Bemühungen mit Gleichgültigkeit quittiert
Die Mehrzahl, darunter auch bedeutende und geschätzte Priester, Bischöfe, Kardinäle an der Römischen Kurie und in den Diözesen haben diese päpstlichen Bemühungen mit völliger oder weitgehender Gleichgültigkeit quittiert. Vielmehr versuchen manche sogar zu behaupten, daß seine Gesten und Entscheidungen gar nicht das aussagen und bedeuten würden, was sie in Wirklichkeit aussagen und bedeuten.
Papst Benedikt erkannte die Notwendigkeit, daß die kirchliche Erneuerung bei der Liturgie, dem Opfer des Altars, der eucharistischen Anbetung und bei der Wiedergewinnung des Verständnisses für das Heilige beginnen muß, um einer Welt, die ohne Gott lebt, die Freude des Glaubens zurückzugeben. Das vorliegende neue Buch folgt dieser Vorgabe.
Alter Ritus kein Zugeständnis an Nostaliker – Leteinischer Ritus besteht aus zwei Formen: Verpflichtung für ganze Kirche
Die Annahme, die Wiederherstellung des Alten Ritus sei nur ein Zugeständnis an Nostalgiker, ein Entgegenkommen an Rückwärtsgewandte, geht an der päpstlichen Entscheidung völlig vorbei. Es genügt Summorum Pontificum zu lesen (wieviele auch hohe Kirchenvertreter werden das noch nicht getan haben?), um das genaue Gegenteil festzustellen und eine erstaunliche Entdeckung zu machen, denn darin heißt es, daß es sich nicht um Sonderregelungen und Abweichungen handelt, sondern, daß der eine lateinische Ritus aus zwei Formen besteht, jener von Paul VI. und jener von Pius V. in der Festlegung von Johannes XXIII. Daher ist die Alte Messe kein Zugeständnis an sogenannte „Traditionalisten“: Von Summorum Pontificum geht vielmehr eine Pflicht für die ganze Kirche aus. Die Pflicht, die heilige Liturgie auch in der sogenannten außerordentlichen Form des Römischen Ritus zu kennen und durch sie sakramental unseren Herrn Jesus Christus und seine Heilsgnade sichtbar zu machen. Viele in der Kirche tun nur so, als würden sie davon nichts wissen.
Das Buch von Gagliardi ist mutig und unbequem. Dem Autor kommt das Verdienst zu, auf eine natürliche, ungezwungene Art und mit einer sehr einfachen, allgemein verständlichen Sprache eine priesterliche Spiritualität im Licht des Alten Ritus entwickelt zu haben. Ebenso das Verdienst, dem liturgisch-spirituellen Reichtum beider Formen des Römischen Ritus nachzuspüren und diesen aufzuzeigen. Auch darin folgte er einem Wunsch Benedikts XVI.
Text: Libertà e Persona
Übersetzung: Giuseppe Nardi
-
↑1 | Don Mauro Gagliardi geboren 1975 in Salerno, Priesterweihe 1999, Diözesanpriester des Bistums Salerno-Campagna-Acerno, Doktorat in Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana 2002, o. Professor an der Theologischen Fakultät des Päpstlichen Athenäums Regina Apostolorum in Rom und Lehraufträge an der Europäischen Universität in Rom, seit 2008 Consultor des Amtes für die päpstlichen Liturgiefeiern und seit 2010 der Gottesdienstkongregation. |
---|
und was ist aktuell daraus geworden?