(Rom) Im dritten und letzten Teil seiner Predigt zum Hochfest der Apostel Petrus und Paulus, bei dem er mehreren Metropoliten das Pallium umhängte, zitierte Papst Franziskus in Anwesenheit von Vertretern des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel dreimal Lumen gentium, die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche.
Das erste Zitat entnahm der Papst dem Paragraphen 18, daß Christus
„den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt. Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor.“
Das zweite Zitat stammt aus dem Paragraphen 19 und ruft in Erinnerung, daß Christus die Apostel in der Form eines Kollegiums konstituierte:
„Diese Apostel (vgl. Lk 6,13) setzte er nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte (vgl. Joh 21,15–17).“
Das dritte und letzte Zitat bezieht sich auf Paragraph 22 und besagt, daß das Kollegium der Bischöfe keine Autorität besitzt, außer in Einheit mit dem römischen Papst, dem Nachfolger des Petrus, ihrem Oberhaupt und ohne jeden Vorbehalt gegenüber seinem Primat vor allen, sowohl Hirten als auch Gläubigen:
„Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur Autorität, wenn das Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt, und unbeschadet dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen. Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. Die Ordnung der Bischöfe aber, die dem Kollegium der Apostel im Lehr- und Hirtenamt nachfolgt, ja, in welcher die Körperschaft der Apostel immerfort weiter besteht, ist gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche (63). Diese Gewalt kann nur unter Zustimmung des Bischofs von Rom ausgeübt werden. Der Herr hat allein Simon zum Fels und Schlüsselträger der Kirche bestellt (vgl. Mt 16,18–19) und ihn als Hirten seiner ganzen Herde eingesetzt (vgl. Joh 21,15 ff).“
Lumen gentium erwähnt an keiner Stelle eine Bischofssynode. Das Wort Synode existiert weder im Original noch in den Übersetzungen in andere Sprachen. Ausgenommen die Deutsche. In der deutschen Übersetzung, der einzigen, wird „Konzil“ mit „heiliger Synode“ übersetzt und damit als Synonym für das damals tagende Ökumenische Konzil verstanden und gebraucht.
Über die Bischofssynode wird in allen vatikanischen Dokumenten nur sehr knapp gesprochen. Nur im Paragraph 5 des Dekrets Christus Dominus über die Hirtenaufgabe der Bischöfe heißt es:
„Aus den verschiedenen Gegenden der Erde ausgewählte Bischöfe leisten dem obersten Hirten der Kirche in einem Rat, der die Bezeichnung „Bischofssynode“ trägt, einen wirksameren Beistand in der vom Papst bestimmten oder noch zu bestimmenden Art und Weise. Als Vertretung des gesamten katholischen Episkopates bringt diese Bischofssynode gleichzeitig zum Ausdruck, daß alle Bischöfe in der hierarchischen Gemeinschaft an der Sorge für die ganze Kirche teilhaben.“
Als Papst Franziskus den dritten Teil seiner Predigt vortrug, wich er in seiner Art der spontanen Predigt dreimal von der schriftlichen Vorlage ab, die in Übersetzung den Mitarbeitern von Radio Vatikan vorab vorliegen für die synchrone Übersetzung für die Radio- und Fernsehübertragung.
So sprach der Papst von „Bischofssynode“ statt von „Bischofskollegium“ und von „Synodalität“ statt von „Kollegialität“.
Die Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlichte inzwischen die „korrigierten“ Fassungen mit dem, was Papst Franziskus wirklich sagte. Nachfolgend sind die Teile unterstrichen, die er spontan änderte oder einfügte.
3. In der Einheit stärken. Hier möchte ich auf die Geste eingehen, die wir vollzogen haben. Das Pallium ist Zeichen der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, der „ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ ist (II. Vat. Konzil, Lumen gentium, 18). Und eure Anwesenheit heute, liebe Mitbrüder, ist Zeichen dafür, dass die Einheit der Kirche nicht Einförmigkeit bedeutet. Das II. Vatikanum sagt in Bezug auf die hierarchische Verfassung der Kirche: „Diese Apostel setzte er [der Herr] nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte“ (ebd., 19). In der Einheit stärken: die Synode der Bischöfe im Einklang mit dem Primat. Wir müssen auf diesem Weg der Synodalität gehen, wir müssen wachsen im Einklang mit dem Dienst des Primats. Und das Konzil fährt fort: „Insofern dieses Kollegium aus vielen zusammengesetzt ist, stellt es die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes […] dar“ (ebd., 22). In der Kirche vereinigt sich die Vielfalt, die ein großer Reichtum ist, immer im Einklang der Einheit, wie in einem großen Mosaik, bei dem alle Steinchen dazu beitragen, das eine große Bild Gottes zu bilden. Und dies muss dazu drängen, stets jeden Konflikt zu überwinden, der den Leib der Kirche verletzt. Eins in der Verschiedenheit: Es gibt keinen anderen katholischen Weg, dass wir eins werden. Das ist der Weg Jesu! Wenn das Pallium Zeichen der Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom und mit der universalen Kirche, mit der Synode der Bischöfe ist, dann ist es auch ein Auftrag an jeden von euch, Werkzeug der Einheit zu sein.
Es kann kein vernünftiger Grund bestehen, anzunehmen, Papst Franziskus habe die Änderungen zwar ausgesprochen, damit aber das Original gemeint. Die Frage ist in diesem Zusammenhang bestenfalls, warum das Kirchenoberhaupt einen mit seinen engsten Mitarbeitern der Glaubenskongregation ausgearbeiteten, und damit nach seinem Einklang mit der Glaubenslehre geprüften und von ihm approbierten Text, „spontan“, gewissermaßen über Nacht, korrigiert.
Papst Franziskus hat jedenfalls bereits in anderem Zusammenhang zu verstehen gegeben, daß er die Absicht hegt, die Rolle der erst seit dem Konzil existierenden Bischofssynode zu stärken.
Der Vatikanist Sandro Magister meint dazu: Hätte der Papst schon vorab seine Absicht in den Text hineingeschrieben, dann hätte dies bei seinen Mitarbeitern aus der Glaubenskongregation die Ohren spitzen lassen, weil eine Bischofssynode, die nur ein im Kirchenrecht kaum verankertes und zahlenmäßig beschränktes Gremium von etwa 200 Bischöfen ist, nicht dasselbe ist wie das weltweite Bischofskollegium, das seit jeher und für immer ein konstitutiver Teil der Kirche ist, auf dem sie gründet.
Zuständig für die Überprüfung der päpstlichen Stellungnahmen, ausgenommen die spontanen morgendlichen Kurzpredigten, ist die Glaubenskongregation, konkret deren Sekretär Kurienerzbischof Luis Ladaria Ferrer, ein Jesuit, den Papst Franziskus ausdrücklich mit dieser Aufgabe betraute.
Als der offizielle französische Vatikanübersetzer zur letzten Zeile des dritten Teils der Predigt kam, korrigierte er den Papst, indem er „Kollegium“ übersetzte und schriftlich „Synode“ mit einem Fragezeichen in Klammern daneben setzte. So wurde die Predigt gleich nach dem Hochamt den anderen Journalisten ausgeteilt. Erst später veröffentlichte das Presseamt des Vatikans die „korrigierte“ Fassung, also so, wie es der Papst gesagt hatte und wie sie auf der Internetseite des Heiligen Stuhls nachgelesen werden kann.
Die deutsche Übersetzerin von Radio Vatikan übersetzte die erste Stelle der päpstlichen Abweichungen gleich mit „Bischofssynode“, weil das Wort im Deutschen (siehe die Übersetzungen von Lumen gentium geläufig ist), stolperte dann über die nächste Stelle, wo der Papst aus „Kollegialität“ „Synodalität“ machte und übersetzte die Passage sicherheitshalber gar nicht.
Das Bischofskollegium ist jedenfalls der Bischofssynode gewichen. Das eine meint aber nicht das andere.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Giuseppe Nardi
Der Bischof von Rom, Franziskus, oder auch Herr Bergoglio, enttäuscht mich nicht. Er ist inzwischen lange genug im Amt, er verheimlicht nicht, wofür er steht.
Was mich enttäuscht, ist der teils fröhliche Optimismus der traditionellen Priesterbruderschaften und der Altgläubigen, die nicht nur keine Bedenken haben, sondern alles in Ordnung finden, was der Bischof von Rom, der Papst ist, spricht und tut.
Sie bilden sich ein, weil sie die Messe aller Zeiten haben, sei der Zustand der Kirche nicht besorgniserregender denn je.
Irgendwann werden sie auf ihrem Schlaf aufwachen müssen, ist zu vermuten. Doch es trifft sie unvorbereitet. Gegenwehr werden sie kaum leisten, der Kampf um den Glauben scheint aufgegeben. Obwohl die Kirche immer gelehrt hat, dass der Glaube und das Beten zusammengehören. Das hl. Messopfer ist ‚das wichtigste Gebet‘ der Kirche. Zwischen dem Quasi-Glauben der Konzilskirche und dem Messopfer klafft ein Abgrund.
Nachtrag, Tippfehler:
…„sie werden AUS ihrem Schlaf aufwachen müssen.…“
Ist das die Strategie des Papstes – klammheimlich Wörter zu ersetzen und damit andere Richtungen einzuschlagen, ohne Deabtte, ohne offenen Kampf sozusagen?
Würde zu den schwarzen Schuhen und den Baukasten-Predigten passen, die alles und nichts aussagen, wenn man genau hinschaut. Während oben der Mund quatscht und schmelzenden Fans Buona sera und Buon appetito wünscht, arbeiten die Hände des Redners, ohne dass es bemerkt wird, weil alle an seinen perlenbestickten Lippen hängen und jeder das reinhört, was ihm gerade selbst am besten passt. Wenn man dann aus dem Perlen-Drogen-Rausch aufwacht, ist man vor vollendete Tatsachen gestellt und es gibt dann ein Heer von Dumpfbacken, die es klenlich finden, wenn man über Synoden und Kollegien streitet. „Wir meinen doch eigentlich alle dasselbe – wie kann man nur so „eng“ denken und eine Differenz sehen…“
Ist das so? Wenn ja – Jesus, Maria, steht uns bei!
Besser kann man die Strategie des Papstes nicht beschreiben, als Sie es in Ihrem Kommentar gemacht haben. Sie haben die passenden Worte gefunden, und das muss man erst mal können.
Doch die Tatsache an sich ist offensichtlich. Nur warum merkt das kaum jemand?