Der bekannte traditionsverbundene italienische Historiker Roberto de Mattei befaßt sich in einem Aufsatz, der am 28. März in der Tageszeitung Il Foglio erschien, mit dem Papsttum. Darin geht er einer Reihe von Fragen nach: Wer ist nun eigentlich Papst, da Benedikt XVI. noch lebt? Wer ist eigentlich Papst Franziskus und welche Theologie vertritt er? Welchen Schaden hat das Papsttum durch den Verzicht Benedikts genommen? Welche Auswirkungen hätte ein neues Amtsverständnis, das den Bischof von Rom aus dem Weihesakrament heraus als Bischof unter Bischöfen betont?
De Mattei unternimmt erste Ansätze die Theologie von Papst Franziskus zu entschlüsseln: Was meint Franziskus mit sich wiederholenden Chiffren wie „Volk der Armen“, „Peripherie“ und „Zärtlichkeit“, die er zum Teil auch in seiner Ansprache bei der Generalkongregation vor dem Konklave gebrauchte, von der es nun heißt, sie sei ausschlaggebend gewesen, die Aufmerksamkeit der anderen Kardinäle auf ihn zu lenken und damit letztlich entscheidend für seine Wahl gewesen? Ansätze, die zu vertiefen sind.
Gibt es eine innere Spannung zwischen der Person Jorge Mario Bergoglio und Papst Franziskus und wenn ja welche? Eine Spannung zwischen den persönlichen Entscheidungen und den Notwendigkeiten und der Würde des Amtes? Eine Spannung, die emblematisch in der Frage des goldenen Brustkreuzes des Papstes sichtbar wurde: die Ablehnung des goldenen Kreuzes, der Wunsch nach einem silbernen Kreuz und schließlich die Entscheidung für ein vergoldetes Silberkreuz. Eine Spannung, die sich in der Frage des päpstlichen Ornats insgesamt oder auch seines Wohnsitzes fortzusetzen scheint.
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Der Verzicht von Benedikt und die Wahl von Franziskus. Wer ist der Papst?
Von Roberto de Mattei
Die Frage: „Wer ist der Papst?“, ist eine spontane Frage, die allgemein gestellt wird, wann immer ein neuer Papst gewählt wird, vor allem, wenn sein Name und seine Lebensgeschichte einem breiten Publikum unbekannt sind. Das war nicht der Fall bei Joseph Kardinal Ratzinger, einem Deutschrömer durch Adoption, der bereits viele Jahre als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom verbracht hatte. Der Fall war es hingegen bei Karol Kardinal Wojtyla, der aus Krakau hinter dem Eisernen Vorhang kam und ebenso ist es heute bei Jorge Mario Bergoglio, der aus einer der entlegensten Diözesen der Welt stammt, wie er selbst am Tag seiner Wahl sagte.
Es ist verständlich, daß in den ersten Tagen und Wochen nach der Wahl die nähere und fernere Vergangenheit des neuen Papstes abgeklopft wird, um die Ideen, die Tendenzen, die Gewohnheiten kennenzulernen, um aus den Worten und den Gesten der Vergangenheit ein Programm für das neue Pontifikat zu ergründen. Der Band El Jesuita. Conversaciones con el cardenal Jorge Bergoglio (Der Jesuit. Gespräche mit Kardinal Jorge Bergoglio, Vergara, Buenos Aires 2010, herausgegeben von Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti), skizziert bereits das Gesicht eines Papabile und verdient es beachtet zu werden.
Welche Theologie vertritt Jorge Mario Bergoglio, der nunmehrige Papst Franziskus
Weniger bekannt ist die empörte Reaktion eines traditionsverbundenen argentinischen Gelehrten, Antonio Caponnetto, darauf in Buchform: La Iglesia traicionada (Die verratene Kirche, Editorial Santiago Apostol, Buenos Aires 2010). Man wird auch nicht verstehen, wer der neue Papst ist, wenn man nicht das Urteil über ihn von Pater Juan Carlos Scannone, eines Jesuiten und Karl-Rahner-Schülers kennt, der Bergoglio als Zögling unterrichtete und der den Erzbischof von Buenos Aires der „Argentinischen Schule“ der Befreiungstheologie zuordnet (La Croix vom 18. März 2013).
Die „Option für die Armen“ von Kardinal Bergoglio wurzelt vor allem in den Lehren von Lucio Gera und Rafael Tello, den Vertretern einer „Volkstheologie“, deren Wesensmerkmal die Ersetzung der Ideologie des bewaffneten Kampfes durch eine praktizierte Armut ist. Carlos Pagni, der in der argentinischen Tageszeitung La Nación vom 21. März die „Regierungsmethode Bergoglio“ analysierte, erklärt die theologischen Gründe, warum die „Peripherie“ eine zentrale Stellung in der ideologischen Landschaft des Erzbischofs Bergoglio einnimmt.
Die „Armen“ sind demzufolge primär nicht eine hilfsbedürftige soziologische Realität, sondern ein theologisches Subjekt, von dem man lernen soll: „Diese pädagogische Haltung hat eine religiöse Wurzel: das Verhältnis des [armen] Volkes zu Gott wäre ursprünglicher, weil die materielle Verunreinigung [in diesem Verhältnis] fehlt“.
„Volk der Armen“ nicht soziologische Realität, sondern theologisches Subjekt
Auch Maurizio Crippa betont diesen Aspekt in seinem Aufsatz Die Armut ist ein theologisches, nicht soziologisches Zeichen im Il Foglio vom 23. März, indem er Bezüge zu verwandten Phänomenen suchte: „Im Mittelpunkt steht immer der – gar noch selbstberufene – Versuch, die Kirche in das Volk der Armen auf dem Weg zu verwandeln, von den Armen von Lyon, später als Waldenser bekannt, über alle orthodoxen und häretischen Strömungen, die das Hoch- und Spätmittelalter durchzogen, wie den Humiliaten und Fra Dolcino, mit Ausläufern, die bis Tolstoi reichen und in einer ständigen Regeneration noch weiter herauf, bis der Versuch wieder identisch in Die fünf Wundmale der heiligen Kirche von Anton von Rosmini auftritt. Das fünfte ‚Wundmal‘ lautete über die Kirchengüter im Dienst der Theologie der armen Kirche.“
Es handelt sich um ein Thema, das weitere Vertiefung verdient, aber letztlich nicht der entscheidende Punkt ist. Das Leben eines Menschen, auch eines Papstes, mißt man nicht mit den Gesten der Vergangenheit, es ändert sich jeden Tag und jeden Tag kann es durch Wendungen, Reifungen, durch neue und unvorhergesehene Wege auf Null gesetzt werden.
Jeder Wechsel des Pontifikats sollte, statt diese Fragen aufzuwerfen, auf die nur die Zukunft Antwort geben kann, vielmehr Gelegenheit sein, über das zu reflektieren, was der Neugewählte vertritt. Mehr noch um darüber nachzudenken, was das Papsttum als Institution ist, als über den Papst als Persönlichkeit. Und das vor allem in einem Augenblick, in dem zwischen dem 11. Februar und dem 13. März 2013 die Konstitution des Papsttums tiefgreifend verletzt worden zu sein scheint.
Die Verletzung des Papsttums seit dem 11. Februar
Der erste Hieb dieser Geißelung war der Verzicht auf das Pontifikat durch Benedikt XVI. Ein kirchenrechtlich legitimer Akt, aber mit einer verheerenden Auswirkung von historischer Tragweite. „Ein Papst der zurücktritt, ist bereits ein epochales Ereignis in der Geschichte der Neuzeit“, merkte Massimo Franco an. „Aber ein Papst, der es im vollen Besitz seiner geistigen Fähigkeiten tut und zur Begründung lediglich die Altersschwäche nennt, zerbricht eine tausendjährige Tradition“ (La crisi dell’impero vaticano, Die Krise es vatikanischen Imperiums, Mondadori, Mailand 2013).
Der zweite Hieb gegen die Institution war die Entscheidung Benedikts XVI. sich selbst als „emeritierten Papst“ zu bezeichnen, seinen Namen und das weiße Gewand eines Papstes zu behalten und weiterhin im Vatikan zu leben, wenn auch im Kloster. Namhafte Kirchenrechtler wie Carlo Fantappiਠhaben die Neuheit dieses Schrittes erkannt und betont wie „der Verzicht Benedikts XVI. die Verfassung der Kirche vor schwerwiegende Probleme gestellt hat, die die Natur des päpstlichen Primats betreffen, aber ebenso den inneren wie äußeren Geltungsbereich seiner Zuständigkeiten nach dem Ende seines Amtes (Papato, sede vacante e ‚Papa emerito‘. Equivoci da evitare, Papsttum, Sedisvakanz und „emeritierter Papst“. Zu vermeidende Mißverständnisse, Interview in Avvenire vom 21. Februar). [1]Professor Fantappiਠplädierte in dem Interview, die seinerzeit gebrauchte Formel „Pietro da Morrone, gewesener Cölestin V.“ zu gebrauchen, also umgesetzt auf heute „Joseph Ratzinger, gewesener … Continue reading
Warum wurde verwirrende Begegnung zwischen Franziskus und Benedikt XVI. medial ausgebreitet?
Die Koexistenz eines Papstes, der sich als Bischof von Rom bezeichnet und eines Bischofs (denn das ist heute Joseph Kardinal Ratzinger), der sich selbst als Papst bezeichnet, bietet das Bild einer „doppelköpfigen“ Kirche und ruft unweigerlich die Zeiten der großen Schismen in Erinnerung. Man versteht in diesem Zusammenhang auch nicht die mediale Aufmerksamkeit, die der Vatikan der Begegnung der beiden Päpste am 23. März auf Castel Gandolfo verschaffte. Das Bild, das rund um die Welt ging und das auch der Osservatore Romano vom 24. März auf der Titelseite abdruckte, zeigt zwei Männer, die in der Symbolsprache absolut gleichrangig gezeigt werden, sodaß es dem Betrachter auf Anhieb schwerfällt zu erkennen, wer der wirkliche Papst ist.
Das Ereignis widerspricht zudem der vom Presseamt des Heiligen Stuhls gegebenen Versicherung, daß Benedikt XVI. nach dem 28. Februar die Bühne der Öffentlichkeit meiden und sich in die Stille und das Gebet zurückziehen würde. Wäre es nicht klüger gewesen, wenn das Treffen abseits der Scheinwerfer stattgefunden hätte? Oder steckt hinter der Entscheidung für die mediale Öffentlichkeit eine präzise Strategie? Wenn ja, welche? Ein Experte für die Geschichte des Christentums, Roberto Rusconi, hat das Szenarium der unvollendeten Enzyklika Joseph Ratzingers über den Glauben nach jenen über die Liebe und die Hoffnung weitergedacht.
„Die nicht vollendete Enzyklika könnte noch zu einem späteren Zeitpunkt wie irgendein anderer Text von Joseph Ratzinger veröffentlicht werden, der während seines Pontifikats wiederholt erklärte, daß die letzten Bücher in keiner Weise als direkter Ausdruck seines päpstlichen Lehramtes zu betrachten seien“, wie Rusconi anmerkte (Il gran rifiuto. Perché un papa si dimette, Die große Verweigerung. Warum ein Papst zurücktritt, Morcelliana, Brescia 2013).
Rücktritt Benedikts XVI. wirft viele Fragen auf, die Bedeutung des Papsttums angreifen
Wenn dem so geschehen sollte, würde damit nicht nur die Autorität der von Benedikt XVI. während seines Pontifikats erlassenen Dokumente unterminiert, sondern auch jene seines Nachfolgers, weil die Wahrnehmung verschwimmen würde, was ein lehramtlicher Akt ist und was nicht, wodurch das Konzept der Unfehlbarkeit zerschlagen würde, über die so oft und unangemessen gesprochen wird.
Es gibt erklärte Verfechter einer Reduzierung des Papsttums, die sich allgemein auf eine Passage von Johannes Paul II. in dessen Enzyklika Ut Unum sint vom 25. Mai 1995 berufen, in der Papst Wojtyla sich bereit erklärt, „eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet.“ (Nr. 95)
Daher rührt die von Giuseppe Alberigo und von der Schule von Bologna vorgenommene Unterscheidung zwischen dem unveränderlichen Wesentlichen des Papsttums und den „Formen der Amtsausübung“, in der es sich in der Geschichte ausgedrückt hat (Forme storiche di governo della chiesa, in “Il Regno“, 1. Dezember 2001, S. 719–723). Der Hauptfeind sei die im Mittelalter entstandene Idee „päpstlicher Souveränität“, die am Ursprung der Verformung des Papsttums vom ursprünglichen Geist des Amtes stehe.
Alberigos „Schule von Bologna“ und die rückgängig zu machende Deformierung des Papsttums
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts habe, laut einem anderen Bologneser Historiker, Paolo Prodi, eine Metamorphose des Papsttums stattgefunden, die insgesamt die Institution betroffen habe. Diese habe nicht nur die institutionellen Merkmale des Kirchenstaates verändert, der zu einer weltlichen Herrschaft wurde, sondern auch zu einer Neudefinition der kirchlichen Souveränität auf politischer Grundlage geführt.
Das Papsttum war siegreich gegen den Konziliarismus, wurde dann aber vom modernen Staat geschlagen, denn gerade während sich die Kirche verweltlichte, wurde der Staat sakralisiert (Il Sovrano Pontefice. Un corpo e due anime: la monarchia papale nella prima età moderna, Der Papst als Herrscher. Ein Körper und zwei Seelen: die päpstliche Monarchie in der frühen Neuzeit, Il Mulino, Bologna 1983, S. 306).
Ab der französischen Revolution aber, habe die Kirche durch einen fruchtbare dialektische Beziehung mit der modernen Welt begonnen, sich von den Fesseln der Vergangenheit zu lösen. Trotz einiger rückwärtsgewandten Phasen vor allem durch die Pontifikate Pius IX., Pius X. und Pius XII. stelle das Zweite Vatikanische Konzil, laut Alberigo und seinen Schülern, den entscheidenden „Wendepunkt“ dar, in dem es die rechtlich-institutionelle Dimension der Kirche eliminiert und sich einer neuen Vision derselben auf der Grundlage der „Communio“ und des „Volkes Gottes“ öffnet.
Speist sich Papsttum aus dem Weihesakrament? Ist Bischof von Rom nur ein Bischof unter allen Bischöfen?
Diese Thesen wurden auf theologischer Ebene in einem jüngst erschienenen Buch wiederholt, das der Dekan der italienischen Ekklesiologen, Severino Dianich [2]Severino Dianich gehört zu den Unterzeichnern der italienischen Version der Rebellen-Priester dem Papstamt widmete (Per una teologia del papato, Cinisello Balsamo, San Paolo 2010). Den Kern der Veröffentlichung bildet die These vom Übergang von einer rechtlichen Sichtweise der Kirche, die auf dem entscheidenden Kriterium der Jurisdiktion beruht, zu einer sakramentalen, die auf der Idee der Gemeinschaft gründet.
Der Knoten des Problems geht auf die Diskussion während des Konzils zurück über die Interpretation der Nr. 22 von Lumen Gentium und der Nota praevia, die diesem Dokument in jener Woche des Konzils nachgeschoben wurde, die von den Progressisten als die „Schwarze Woche“ des zweiten Vatikanums bezeichnet wird.
Die Beziehungen zwischen dem Papst und den Bischöfen können, laut Dianich, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mehr durch Delegierung und Unterordnung geprägt sein. Der Papst regiert die Kirche nicht „von oben“, sondern leitet sie in der Gemeinschaft. Seine Leitungsgewalt leite sich vom Sakrament her und unter dem sakramentalen Aspekt stehe der Papst nicht höher als die Bischöfe.
Gemäß dieser Vorstellung ist er, noch bevor er Hirte der Weltkirche ist, zuallererst Bischof von Rom und der Primat, den er über die Weltkirche ausübt, ist nicht einer der Regierung, sondern einer der Liebe, gerade weil der Papst – ontologisch – als Bischof auf derselben Stufe wie alle anderen Bischöfe steht. Deshalb möchte Dianich dem Bischofskollegium mehr Befugnisse zuschreiben und diesem die Möglichkeit übertragen, maßgeblichen Anteil an der legislativen Gewalt zu haben. Der Papst sollte seinen Primat auf neue Weise ausüben, indem er neben sich beratende oder sogar entscheidende Gremien zuläßt, wie zum Beispiel Bischofskonferenzen, Synoden oder jedenfalls ständige Gremien, die ihn bei der Leitung der Kirche unterstützen.
Für Papst nur mehr „Ehrenprimat“ oder „Liebesprimat“, aber keine Leitungsgewalt?
Es würde sich um einen „Ehrenprimat“ oder „Liebesprimat“ handeln, aber nicht um einen souveränen Primat der Leitungsgewalt über die Kirche.
Diese Thesen sind jedoch, vor allem historisch falsch. Die Geschichte des Papsttums ist in Wirklichkeit nicht die Geschichte unterschiedlicher und untereinander in Konflikt stehender historischer Formen, sondern die homogene Entwicklung eines Prinzips höchster und souveräner Leitungsgewalt, die in den Worten von Jesus Christus enthalten sind, die er zum heiligen Petrus und nur ihm allein sagte: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche erbauen“ (Mt 16,14–18).
Als der heilige Clemens (92–98 oder 100), der dritte Nachfolger des Petrus als Bischof von Rom am Beginn der Regierungszeit von Kaiser Nerva (um 97) eingriff, um die Einheit der Kirche von Korinth wiederherzustellen, die von schwerwiegender Zwietracht erschüttert wurde, und Gehorsam einforderte, berief er sich auf den Grundsatz der von Christus und den Apostel festgelegten Sukzession, indem er sogar mit Sanktionen drohte, sollten seine Entscheidungen nicht ausgeführt und eingehalten werden (Lettera Propter subitas ai Corinzi, in Denz‑H, Nr. 101–102). Der gebietende Ton des Briefes und die Verehrung, mit der er von der Gemeinde von Korinth angenommen wurde, sind der eindeutige Beweis für den bereits existenten und anerkannten Primat des Bischofs von Rom am Ende des ersten Jahrhunderts.
Historische Fakten sprechen klare Sprache: Direkter Auftrag Christi an Petrus und dessen Nachfolger
Etwa zehn Jahre später verfaßte der heilige Ignatius, der Bischof von Antiochien, während einer Reise von Antiochien nach Rom, wo er das Martyrium erlitt, einen Brief an die Römer, in dem er die Vorrangstellung der Kirche von Rom über die gesamte Weltkirche anerkannte. Er bekräftigte: „Ihr habt die anderen belehrt und ich wünsche, daß das, was ihr in euren Belehrungen verkündet, festgeschrieben sei“ (Epistula ad Romanos 3,1).
Seine so häufig falsch zitierte Feststellung, wonach die Kirche von Rom „der Agape vorsteht“, ist in seinem wahren Sinn zu verstehen. Die Agape bedeutet nicht allgemein Caritas, sondern ist, für Ignatius, die Weltkirche (die er als erster katholisch nennt), die durch das Band der Liebe verbunden ist.
Im Lauf der Jahrhunderte blieb der päpstliche Primat, verstanden als aktiver und zentraler Grundsatz in der Leitung der Weltkirche, das charakteristische Wesensmerkmal des Papsttums, ebenso wie die monarchische und hierarchische Konstitution die Kirche im Lauf der Jahrhunderte charakterisierte. Wann immer ein Pontifikat im Lauf der Kirchengeschichte schwach, abwesend oder ungeeignet war, waren Schismen, Häresien und religiöse und soziale Umbrüche die Folge. Im Gegensatz dazu fanden die großen Reformen und die Wiederaufrichtung der Kirche unter Päpsten statt, die ihre Leitungsgewalt in ihrer ganzen Vollmacht ausübten, vom heiligen Gregor VII. bis zum heiligen Pius X.
Absolute und souveräne Leitungsgewalt von der frühen Kirche immer anerkannt
Das besondere Munus des Papstes besteht nicht in seiner Weihegewalt, die er mit allen anderen Bischöfen der Welt gemeinsam hat, sondern in seiner Leitungsgewalt, die ihn von jedem anderen Bischof unterscheidet, weil nur er über die vollständige und absolute Leitungsgewalt verfügt und er der alleinige Quell der Leitungsgewalt aller anderen Bischöfe ist. Die Gewalt des Lehramtes ist Teil seines Leitungsprimats und die Unfehlbarkeit stellt die höchste und vollkommenste Ausdrucksform des päpstlichen Primats dar, eine Souveränität, die noch viel notwendiger ist, als jene der weltlichen Gesellschaft.
Die Leitungsgewalt ist vor allem Regierungsgewalt. Der Papst ist Papst, weil er die Kirche regiert und eine Leitungsgewalt in Fragen der Glaubenslehre und der kirchlichen Ordnung ausübt, die er nicht delegieren kann. Es gibt eben keinen Unterschied zwischen der Regierungsgewalt und deren Ausübung, als wäre die Möglichkeit einer Regierung vorstellbar, deren Wesensmerkmal es wäre, nicht zu regieren. Die Essenz des Papsttums hat in diesem Sinn unveränderliche Wesensmerkmale: es handelt sich um eine absolute Leitungsgewalt, die nicht an andere delegiert werden kann, weder vollständig noch teilweise. Das Papsttum ist eine absolute Monarchie, in der der Papst herrscht und regiert und die nicht in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt werden kann, in der der Souverän zwar herrscht, aber nicht regiert.
Absolute Leitungsgewalt nicht historische Ausformung, sondern Wesensmerkmal des Papsttums
Eine Veränderung dieser Regierung würde nicht die historische Form angreifen, sondern das von Gott eingesetzte Wesensmerkmal des Papsttums. Es handelt sich nicht um einen abstrakten Streit, sondern um ein theologisches Problem mit konkreten historischen Auswirkungen. Die Epoche der Globalisierung der Märkte und der digitalen Revolution sieht den Niedergang der Nationalstaaten, die durch neue Finanz- und Medienmächte ersetzt werden. Aber das Chaos und die Zersplitterung und die Konfliktrate der neuen Szenarien rühren gerade von diesem Souveränitätsverlust her, für den die aus dem Maastricht-Vertrag entstandene Europäische Union ein eloquentes Beispiel ist, die sich nicht als „Super-Staat“ präsentiert, sondern wie ein Nicht-Staat, der durch die Vermehrung von Entscheidungszentren und einer Konfusion von Zuständigkeiten und Befugnissen gekennzeichnet ist. Die Autorität und die Kraft der Nationalstaaten und der repräsentativen Demokratie zerfallen zusehends und das entstehende Vakuum wird durch sichtbare oder versteckte ideologische Lobbys und Finanzlobbys besetzt.
Die katholische Kirche sollte sich gemäß diesem Auflösungs- und Zerfallsprozeß umformen und sich damit selbst zerstören? Der Relativismus verlangt, daß die Kirche den Unfehlbarkeitsanspruch aufgibt, wie der Waldenserpastor Paolo Ricca am 19. März 2013 im Il Foglio zeitgleich zur Amtseinführung von Papst Franziskus forderte.
Das Charisma Autorität des Papsttums als Fels in einer sich zersplitterndern Welt nützen
Soll sie diesem Weg folgen, um sich der Welt schwach und nachgiebig zu zeigen, oder nicht doch sich dieses Charismas bedienen, über das nur sie allein verfügt, um ihre religiöse und moralische Souveränität den Ruinen der Modernität entgegenzustellen? Die Alternative ist dramatisch, aber unausweichlich.
Sicher ist, daß die Frage „wer ist heute der Papst?“, noch vor den Medien, der Theologie, der Geschichte und dem kanonischen Recht der Kirche zu stellen ist. Sie antworten uns, daß hinter der Person von Benedikt XVI. und von Franziskus ein von Christus selbst errichteter päpstlicher Thron existiert. Der heilige Papst Leo der Große, der als der bedeutendste Theologe des Papsttums des ersten Jahrtausends bezeichnet werden kann, erklärte mit Klarheit die Bedeutung der petrinischen Sukzession, indem er sie in der Formel zusammenfaßte: „Unwürdiger Erbe des heiligen Petrus“. Der Papst wurde zum Erben des heiligen Petrus was seinen rechtlichen Status anbelangte und seine objektiven Gewalten, nicht aber was seinen persönlichen Status und seine subjektiven Verdienste anbelangte.
Die Unterscheidung zwischen dem Amt und dem Inhaber des Amtes, zwischen der öffentlichen Person des Papstes und seiner privaten Person ist grundlegend in der Geschichte des Papsttums. Der Papst ist der Stellvertreter Christi, der in seinem Namen und durch seine Beauftragung die Kirche regiert. Bevor er eine private Person ist, ist er vor allem eine öffentliche Person. Bevor es um den Menschen geht, geht es vor allem um die Institution. Bevor er Papst ist, ist es das Papsttum, in dem die Kirche zusammengefaßt und konzentriert ist, die der mystische Leib Christi ist.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides
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↑1 | Professor Fantappiਠplädierte in dem Interview, die seinerzeit gebrauchte Formel „Pietro da Morrone, gewesener Cölestin V.“ zu gebrauchen, also umgesetzt auf heute „Joseph Ratzinger, gewesener römischer Papst“. |
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↑2 | Severino Dianich gehört zu den Unterzeichnern der italienischen Version der Rebellen-Priester |
Sehr treffend wird die destruktive Rolle von Benedikt XVI. geschildert, der da als Schattenpapst weitermacht, und selbst zugedachten Würden und Apanagen, und die Kirche einer Zerreißprobe ausliefert und aussetzt, typisch für seine Eitelkeit, und es gibt ja auch Äußerungen von Johannes Paul II. dass er das Papsttum “ ökumenetauglich “ machen müsse.
Das mit den Armen finde ich nicht so schlimm, erstens war Bergoglio immer ein Gegner des Marxismus , und an der Vermischung zwischen Marxismus und Christentum nahm Johannes Paul II. zu Recht Anstoß, und auch Jesus lässt Johannes auf die Frage ob er der sei , der kommen soll,ausrichten Blinde gehen wieder , Lahme sehen wieder, und den ARMEN wird das Evangelium verkündet. Ich finde es deshalb in hohem Maße logisch wenn sich ein Papst den Armen zuwendet auch wenn das jetzt 1000 Jahre nicht der Fall war.
Wickerl,
nehmen Sie bitte wenigstens zur Kenntnis, was Papst Benedikt zugleich mit seinem Rücktritt erklärt hat, daß er ein Leben im Gebet für die Kirche führen will.
Das heißt ganz klar, daß er sich nirgends einmischen und keine Reden mehr halten wird. Er ist in Kürze Gefangener des Vatikan, und das bißchen Essen und Trinken werden Sie ihm doch gönnen können.
Ich denke, daß Papst Franziskus mit seiner Sorge für die Armen und dem Beten füreinander die Befreiungstheologie in die Zange nehmen will.
„Die Koexistenz eines Papstes, der sich als Bischof von Rom bezeichnet und eines Bischofs (denn das ist heute Joseph Kardinal Ratzinger), der sich selbst als Papst bezeichnet, bietet das Bild einer „doppelköpfigen“ Kirche und ruft unweigerlich die Zeiten der großen Schismen in Erinnerung.“
So weit, so richtig. ich teile diese Ansicht. Mich hat es befremdet, dass dieses Treffen beider Päpste so in Bild und Ton festgehalten und verbreitet wurde. Auch beim Gebet der Beiden in der Kapelle der Papstresidenz zu Castel Gandolfo hörte man im Hintergrund permanent (!) die Kameras klicken. Das war – freundlich formuliert – nicht nötig.
Eine Anmerkung aber dennoch zu obigem Zitat: Joseph Ratzinger, gewesener Benedikt XVI., ist entgegen landläufiger Meinung eben auch nicht mehr Kardinal (schon seit seiner Wahl zum Papst nicht mehr), sondern eben tatsächlich nur noch emeritierter Bischof von Rom.
Der erste Versuch einer Analyse des theologischen Denkes von Bergoglio. Ausgezeichnet! Schade allerdings, dass inhaltlich nicht ausführlicher auf „El Jesuita“ und “ La Iglesia traicionada“ eingegangen wird.
Über den Rücktritt Benedikts, den auch ich für falsch und gefährlich halte, möchte ich dennoch nicht urteilen, denn wir wissen nicht, welche Umstände letztlich zu dieser Entscheidung geführt haben. Höchst bedenklich aber erschien mir die Art und Weise, wie er sich aus dem Amt verabschiedete, so als sei es die normalste Sache der Welt, als führe er mal eben in die Sommerfrische.
Die Bilder von der Begegnung zweier in Papstgewänder gekleideter Männer war grotesk und man muss sich wirklich fragen, ob man dadurch medial den Ausnahmezustand in einen Normalzustand umdeuten und ihn somit zementieren wollte.
Die „Pauperomanie“ , wie es ein hiesiger Kommentator an anderer Stelle nannte, des neuen „Bischofs von Rom“ hat wirklich etwas beklemmendes, weil Jesus für alle gestorben ist, nicht nur für die materiell Armen.
Die Reduzierung des päpstlichen Primates durch die Schule von Bologna geschieht unter Missachtung der dogmatischen Lehren des I. Vatikanums! Auch hier eine Hermeneutik des Bruches, die nach Papst Benedikt keine tragfähige Lösung sein kann, weil ein Reich, das in sich gespalten ist, zugrunde geht!
Wenn jemand rechtzeitig auf ein Amt verzichtet, von dem er spürt, dass er ihm altersmäßig nicht mehr gerecht werden kann, ist das nicht verantwortungslos.
Wenn er es nicht täte, würden schließlich andere in seinem Namen regieren, oder aber er müsste eventuell später sogar als amtsunfähig erklärt werden.
Beide Folgen würden viel mehr Unklarheit und Durcheinander verursachen als ein rechtzeitiger Rücktritt.
Man sollte sich vielleicht auch einmal in einem Alten-oder Pflegeheim umsehen. Wer in diesem Alter kann noch leiten und wirklich alles überblicken?
Wenn man zurückblickt sieht man, wie von Paul VI angefangen das Papstum von Rom selbst zunehmend demontiert wurde, einen traurigen Höhepunkt erreichend in Benedikt-Ratzinger und Franz-Bergoglio:
1. Erklärung VII zur Kollegialität
2. Paul VI legt die Tiara ab
3. Joh Paul I läßt sich schon gar nicht mehr mit dieser krönen
4. Ebenso Joh Paul II
5. Außerdem will dieser eine neue Form der Ausübung des Papstamtes finden, die auch für die Schismatiker annehmbar ist – so in dem verheerenden Dokument …
6. Sodann das in dieser Hinsicht noch verheerendere Dokument Dominus Jesus, das die Schismatiker, die den Papst nicht anerkennen, als „echte Teil-“ oder „Schwesterkirchen“ bezeichnet. (Ähnlich schon in Balamand.)
7. Benedikt xVI läßt die Tiara sogar aus seinem offiziellen Papstwappen verschwinden
8. Franz folgt ihm darin – und demontiert das Papsttum noch weiter, wie etwa hier im Artikel dokumentiert
Nicht zu vergessen der Rücktritt Benedikt-Ratzingers mit den ebenfalls hier genannten Negativfolgen für das Papstamt (es wird nun eher wie ein Präsidentenamt angesehen)
etc. pp.
zu 5.: Das Dokument war wie oben auch im Aritikel erwähnt Ut unum sint
Interessant, der von de Mattei zitierte Fantappie ist in der Tat nicht der erste, von dem ich vorsichtige Zweifel höre, wer von den beiden „Thronanwärtern“ nun wirklich Papst sei.
Aber vielleicht löst sich die Frage ohnenin bald auf – oder hat dies schon? – wenn immer deutlicher wird, dass der Papst/„Papst“ gar kein Papst sein will und damit den Thron selbst vakant macht – allerdings hat ja auch Benedikt-Ratzinger zuvor schon mit seinem neune Ohne-Tiara-Wappen eigentlich sehr klar gemacht, dass er nicht Papst (im alten, traditionellen Sinn – wie eben auch schon seit Ut unum sint eigentlich klar ist, s.a. oben im Artikel!) sein möchte.
So könnten wir bald alle – ob wir es wollen oder nicht – sedisvakantisten geworden sein bzw. gezwungen sein, dies zu werden – weil es keinen Papst mehr gibt, der ein solcher sein möchte.
So hätte die Frage des „Sedisvakantismus“ eine interessante „Lösung“ gefunden.
@ dspecht
Der Rücktrittsgedanke war im Denken Ratzingers – leider! – schon immer latent vorhanden.
Es stellt sich die Frage, ob er sich dabei im klaren darüber war und ist, dass er das Petrusamt mit diesem Schritt möglicherweise dauerhaft beschädigt hat.