Die letzte große Ansprache Benedikts XVI. – So wächst die Kirche: gemeinsam mit Petrus Christus bekennen


BEGEGNUNG MIT DEM KLERUS DER DIÖZESE ROM

Anzei­ge

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ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

Aula Pao­lo VI
Don­ners­tag, 14. Febru­ar 2013

Emi­nenz,
lie­be Mit­brü­der im Bischofs- und im Priesteramt!

Es ist für mich ein beson­de­res Geschenk der Vor­se­hung, daß ich, bevor ich den Petrus­dienst ver­las­se, noch ein­mal mei­nen Kle­rus sehen kann, den Kle­rus von Rom. Es ist immer eine gro­ße Freu­de zu sehen, daß die Kir­che lebt, daß die Kir­che in Rom leben­dig ist; es gibt Hir­ten, die im Geist des ober­sten Hir­ten die Her­de des Herrn lei­ten. Es ist ein wirk­lich katho­li­scher, uni­ver­sa­ler Kle­rus, und das ent­spricht dem Wesen der Kir­che von Rom: die Uni­ver­sa­li­tät, die Katho­li­zi­tät aller Völ­ker, aller Ras­sen, aller Kul­tu­ren in sich zu tra­gen. Zugleich bin ich dem Gene­ral­vi­kar sehr dank­bar, daß er dazu bei­trägt, die Beru­fun­gen in Rom selbst wie­der­zu­er­wecken, wie­der­zu­fin­den, denn wenn Rom einer­seits die Stadt der Uni­ver­sa­li­tät sein muß, so muß es auch eine Stadt mit einem eige­nen star­ken und kräf­ti­gen Glau­ben sein, aus dem auch Beru­fun­gen her­vor­ge­hen. Und ich bin über­zeugt, daß wir mit Hil­fe des Herrn auch die Beru­fun­gen fin­den kön­nen, die er selbst uns schenkt, daß wir sie füh­ren kön­nen, ihnen hel­fen kön­nen her­an­zu­rei­fen und so für die Arbeit im Wein­berg des Herrn zu dienen.

Benedikt XVI. leztzte große Ansprache 14. Febraur 2013
Bene­dikt XVI.: letz­te gro­ße Anspra­che am 14. Febru­ar 2013

Heu­te habt ihr am Grab des hl. Petrus das Glau­bens­be­kennt­nis gespro­chen: Im Jahr des Glau­bens scheint es mir ein sehr ange­mes­se­ner, viel­leicht not­wen­di­ger Akt zu sein, daß der Kle­rus von Rom sich am Grab des Apo­stels ver­sam­melt, zu dem der Herr gesagt hat: »Dir ver­traue ich mei­ne Kir­che an. Auf dich wer­de ich mei­ne Kir­che bau­en« (vgl. Mt 16,18–19). Vor dem Herrn habt ihr gemein­sam mit Petrus bekannt: »Du bist Chri­stus, der Sohn des leben­di­gen Got­tes!« (vgl. Mt 16,15–16). So wächst die Kir­che: gemein­sam mit Petrus Chri­stus beken­nen, Chri­stus nach­fol­gen. Und das wol­len wir immer tun. Ich bin sehr dank­bar für euer Gebet, das ich – wie ich am Mitt­woch gesagt habe – gleich­sam phy­sisch ver­spürt habe. Auch wenn ich mich jetzt zurück­zie­he, bin ich euch allen im Gebet immer nahe, und bin sicher, daß auch ihr mir nahe sein wer­det, auch wenn ich für die Welt ver­bor­gen bleibe.

Für heu­te habe ich, bedingt durch mei­nen Alters­zu­stand, kei­ne gro­ße, rich­ti­ge Anspra­che vor­be­rei­ten kön­nen, wie man es sich erwar­ten könn­te; ich den­ke viel­mehr an eine klei­ne Plau­de­rei über das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil, wie ich es gese­hen habe. Ich begin­ne mit einer Anek­do­te: 1959 war ich zum Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Bonn ernannt wor­den, wo die Stu­den­ten, die Semi­na­ri­sten der Diö­ze­se Köln und ande­rer umlie­gen­der Diö­ze­sen stu­die­ren. So kam ich in Kon­takt mit dem Kar­di­nal von Köln, Kar­di­nal Frings. Kar­di­nal Siri von Genua hat­te – 1961 scheint mir – eine Vor­trags­rei­he ver­schie­de­ner euro­päi­scher Kar­di­nä­le über das Kon­zil orga­ni­siert und auch den Erz­bi­schof von Köln ein­ge­la­den, einen der Vor­trä­ge zu hal­ten, mit dem Titel: Das Kon­zil und die Welt des moder­nen Denkens.

Der Kar­di­nal hat mich – den jüng­sten der Pro­fes­so­ren – auf­ge­for­dert, ihm einen Ent­wurf zu schrei­ben; der Ent­wurf gefiel ihm, und er hat in Genua den Leu­ten den Text so vor­ge­tra­gen, wie ich ihn geschrie­ben hat­te. Kurz dar­auf for­dert Papst Johan­nes ihn auf, zu ihm zu kom­men, und der Kar­di­nal befürch­te­te sehr, viel­leicht etwas Inkor­rek­tes, Fal­sches gesagt zu haben und für einen Tadel nach Rom zitiert zu wer­den, viel­leicht auch, um ihm die Kar­di­nals­wür­de abzu­er­ken­nen. Ja, als sein Sekre­tär ihn für die Audi­enz anklei­de­te, sag­te der Kar­di­nal: »Viel­leicht tra­ge ich die­ses Gewand jetzt zum letz­ten Mal«. Dann trat er ein, Papst Johan­nes geht ihm ent­ge­gen, umarmt ihn und sagt: »Dan­ke, Emi­nenz, Sie haben das gesagt, was ich sagen woll­te, aber ich habe nicht die Wor­te gefun­den«. So wuß­te der Kar­di­nal, daß er auf dem rich­ti­gen Weg war, und lud mich ein, mit ihm zum Kon­zil zu gehen. Zuerst als sein per­sön­li­cher Bera­ter; spä­ter, im Ver­lauf der ersten Peri­ode – im Novem­ber 1962, scheint mir – wur­de ich auch zum offi­zi­el­len Peri­tus des Kon­zils ernannt.

Wir sind damals nicht nur mit Freu­de, son­dern mit Begei­ste­rung zum Kon­zil gegan­gen. Es gab eine unglaub­li­che Erwar­tungs­hal­tung. Wir hoff­ten, daß alles erneu­ert wer­den wür­de, daß wirk­lich ein neu­es Pfing­sten käme, eine neue Ära der Kir­che, denn die Kir­che war in jener Zeit noch recht kräf­tig, der sonn­täg­li­che Got­tes­dienst­be­such noch gut, die Beru­fun­gen zum Prie­ster­tum und zum Ordens­le­ben waren schon etwas weni­ger gewor­den, aber immer noch aus­rei­chend. Man spür­te jedoch, daß die Kir­che nicht vor­an­kam, zurück­ging, mehr eine Wirk­lich­keit der Ver­gan­gen­heit als Trä­ge­rin der Zukunft zu sein schien. Und in jenem Augen­blick hoff­ten wir, daß die­se Bezie­hung sich erneu­ern, sich ändern wer­de; daß die Kir­che wie­der Kraft der Zukunft und Kraft des Heu­te sein wer­de. Und wir wuß­ten, daß in der Bezie­hung zwi­schen Kir­che und Moder­ne von Anfang an ein gewis­ser Gegen­satz vor­han­den war, begon­nen beim Irr­tum der Kir­che im Fall von Gali­leo Gali­lei. Man woll­te die­sen ver­fehl­ten Anfang kor­ri­gie­ren und wie­der eine Eini­gung zwi­schen der Kir­che und den besten Kräf­ten der Welt fin­den, um die Zukunft der Mensch­heit zu öff­nen, um den wah­ren Fort­schritt zu öff­nen. So waren wir voll Hoff­nung, Begei­ste­rung und hat­ten auch den Wil­len, unse­ren Teil dazu bei­zu­tra­gen. Ich erin­ne­re mich, daß die Römi­sche Syn­ode als Nega­tiv­bei­spiel betrach­tet wur­de. Es hieß – ob es stimmt, weiß ich nicht –, daß die vor­be­rei­te­ten Tex­te in der Late­ran­ba­si­li­ka ver­le­sen wur­den und die Mit­glie­der der Syn­ode Bei­fall spen­de­ten, sie durch Applaus appro­bier­ten. So sei die Syn­ode ver­lau­fen. Die Bischö­fe sag­ten: Nein, so machen wir es nicht. Wir sind Bischö­fe, wir selbst sind das Sub­jekt der Syn­ode; wir wol­len nicht nur appro­bie­ren, was gemacht wur­de, son­dern wir wol­len selbst das Sub­jekt, die Hand­lungs­trä­ger des Kon­zils sein. So sag­te auch Kar­di­nal Frings, der für sei­ne abso­lu­te, bei­na­he skru­pu­lö­se Treue zum Hei­li­gen Vater berühmt war, in die­sem Fall: Hier sind wir in ande­rer Funk­ti­on. Der Papst hat uns ein­be­ru­fen, gleich­sam Väter zu sein, öku­me­ni­sches Kon­zil zu sein, ein Sub­jekt, das die Kir­che erneu­ert. So wol­len wir die­se Rol­le wahrnehmen.

Der erste Augen­blick, in dem die­se Hal­tung sich zeig­te, kam gleich am ersten Tag. Für die­sen ersten Tag waren die Wah­len der Kom­mis­sio­nen vor­ge­se­hen. Die Namens­li­sten waren unpar­tei­isch erstellt wor­den – zumin­dest ver­such­te man das; und über die­se Listen soll­te abge­stimmt wer­den. Aber sofort sag­ten die Väter: Nein, wir wol­len nicht ein­fach über schon fer­ti­ge Listen abstim­men. Wir sind das Sub­jekt. Also muß­ten die Wah­len ver­scho­ben wer­den, weil die Väter ein­an­der erst ein­mal etwas ken­nen­ler­nen woll­ten, sie woll­ten die Listen selbst erstel­len. Und so wur­de es gemacht. Kar­di­nal Lién­art von Lil­le, Kar­di­nal Frings von Köln hat­ten öffent­lich gesagt: So nicht. Wir wol­len unse­re Listen erstel­len und unse­re Kan­di­da­ten wäh­len. Es war kein revo­lu­tio­nä­rer Akt, son­dern ein Akt des Gewis­sens, der Ver­ant­wor­tung von sei­ten der Konzilsväter.

So begann eine star­ke Betrieb­sam­keit, um ein­an­der auf hori­zon­ta­ler Ebe­ne ken­nen­zu­ler­nen, was nicht dem Zufall über­las­sen wur­de. Im Kol­leg der »Ani­ma«, wo ich wohn­te, hat­ten wir vie­le Besu­che: Der Kar­di­nal war sehr bekannt, wir begeg­ne­ten Kar­di­nä­len aus aller Welt. Ich erin­ne­re mich gut an die gro­ße, schlan­ke Gestalt von Msgr. Etche­ga­ray, der Sekre­tär der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz war, an die Begeg­nun­gen mit Kar­di­nä­len und so wei­ter. Und das war dann kenn­zeich­nend für das gan­ze Kon­zil: klei­ne trans­ver­sa­le Begeg­nun­gen. So habe ich gro­ße Gestal­ten ken­nen­ge­lernt wie Pater de Lubac, Danié­lou, Con­gar und so wei­ter. Wir haben ver­schie­de­ne Bischö­fe ken­nen­ge­lernt; ich erin­ne­re mich beson­ders an Bischof Elchin­ger von Straß­burg und so wei­ter. Und das war schon eine Erfah­rung der Uni­ver­sa­li­tät der Kir­che und der kon­kre­ten Wirk­lich­keit der Kir­che, die nicht ein­fach nur Wei­sun­gen von oben erhält, son­dern gemein­sam wächst und vor­an­schrei­tet, immer natür­lich unter der Füh­rung des Nach­fol­gers Petri.

Wie gesagt kamen alle mit gro­ßen Erwar­tun­gen – nie war ein Kon­zil von die­sen Dimen­sio­nen abge­hal­ten wor­den –, aber nicht alle wuß­ten, wie man es anpacken soll­te. Die­je­ni­gen, die am besten vor­be­rei­tet waren – sagen wir, die mit den klar­sten Vor­stel­lun­gen – waren der fran­zö­si­sche, der deut­sche, der bel­gi­sche, der hol­län­di­sche Epi­sko­pat: die soge­nann­te »Rhei­ni­sche Alli­anz«. Und im ersten Teil des Kon­zils gaben sie den Weg vor; dann wur­de die Tätig­keit schnell erwei­tert, und immer mehr hat­ten alle Anteil an der Schaf­fens­kraft des Kon­zils. Die Fran­zo­sen und die Deut­schen hat­ten eini­ge gemein­sa­me Inter­es­sen, wenn auch mit recht unter­schied­li­chen Nuan­cen. Die erste, anfäng­li­che, ein­fa­che – schein­bar ein­fa­che – Inten­ti­on war die Lit­ur­gie­re­form, die bereits mit Pius XII. begon­nen hat­te, der schon die Kar­wo­che refor­miert hat­te; die zwei­te war die Ekkle­sio­lo­gie; die drit­te das Wort Got­tes, die Offen­ba­rung; und schließ­lich auch der Öku­me­nis­mus. Die Fran­zo­sen hat­ten – viel mehr als die Deut­schen –  noch das Pro­blem, die Situa­ti­on der Bezie­hun­gen zwi­schen Kir­che und Welt zu behandeln.

Begin­nen wir mit dem ersten Punkt. Nach dem Ersten Welt­krieg war, beson­ders in Mit­tel- und West­eu­ro­pa, die lit­ur­gi­sche Bewe­gung gewach­sen, eine Wie­der­ent­deckung des Reich­tums und der Tie­fe der Lit­ur­gie, die bis dahin im Römi­schen Meß­buch des Prie­sters gleich­sam ver­schlos­sen war, wäh­rend die Leu­te mit eige­nen Gebet­bü­chern bete­ten, die nach dem Her­zen des Vol­kes gemacht waren, in dem Sinn, daß man ver­sucht hat­te, die hohen Inhal­te, die hohe Spra­che der klas­si­schen Lit­ur­gie in mehr gefühls­be­ton­te Wor­te zu fas­sen, die näher am Her­zen des Vol­kes waren. Es waren jedoch fast zwei par­al­lel lau­fen­de Lit­ur­gien: der Prie­ster mit den Meß­die­nern, der die Mes­se nach dem Meß­buch fei­er­te, und die Lai­en, die in der Mes­se zugleich mit ihren Gebet­bü­chern bete­ten und im wesent­li­chen wuß­ten, was am Altar geschah. Jetzt aber war die Schön­heit, die Tie­fe, der histo­ri­sche, mensch­li­che, geist­li­che Reich­tum des Meß­bu­ches wie­der­ent­deckt wor­den, sowie die Not­wen­dig­keit, daß nicht nur ein Ver­tre­ter des Vol­kes, ein klei­ner Meß­die­ner, sagen soll­te: »Et cum spi­ri­tu tuo« und so wei­ter, son­dern daß es wirk­lich ein Dia­log zwi­schen Prie­ster und Volk sein soll­te, daß die Lit­ur­gie des Alta­res und die Lit­ur­gie des Vol­kes eigent­lich eine ein­zi­ge Lit­ur­gie sein soll­te, eine akti­ve Teil­nah­me, daß der Reich­tum zum Volk gelan­gen soll­te; und so wur­de die Lit­ur­gie wie­der­ent­deckt, erneuert.

Jetzt in der Rück­schau fin­de ich, daß es sehr gut war, mit der Lit­ur­gie zu begin­nen. So tritt der Pri­mat Got­tes, der Pri­mat der Anbe­tung her­vor. »Ope­ri Dei nihil prae­po­na­tur«: Die­ses Wort aus der Regel des hl. Bene­dikt (vgl. 43,3) erscheint auf die­se Wei­se als die ober­ste Regel des Kon­zils. Es ist kri­ti­siert wor­den, das Kon­zil habe über vie­les gespro­chen, aber nicht über Gott. Es hat über Gott gespro­chen! Und es war der erste und wesent­li­che Akt, über Gott zu spre­chen und alle Men­schen, das gan­ze hei­li­ge Volk, für die Anbe­tung Got­tes zu öff­nen, in der gemein­sa­men Fei­er der Lit­ur­gie des Lei­bes und Blu­tes Chri­sti. In die­sem Sin­ne war es – über prak­ti­sche Fak­to­ren hin­aus, die davon abrie­ten, sofort mit kon­tro­ver­sen The­men zu begin­nen – sozu­sa­gen wirk­lich ein Akt der Vor­se­hung, daß am Beginn des Kon­zils die Lit­ur­gie steht, Gott steht, die Anbe­tung steht. Ich möch­te jetzt nicht auf die Ein­zel­hei­ten der Dis­kus­si­on ein­ge­hen, aber es lohnt sich, über die prak­ti­sche Umset­zung hin­aus immer zum Kon­zil selbst, zu sei­ner Tie­fe und zu sei­nen wesent­li­chen Vor­stel­lun­gen zurückzukehren.

Es gab davon, wür­de ich sagen, meh­re­re: vor allem das Oster­ge­heim­nis als Mit­tel­punkt des Christ­seins und somit des christ­li­chen Lebens, des Jah­res, der christ­li­chen Zeit, was in der Oster­zeit und im Sonn­tag zum Aus­druck kommt, der stets der Tag der Auf­er­ste­hung ist. Immer wie­der begin­nen wir unse­re Zeit mit der Auf­er­ste­hung, mit der Begeg­nung mit dem Auf­er­stan­de­nen, und von der Begeg­nung mit dem Auf­er­stan­de­nen her gehen wir in die Welt. In die­sem Sin­ne ist es scha­de, daß der Sonn­tag heu­te zum Wochen­en­de gewor­den ist, wäh­rend er doch der erste Tag, der Anfang ist. Inner­lich müs­sen wir uns des­sen immer bewußt sein, daß er der Anfang ist: der Anfang der Schöp­fung und der Anfang der Neu­schöp­fung in der Kir­che, Begeg­nung mit dem Schöp­fer und mit dem auf­er­stan­de­nen Chri­stus. Auch die­ser zwei­fa­che Inhalt des Sonn­tags ist wich­tig: Er ist der erste Tag, also das Fest der Schöp­fung – wir ste­hen auf der Grund­la­ge der Schöp­fung, wir glau­ben an Gott, den Schöp­fer –, und Begeg­nung mit dem Auf­er­stan­de­nen, der die Schöp­fung erneu­ert; sein wah­res Ziel ist es, eine Welt zu schaf­fen, die Ant­wort auf die Lie­be Got­tes ist.

Dann gab es Grund­sät­ze: die Ver­ständ­lich­keit, statt ein­ge­schlos­sen zu sein in eine unbe­kann­te, nicht gespro­che­ne Spra­che, und auch die akti­ve Teil­nah­me. Lei­der wur­den die­se Grund­sät­ze auch falsch ver­stan­den. Ver­ständ­lich­keit bedeu­tet nicht Bana­li­tät, denn die gro­ßen Tex­te der Lit­ur­gie – auch wenn sie, Gott sei Dank, in der Mut­ter­spra­che gespro­chen wer­den – sind nicht ein­fach zu ver­ste­hen; sie bedür­fen einer stän­di­gen Wei­ter­bil­dung des Chri­sten, damit er wächst und immer tie­fer in das Geheim­nis ein­dringt und so ver­ste­hen kann. Und auch das Wort Got­tes – wenn ich Tag für Tag an die Lesung des Alten Testa­men­tes und auch an die Lesung der Pau­lus­brie­fe, der Evan­ge­li­en den­ke: Wer könn­te von sich sagen, daß er es sofort ver­steht, nur weil es in der eige­nen Spra­che ist? Nur eine stän­di­ge Bil­dung des Her­zens und des Ver­stan­des kann wirk­lich Ver­ständ­lich­keit schaf­fen und eine Teil­nah­me, die nicht nur äußer­li­ches Han­deln ist, son­dern ein Ein­tre­ten der Per­son, mei­nes Seins, in die Gemein­schaft der Kir­che und so in die Gemein­schaft mit Christus.

Zwei­tes The­ma: die Kir­che. Wir wis­sen, daß das Erste Vati­ka­ni­sche Kon­zil auf­grund des Deutsch-Fran­zö­si­schen Krie­ges unter­bro­chen wur­de und daher ein­sei­tig, ein Frag­ment geblie­ben ist, weil die Leh­re über den Pri­mat – die, Gott sei Dank, in jenem für die Kir­che histo­ri­schen Moment defi­niert wur­de und für die dar­auf­fol­gen­de Zeit äußerst not­wen­dig war – nur ein Ele­ment in einer umfas­sen­de­ren Ekkle­sio­lo­gie war, die vor­ge­se­hen und vor­be­rei­tet war. So war das Frag­ment geblie­ben. Und man konn­te sagen: Wenn das Frag­ment so bleibt, wie es ist, nei­gen wir zur Ein­sei­tig­keit: die Kir­che wäre nur der Pri­mat. Es bestand also schon von Anfang an die­se Absicht, die Ekkle­sio­lo­gie des Ersten Vati­ka­nums zu einem Zeit­punkt, der erst noch gefun­den wer­den muß­te, zu einer voll­stän­di­gen Ekkle­sio­lo­gie zu ergän­zen. Auch hier schie­nen die Vor­aus­set­zun­gen sehr gut zu sein, denn nach dem Ersten Welt­krieg war der Sinn für die Kir­che in neu­er Form wie­der ent­stan­den. Roma­no Guar­di­ni sag­te: »Die Kir­che erwacht in den See­len«, und ein pro­te­stan­ti­scher Bischof sprach vom »Jahr­hun­dert der Kir­che«. Vor allem der Begriff des mysti­schen Lei­bes Chri­sti, den auch das Erste Vati­ka­num vor­ge­se­hen hat­te, wur­de wie­der­ent­deckt. Man woll­te sagen und ver­ste­hen, daß die Kir­che kei­ne Orga­ni­sa­ti­on, nichts Struk­tu­rel­les, Recht­li­ches, Insti­tu­tio­nel­les ist – das ist sie auch –, son­dern ein Orga­nis­mus, eine leben­di­ge Wirk­lich­keit, die in mei­ne See­le ein­dringt, so daß ich selbst mit mei­ner gläu­bi­gen See­le ein kon­struk­ti­ves Ele­ment der Kir­che als sol­cher bin. In die­sem Sin­ne hat­te Pius XII. die Enzy­kli­ka Mysti­ci Cor­po­ris Chri­sti geschrie­ben, als ein Schritt zur Ver­voll­stän­di­gung der Ekkle­sio­lo­gie des Ersten Vati­ka­ni­schen Konzils.

Ich wür­de sagen, daß die theo­lo­gi­sche Debat­te der 30er bis 40er und auch der 20er Jah­re ganz im Zei­chen des Wor­tes »Mysti­ci Cor­po­ris« stand. Es war eine Ent­deckung, die in jener Zeit viel Freu­de her­vor­ge­ru­fen hat. Und in die­sem Zusam­men­hang ist auch die For­mel gewach­sen: Wir sind die Kir­che. Die Kir­che ist kei­ne Struk­tur; wir Chri­sten selbst, alle zusam­men, sind der leben­di­ge Leib der Kir­che. Und natür­lich gilt das in dem Sin­ne, daß wir, das wah­re »Wir« der Gläu­bi­gen, zusam­men mit dem »Ich« Chri­sti die Kir­che sind; jeder von uns, nicht »ein Wir«, eine Grup­pe, die sich zur Kir­che erklärt. Nein: Die­ses »Wir sind Kir­che« ver­langt gera­de mei­ne Ein­fü­gung in das gro­ße »Wir« der Gläu­bi­gen aller Zei­ten und Orte. Das ist also der erste Gedan­ke: die Ekkle­sio­lo­gie auf theo­lo­gi­sche Wei­se ver­voll­stän­di­gen, aber auch auf struk­tu­rel­le Wei­se wei­ter vor­ge­hen, das heißt neben der Nach­fol­ge Petri, neben sei­ner ein­zig­ar­ti­gen Funk­ti­on, auch die Funk­ti­on der Bischö­fe, der Kör­per­schaft der Bischö­fe bes­ser umschrei­ben. Und um dies zu tun, wur­de der sehr umstrit­te­ne Begriff der »Kol­le­gia­li­tät« gefun­den, der Gegen­stand hef­ti­ger, ich wür­de sagen, auch etwas über­trie­be­ner Debat­ten war. Aber mit die­sem Begriff – viel­leicht hät­te es auch einen ande­ren gege­ben, aber man benutz­te die­sen – wur­de zum Aus­druck gebracht, daß die Bischö­fe gemein­sam die Fort­füh­rung der Zwölf, der Kör­per­schaft der Apo­stel sind. Wir haben gesagt: Nur ein Bischof, der Bischof von Rom, ist Nach­fol­ger eines bestimm­ten Apo­stels, des Petrus. Alle ande­ren wer­den zu Nach­fol­gern der Apo­stel, indem sie in die Gemein­schaft ein­tre­ten, die die Kör­per­schaft der Apo­stel fort­führt. So ist gera­de die Kör­per­schaft der Bischö­fe, das Kol­le­gi­um, die Fort­füh­rung der Kör­per­schaft der Zwölf und hat so ihre Not­wen­dig­keit, ihre Funk­ti­on, ihre Rech­te und Pflich­ten. Es erschien vie­len wie ein Macht­kampf – und viel­leicht hat die­ser oder jener auch an sei­ne Macht gedacht –, aber eigent­lich ging es nicht um Macht, son­dern um die Kom­ple­men­ta­ri­tät der Fak­to­ren und die Voll­stän­dig­keit des Lei­bes der Kir­che mit den Bischö­fen, den Nach­fol­gern der Apo­stel, als tra­gen­de Ele­men­te; und jeder von ihnen ist ein tra­gen­des Ele­ment der Kir­che, gemein­sam mit die­sem gro­ßen Leib.

Das waren sozu­sa­gen die bei­den Grund­ele­men­te, und auf der Suche nach einer voll­stän­di­gen theo­lo­gi­schen Sicht der Ekkle­sio­lo­gie war in der Zwi­schen­zeit, nach den 40er Jah­ren, in den 50er Jah­ren, bereits etwas Kri­tik am Begriff des Lei­bes Chri­sti auf­ge­kom­men: »mystisch« sei zu spi­ri­tu­ell, zu abge­ho­ben; damals war der Begriff »Volk Got­tes« ins Spiel gebracht wor­den. Und das Kon­zil hat zu Recht die­ses Ele­ment ange­nom­men, das bei den Kir­chen­vä­tern als Aus­druck der Kon­ti­nui­tät zwi­schen dem Alten und dem Neu­en Testa­ment betrach­tet wird. Im Text des Neu­en Testa­ments bezeich­net das Wort »Laos tou Theou« – mit nur zwei Aus­nah­men, mei­ne ich – den Tex­ten des Alten Testa­ments ent­spre­chend das alte Volk Got­tes, die Juden, die unter den Völ­kern – »goim« – der Welt »das« Volk Got­tes sind. Und die ande­ren, wir Hei­den, sind nicht von uns aus das Volk Got­tes, son­dern wir wer­den zu Kin­dern Abra­hams und damit zum Volk Got­tes, indem wir in Gemein­schaft mit Chri­stus ein­tre­ten, der der eine Nach­kom­me Abra­hams ist. Und indem wir in Gemein­schaft mit ihm ein­tre­ten und eins sind mit ihm, sind auch wir Volk Got­tes. Das heißt, der Begriff »Volk Got­tes« setzt die Kon­ti­nui­tät der Testa­men­te, die Kon­ti­nui­tät der Geschich­te Got­tes mit der Welt, mit den Men­schen vor­aus, aber schließt auch das chri­sto­lo­gi­sche Ele­ment ein. Nur durch die Chri­sto­lo­gie wer­den wir zum Volk Got­tes, und so wer­den die bei­den Begrif­fe mit­ein­an­der ver­bun­den. Und das Kon­zil hat beschlos­sen, einen tri­ni­ta­ri­schen Auf­bau der Ekkle­sio­lo­gie her­zu­stel­len: Volk Got­tes, des Vaters, Leib Chri­sti, Tem­pel des Hei­li­gen Geistes.

Aber erst nach dem Kon­zil wur­de ein Ele­ment ans Licht gebracht, das – ein wenig ver­bor­gen – auch im Kon­zil selbst vor­han­den ist: Die Ver­bin­dung zwi­schen dem Volk Got­tes und dem Leib Chri­sti ist die Gemein­schaft mit Chri­stus in der eucha­ri­sti­schen Ver­ei­ni­gung. Hier wer­den wir zum Leib Chri­sti; das heißt, die Bezie­hung zwi­schen dem Volk Got­tes und dem Leib Chri­sti schafft eine neue Wirk­lich­keit: die Gemein­schaft. Und nach dem Kon­zil wur­de ent­deckt – so wür­de ich sagen –, daß das Kon­zil in Wirk­lich­keit die­sen Begriff gefun­den, zu ihm hin­ge­führt hat: die Gemein­schaft als zen­tra­ler Begriff. Ich wür­de sagen, phi­lo­lo­gisch ist er im Kon­zil noch nicht völ­lig aus­ge­reift, aber es ist Frucht des Kon­zils, daß der Begriff der Gemein­schaft immer mehr zum Aus­druck des Wesens der Kir­che gewor­den ist, Gemein­schaft in den ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen: Gemein­schaft mit dem drei­fal­ti­gen Gott – der selbst Gemein­schaft zwi­schen Vater, Sohn und Hei­li­gem Geist ist –, sakra­men­ta­le Gemein­schaft, kon­kre­te Gemein­schaft im Epi­sko­pat und im Leben der Kirche.

Noch kon­flikt­ge­la­de­ner war das Pro­blem der Offen­ba­rung. Hier ging es um die Bezie­hung zwi­schen Schrift und Tra­di­ti­on, und hier waren vor allem die Exege­ten an grö­ße­rer Frei­heit inter­es­siert; sie fühl­ten sich, sagen wir, den Pro­te­stan­ten etwas unter­le­gen, die die gro­ßen Ent­deckun­gen mach­ten, wäh­rend die Katho­li­ken sich etwas »behin­dert« fühl­ten von der Not­wen­dig­keit, sich dem Lehr­amt zu unter­wer­fen. Hier war also auch ein ganz kon­kre­ter Kampf im Spiel: Wel­che Frei­heit haben die Exege­ten? Wie legt man die Schrift gut aus? Was bedeu­tet Tra­di­ti­on? Es war eine viel­schich­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zung, die ich jetzt nicht dar­le­gen kann, aber wich­tig ist, daß die Schrift natür­lich das Wort Got­tes ist und die Kir­che unter der Schrift steht, dem Wort Got­tes gehorcht, nicht über der Schrift steht. Und den­noch ist die Schrift nur des­halb die Schrift, weil es die leben­di­ge Kir­che, ihr leben­di­ges Sub­jekt gibt; ohne das leben­di­ge Sub­jekt der Kir­che ist die Schrift nur ein Buch, das für ver­schie­de­ne Aus­le­gun­gen offen ist und kei­ne letz­te Klar­heit gibt.

Hier gab es, wie gesagt, eine schwie­ri­ge Aus­ein­an­der­set­zung, und ent­schei­dend war das Ein­grei­fen von Papst Paul VI. Die­ses Ein­grei­fen zeigt die gan­ze Fein­füh­lig­keit des Vaters, sei­ne Ver­ant­wor­tung für den Fort­gang des Kon­zils, aber auch sei­ne gro­ße Ach­tung vor dem Kon­zil. Es war die Vor­stel­lung auf­ge­kom­men, daß die Schrift voll­stän­dig ist, sich dort alles fin­det; man braucht also die Tra­di­ti­on nicht, und daher hat das Lehr­amt nichts zu sagen. Der Papst hat dar­auf­hin dem Kon­zil 14 – mei­ne ich – For­mu­lie­run­gen eines Sat­zes vor­ge­legt, der in den Text über die Offen­ba­rung ein­ge­fügt wer­den soll­te, und er gab uns, gab den Vätern die Frei­heit, eine der 14 For­mu­lie­run­gen aus­zu­wäh­len, sag­te aber: Eine muß aus­ge­wählt wer­den, um den Text zu ver­voll­stän­di­gen. Ich erin­ne­re mich mehr oder weni­ger an die For­mu­lie­rung: »non omnis cer­ti­tu­do de veri­ta­ti­bus fidei potest sumi ex Sacra Scrip­tu­ra«, das heißt, die Gewiß­heit der Kir­che über den Glau­ben ent­springt nicht nur einem für sich allein genom­me­nen Buch, son­dern sie braucht das erleuch­te­te Sub­jekt Kir­che, getra­gen vom Hei­li­gen Geist. Nur so spricht dann die Schrift und hat all ihre Auto­ri­tät. Die­ser Satz, den wir in der Lehr­kom­mis­si­on aus­ge­wählt haben – eine der 14 For­mu­lie­run­gen –, ist mei­nes Erach­tens ent­schei­dend, um die Unver­zicht­bar­keit, die Not­wen­dig­keit der Kir­che dar­zu­le­gen und so zu ver­ste­hen, was Tra­di­ti­on bedeu­tet, der leben­di­ge Leib, in dem die­ses Wort von Anfang an lebt und von dem es sein Licht emp­fängt, in dem es ent­stan­den ist. Bereits der Kanon selbst ist etwas Kirch­li­ches: Daß die­se Schrif­ten die Hei­li­ge Schrift sind, kommt aus der Erleuch­tung der Kir­che, die die­sen Schrift­ka­non in sich gefun­den hat – gefun­den, nicht geschaf­fen hat –, und immer nur in die­ser Gemein­schaft der leben­di­gen Kir­che kann man die Schrift auch wirk­lich als Wort Got­tes ver­ste­hen und lesen, als Wort, das uns im Leben und im Tod leitet.

Wie gesagt, war dies eine ziem­lich schwie­ri­ge­re Aus­ein­an­der­set­zung, aber dank des Pap­stes und – sagen wir – dank des Lich­tes des Hei­li­gen Gei­stes, der im Kon­zil gegen­wär­tig war, wur­de ein Doku­ment geschaf­fen, das eines der schön­sten und auch inno­va­tiv­sten des gan­zen Kon­zils ist und das noch viel ein­ge­hen­der unter­sucht wer­den muß. Denn auch heu­te neigt die Exege­se dazu, die Schrift außer­halb der Kir­che zu lesen, außer­halb des Glau­bens, nur im soge­nann­ten Geist der histo­risch-kri­ti­schen Metho­de, einer Metho­de, die wich­tig ist, aber nie­mals so sehr, daß sie Lösun­gen als letz­te Gewiß­heit geben kann. Nur wenn wir glau­ben, daß dies kei­ne mensch­li­chen Wor­te, son­dern Wor­te Got­tes sind, und nur wenn das leben­di­ge Sub­jekt lebt, zu dem Gott gespro­chen hat und spricht, kön­nen wir die Hei­li­ge Schrift gut aus­le­gen. Und hier – wie ich im Vor­wort mei­nes Buches über Jesus gesagt habe (vgl. Band 1) – gibt es noch viel zu tun, um zu einer Les­art zu gelan­gen, die wirk­lich dem Geist des Kon­zils ent­spricht. Hier ist die Anwen­dung des Kon­zils noch nicht voll­stän­dig, sie muß noch erfolgen.

Und abschlie­ßend der Öku­me­nis­mus. Ich möch­te jetzt nicht auf die­se Pro­ble­me ein­ge­hen, aber es war offen­sicht­lich – beson­ders nach der »Pas­si­on« der Chri­sten zur Zeit des Nazis­mus –, daß die Chri­sten zur Ein­heit fin­den, die Ein­heit zumin­dest suchen kön­nen. Doch es war auch klar, daß nur Gott die Ein­heit schen­ken kann. Und auf die­sem Weg befin­den wir uns immer noch. Jetzt, mit die­sen The­men, hat­te die »Rhei­ni­sche Alli­anz« sozu­sa­gen ihre Arbeit getan.

Der zwei­te Teil des Kon­zils ist viel umfang­rei­cher. Mit gro­ßer Dring­lich­keit stell­te sich das The­ma: Welt von heu­te, Moder­ne und Kir­che; und damit die The­men der Ver­ant­wor­tung für den Auf­bau die­ser Welt, der Gesell­schaft, Ver­ant­wor­tung für die Zukunft die­ser Welt und escha­to­lo­gi­sche Hoff­nung, ethi­sche Ver­ant­wor­tung des Chri­sten, wo er sei­ne Leit­li­ni­en fin­det; und dann Reli­gi­ons­frei­heit, Fort­schritt und Bezie­hung zu den ande­ren Reli­gio­nen. In die­sem Augen­blick sind wirk­lich alle Tei­le des Kon­zils in die Debat­te ein­ge­tre­ten, nicht nur Ame­ri­ka, die Ver­ei­nig­ten Staa­ten, mit einem star­ken Inter­es­se an der Reli­gi­ons­frei­heit. In der drit­ten Peri­ode haben die­se zum Papst gesagt: Wir kön­nen nicht nach Hau­se zurück­keh­ren, ohne in unse­rem Gepäck eine vom Kon­zil ver­ab­schie­de­te Erklä­rung über die Reli­gi­ons­frei­heit zu haben. Der Papst besaß jedoch die Stand­haf­tig­keit, die Ent­schlos­sen­heit und die Geduld, den Text in die vier­te Peri­ode zu tra­gen, um ihn aus­rei­fen zu las­sen und eine nahe­zu voll­stän­di­ge Über­ein­stim­mung unter den Kon­zils­vä­tern zu fin­den. Ich sage: Nicht nur die Nord­ame­ri­ka­ner tra­ten mit Nach­druck in die Kon­zils­ar­beit ein, son­dern auch Latein­ame­ri­ka, in vol­lem Bewußt­sein um das Elend des Vol­kes eines katho­li­schen Kon­ti­nents und die Ver­ant­wor­tung des Glau­bens für die Situa­ti­on die­ser Men­schen. Und so haben auch Afri­ka und Asi­en die Not­wen­dig­keit des inter­re­li­giö­sen Dia­logs gese­hen; es sind Pro­ble­me ent­stan­den, die wir Deut­schen, so muß ich sagen, anfangs nicht gese­hen haben. Ich kann das alles jetzt nicht beschrei­ben. Das gro­ße Doku­ment Gau­di­um et spes hat das Pro­blem von christ­li­cher Escha­to­lo­gie und welt­li­chem Fort­schritt, von Ver­ant­wor­tung für die Gesell­schaft von mor­gen und Ver­ant­wor­tung des Chri­sten ange­sichts der Ewig­keit sehr gut ana­ly­siert und hat so auch die christ­li­che Ethik, die Grund­la­gen erneu­ert. Aber, sozu­sa­gen ganz uner­war­tet, ist außer­halb die­ses gro­ßen Doku­ments ein Doku­ment her­an­ge­wach­sen, das zusam­men­fas­sen­der und kon­kre­ter auf die Her­aus­for­de­run­gen der Zeit ant­wor­te­te: Nost­ra aet­a­te. Von Anfang an waren unse­re jüdi­schen Freun­de dabei, die gesagt haben – beson­ders zu uns Deut­schen, aber nicht nur zu uns –, daß nach den trau­ri­gen Ereig­nis­sen des nazi­sti­schen Jahr­hun­derts, des nazi­sti­schen Jahr­zehnts, die katho­li­sche Kir­che ein Wort über das Alte Testa­ment, über das jüdi­sche Volk sagen muß. Sie haben gesagt: Selbst wenn es klar ist, daß die Kir­che nicht für die Sho­ah ver­ant­wort­lich ist, so waren doch die­je­ni­gen, die die­se Ver­bre­chen began­gen haben, gro­ßen­teils Chri­sten; wir müs­sen das christ­li­che Gewis­sen ver­tie­fen und erneu­ern, auch wenn wir genau wis­sen, daß die wah­ren Gläu­bi­gen immer Wider­stand gegen die­se Din­ge gelei­stet haben. Und so war es deut­lich, daß die Bezie­hung zur Welt des alten Vol­kes Got­tes Gegen­stand einer Refle­xi­on sein muß­te. Ver­ständ­li­cher­wei­se waren die ara­bi­schen Län­der – die Bischö­fe der ara­bi­schen Län­der – dar­über nicht glück­lich: Sie befürch­te­ten ein wenig eine Ver­herr­li­chung des Staa­tes Isra­el, die sie natür­lich nicht woll­ten. Sie sag­ten: Nun gut, ein wirk­lich theo­lo­gi­scher Hin­weis auf das jüdi­sche Volk ist gut, ist not­wen­dig, aber wenn ihr dar­über sprecht, dann sprecht auch über den Islam; nur so befin­den wir uns im Gleich­ge­wicht; auch der Islam ist eine gro­ße Her­aus­for­de­rung, und die Kir­che muß eben­falls ihre Bezie­hung zum Islam klä­ren. Das haben wir damals nicht so recht ver­stan­den – ein wenig schon, aber nicht sehr. Heu­te wis­sen wir, wie not­wen­dig es war.

Als wir begon­nen haben, auch über den Islam zu arbei­ten, wur­de uns gesagt: Aber es gibt auch ande­re Reli­gio­nen in der Welt: ganz Asi­en! Denkt an den Bud­dhis­mus, den Hin­du­is­mus… Und so ent­stand anstel­le einer Erklä­rung, die anfangs nur über das jüdi­sche Volk gedacht war, ein Text über den inter­re­li­giö­sen Dia­log, der das vor­weg­nahm, was sich erst 30 Jah­re spä­ter in sei­ner gan­zen Inten­si­tät und Bedeu­tung gezeigt hat. Ich kann jetzt nicht auf die­ses The­ma ein­ge­hen, aber wenn man den Text liest, sieht man, daß er sehr reich­hal­tig ist und in der Tat von Per­so­nen ver­faßt wur­de, die die Wirk­lich­keit kann­ten und kurz, in weni­gen Wor­ten das Wesent­li­che auf­zeigt. So ist er auch die Grund­la­ge für einen Dia­log – in der Ver­schie­den­heit, in der Unter­schied­lich­keit – im Glau­ben an die Ein­zig­keit Chri­sti, des Einen; und für einen Gläu­bi­gen ist es unmög­lich zu mei­nen, die Reli­gio­nen sei­en alle nur Varia­tio­nen ein und des­sel­ben The­mas. Nein, es gibt eine Wirk­lich­keit des leben­di­gen Got­tes, der gespro­chen hat, und es ist der eine Gott, es ist der eine mensch­ge­wor­de­ne Gott und daher das eine Wort Got­tes, das wirk­lich Wort Got­tes ist. Es gibt jedoch die reli­giö­se Erfah­rung, mit einem gewis­sen mensch­li­chen Licht der Schöp­fung, und daher ist es not­wen­dig und mög­lich, in einen Dia­log ein­zu­tre­ten und sich so ein­an­der zu öff­nen und alle offen zu machen für den Frie­den Got­tes, aller sei­ner Kin­der, sei­ner gan­zen Familie.

Die­se bei­den Doku­men­te also, Reli­gi­ons­frei­heit und Nost­ra aet­a­te, ver­bun­den mit Gau­di­um et spes, sind eine sehr wich­ti­ge Tri­lo­gie, deren Bedeu­tung sich erst im Lau­fe der Jahr­zehn­te gezeigt hat, und wir arbei­ten noch dar­an, die­ses Zusam­men­spiel zwi­schen der Ein­zig­keit der Offen­ba­rung Got­tes, der Ein­zig­keit des einen, in Chri­stus mensch­ge­wor­de­nen Got­tes und der Viel­zahl der Reli­gio­nen zu ver­ste­hen, mit denen wir den Frie­den suchen und auch das Herz, das offen ist für das Licht des Hei­li­gen Gei­stes, das erleuch­tet und zu Chri­stus führt.

Ich möch­te jetzt noch einen drit­ten Punkt hin­zu­fü­gen: Es gab das Kon­zil der Väter – das wah­re Kon­zil –, aber es gab auch das Kon­zil der Medi­en. Es war fast ein Kon­zil für sich, und die Welt hat das Kon­zil durch die­se, durch die Medi­en wahr­ge­nom­men. Das Kon­zil, das mit unmit­tel­ba­rer Wir­kung beim Volk ange­kom­men ist, war also das der Medi­en, nicht das der Väter. Und wäh­rend das Kon­zil der Väter sich inner­halb des Glau­bens voll­zog, ein Kon­zil des Glau­bens war, der den »intellec­tus« sucht, der ver­sucht, ein­an­der zu ver­ste­hen und die Zei­chen Got­tes in jenem Augen­blick zu ver­ste­hen, der ver­sucht, auf die Her­aus­for­de­rung Got­tes in jenem Augen­blick zu ant­wor­ten und im Wort Got­tes das Wort für heu­te und mor­gen zu fin­den, wäh­rend das gan­ze Kon­zil sich also, wie gesagt, inner­halb des Glau­bens beweg­te, als »fides quae­rens intellec­tum«, ent­fal­te­te sich das Kon­zil der Jour­na­li­sten natür­lich nicht im Glau­ben, son­dern in den Kate­go­rien der heu­ti­gen Medi­en, also außer­halb des Glau­bens, mit einer ande­ren Her­me­neu­tik. Es war eine poli­ti­sche Her­me­neu­tik: Für die Medi­en war das Kon­zil ein poli­ti­scher Kampf, ein Macht­kampf zwi­schen ver­schie­de­nen Strö­mun­gen in der Kir­che. Selbst­ver­ständ­lich haben die Medi­en für jene Sei­te Par­tei ergrif­fen, die ihnen zu ihrer Welt am besten zu pas­sen schien. Es gab jene, die die Dezen­tra­li­sa­ti­on der Kir­che such­ten, die Macht für die Bischö­fe und dann – durch das Wort »Volk Got­tes« – die Macht des Vol­kes, der Lai­en. Es gab die­se drei­fa­che Fra­ge: die Macht des Pap­stes, dann über­tra­gen auf die Macht der Bischö­fe und die Macht aller, die Volks­sou­ve­rä­ni­tät. Natür­lich war das für sie die Sei­te, die es gut­zu­hei­ßen, zu befür­wor­ten, zu för­dern galt. Und so war es auch für die Lit­ur­gie: Man war nicht inter­es­siert an der Lit­ur­gie als Glau­bens­akt, son­dern als etwas, wo ver­ständ­li­che Din­ge getan wer­den, ein Han­deln der Gemein­schaft, etwas Pro­fa­nes. Und bekannt­lich gab es eine auch geschicht­lich begrün­de­te Ten­denz, zu sagen: Sakra­li­tät ist etwas Heid­ni­sches oder gege­be­nen­falls etwas Alt­te­sta­men­ta­ri­sches. Für das Neue gilt nur, daß Chri­stus »außer­halb« gestor­ben ist: also vor den Toren, in der pro­fa­nen Welt. Mit der Sakra­li­tät muß also Schluß sein, auch der Kult muß pro­fan wer­den: Der Kult ist kein Kult, son­dern ein gemein­schaft­li­cher Akt, an dem alle zusam­men teil­neh­men, und so auch Teil­nah­me als akti­ves Han­deln. Die­se Über­tra­gun­gen, Bana­li­sie­run­gen der Idee des Kon­zils schlu­gen sich in der prak­ti­schen Anwen­dung der Lit­ur­gie­re­form hef­tig nie­der; sie waren aus einer Sicht­wei­se des Kon­zils her­vor­ge­gan­gen, die außer­halb sei­nes Inter­pre­ta­ti­ons­schlüs­sels, des Glau­bens, lag. Und so auch in der Fra­ge der Schrift: Die Schrift ist ein histo­ri­sches Buch, das histo­risch behan­delt wer­den muß, und nichts ande­res, und so weiter.

Wir wis­sen, daß die­ses Kon­zil der Medi­en allen zugäng­lich war. Es war also das vor­herr­schen­de, das sich stär­ker aus­ge­wirkt und viel Unheil, vie­le Pro­ble­me, wirk­lich viel Elend her­bei­ge­führt hat: geschlos­se­ne Semi­na­re, geschlos­se­ne Klö­ster, bana­li­sier­te Lit­ur­gie… und das wah­re Kon­zil hat­te Schwie­rig­kei­ten, umge­setzt, ver­wirk­licht zu wer­den; das vir­tu­el­le Kon­zil war stär­ker als das wirk­li­che Kon­zil. Aber die wirk­li­che Kraft des Kon­zils war gegen­wär­tig und setzt sich all­mäh­lich immer mehr durch und wird zur wah­ren Kraft, die dann auch wah­re Reform, wah­re Erneue­rung der Kir­che ist. Mir scheint, daß wir 50 Jah­re nach dem Kon­zil sehen, wie das vir­tu­el­le Kon­zil zer­bricht, sich ver­liert und das wah­re Kon­zil mit all sei­ner geist­li­chen Kraft zum Vor­schein kommt. Und unse­re Auf­ga­be ist es, gera­de jetzt im Jahr des Glau­bens, vom Jahr des Glau­bens aus­ge­hend dar­an zu arbei­ten, daß sich das wah­re Kon­zil mit sei­ner Kraft des Hei­li­gen Gei­stes ver­wirk­licht und die Kir­che wirk­lich erneu­ert wird. Wir hof­fen, daß der Herr uns hel­fen möge. Ich wer­de in der Zurück­ge­zo­gen­heit mit mei­nem Gebet stets bei euch sein, und gemein­sam gehen wir vor­an mit dem Herrn, in der Gewiß­heit: Der Herr siegt! Danke!

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