(Rom) Die Generalkongregationen der Kardinäle tagen seit Montag in Rom. Die Kardinäle lernen sich kennen, ergründen Stimmungen, prüfen mögliche Kandidaten. Manche versuchen auch Mehrheiten zu schmieden. Vieles, was die medialen Auguren derzeit berichten, sollte überhört werden, anderes muß sich erst noch bestätigen. Gestern kursierte das Gerücht, die amerikanischen Kardinäle hätten beschlossen, sich selbst aus der Linie zu nehmen. Sie würden das damit begründen, daß die Zeit noch nicht reif für einen Papst aus den USA sei, da seine Verkündigung des Evangeliums in manchen Weltgegenden sehr durch die Herkunft belastet sein könnte. Das Gerücht kann natürlich auch anti-amerikanischer Herkunft sein. Derzeit läßt es sich nicht verifizieren. Tatsache ist, daß die amerikanischen Kardinäle demonstrativ kompakt auftreten. Am Montag reisten sie zum Beginn der ersten Generalkongregation geschlossen im Kleinbus an. Amerikanische Verhältnisse gewohnt, verhalten sie sich auch in Rom ziemlich anders als die meisten der Kardinäle. Die amerikanischen Kardinäle sind nicht medienscheu. Aus Erfahrung versuchen sie, den Medien einen Schritt voraus zu sein, statt sich von diesen treiben zu lassen.
Zahlreiche Konklaveteilnehmer suchen Kardinal Ruini auf
Kardinal Camillo Ruini, von 1991 bis 2008 Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz und im selben Zeitraum Kardinalvikar für die Diözese Rom, ist in der italienischen Kirche nach wie vor sehr einflußreich. Aus Altersgründen gehört er nicht mehr zu den Papstwählern, ist derzeit jedoch ein bevorzugtes Besuchsziel zahlreicher Konklaveteilnehmer von Kardinal Dolan von New York bis Kardinal Pell von Sydney. Ruinis Meinung ist gefragt. Eine Richtlinie, die er ausgegeben hat, laute: Keinen Papst zu wählen, über dem im Zusammenhang mit dem Pädophilieskandal auch nur der leiseste Verdacht liegt, Täter gedeckt oder nicht ausreichend schnell reagiert zu haben.
Kardinal Sodano und Kardinal Re zimmern an Mehrheiten die nach Vorwärts zurück erinnern
Unterdessen ist ein anderer mächtiger italienischer Kirchenfürst nicht minder aktiv. Mit dessen Tätigkeit beschäftigt sich ein Aufsatz von Riposte Catholique. Kardinaldekan Angelo Sodano, von 1991 bis 2006 Kardinalstaatssekretär und mit seinen 85 Jahren noch bei ausgezeichneter gesundheitlicher Verfassung, wird ebenfalls nicht dem Konklave angehören. Dort hat er allerdings mit Giovanni Battista Kardinal Re, bis 2010 Präfekt der Bischofskongregation, einen getreuen Gefolgsmann, der als Ranghöchster unter den Konklaveteilnehmern den Vorsitz in der Sixtinischen Kapelle führen wird. Sodano repräsentiert jenen Teil der „alten Garde“ Johannes Pauls II., die unter Benedikt XVI. aus dem aktiven Kuriendienst entfernt wurde. Sie versucht alte Posititionen zurückzugewinnen.
Die von Sodano angeführte Gruppe scheint sich auf einen Kandidaten geeinigt zu haben, mit dem sie erhofft, die geforderte Mehrheit zu erreichen. Ihr Kandidat ist Odilo Pedro Kardinal Scherer, der Erzbischof von Sao Paolo in Brasilien. Das Gerücht geht um, daß sich der bisherige Kardinalstaatssekretär, Tarcisio Kardinal Bertone (alle Kurienämter sind mit Beginn der Sedivakanz verfallen), der als Kämmerer während der Sedisvakanz die Kirche leitet und bisher erklärter Gegner seines Vorgängers Sodano, dem Bündnis angeschlossen habe.
Bertones Bündnis mit Sodano?
Bertones Ablösung als Kardinalstaatssekretär wird seit längerem von verschiedenen Teilen der Kirche gefordert. Vor allem, weil er nicht imstande war, Papst Benedikt XVI. ausreichend den Rücken freizuhalten, als dieser Angriffen ausgesetzt war. Mit der Wahl des Papstes hängen alle Kurienämter zusammen. In der Regel bestätigen neue Päpste zunächst die Kurienmitarbeiter, um bei erster Gelegenheit, Kurienämter stehen alle drei Jahre zur Disposition, Umbesetzungen vorzunehmen. Während manche Kardinäle einen Papst ohne Bertone suchen, scheint dieser sich durch das Bündnis mit Sodano absichern und Einfluß bewahren zu wollen. Eine Entwicklung, die verschiedene Kardinäle gestern in Aufregung versetzte.
Die Kandidatur Kardinal Scherers solle nach außen eine Erneuerung signalisieren, bei der jedoch, zumindest für bestimmte Machtkonstellationen, offenbar alles beim Alten bleiben beziehungsweise zu Altem zurückgeführt werden soll.
Odilo Pedro Kardinal Scherer – der „andere“ Deutsche
Die Aktion erklärt, weshalb der Erzbischof von Sao Paolo, ein treuer Gefolgsmann von Re und Sodano, seit einiger Zeit von bestimmten Medien aufgebaut wird. Ein geschickter Schachzug. Ein Brasilianer genießt in Teilen der mit vatikanischen Dingen nicht vertrauten Journalisten und Gesellschaftsgruppen automatisch einen Vertrauensvorschuß, der oberflächlich mit Dritter Welt und Befreiungstheologie und diffus mit liberaleren Positionen in Verbindung gebracht wird. Scherer werden deutlich mehr Chancen eingeräumt, als 2005 dem argentinischen Kardinal Jorge Mario Bergoglio, auf den sich zur Verhinderung Joseph Ratzingers die progressiven Stimmen konzentriert hatten.
Odilo Scherer ist Jahrgang 1949. Er gehört damit jener starken Gruppe der 60jährigen Kardinäle an, die aufgrund ihres Alters als besonders geignet für das nächste Pontifikat betrachtet werden, für das man sich, darin scheint Übereinstimmung unter den Pupurträgern zu herrschen, keinen Übergangspapst wünscht. Scherer ist Nachkomme deutscher Einwanderer aus dem Saarland, die vor 130 Jahren nach Brasilien auswanderten. Damit würde auf den Deutschen Ratzinger, irgendwie doch wieder ein Deutscher folgen. Dieses Mal aber ein ganz „anderer“ Deutscher.
Von der marxistischen Befreiungstheologie zum kirchlichen Liberalismus
Scherers Formung zeigt Parallelen zu seinem Vorgänger als Erzbischof von Sao Paolo, Claudio Kardinal Hummes, auf. Hummes war in den 70er Jahren einer der entschiedensten Anhänger der marxistischen Befreiungstheologie. 2006 von Papst Benedikt XVI. als Präfekt der Kleruskongregation nach Rom berufen, sorgte Hummes für Aufsehen, als er in seiner ersten Stellungnahme eine Aufweichung des Priesterzölibats forderte. Eine Position, von der er zwar schnell abrückte. Ob es sich nur um ein Abrücken auf Zeit handelte, muß sich erst zeigen. Hummes, Jahrgang 1934, wird neben Scherer in der Sixtinischen Kapelle Platz nehmen.
Odilo Scherer wirkte bereits von 1994 bis 2001 an der Römischen Kurie, wo er vor allem ein Mann von Kardinal Re war. Re hatte als Präfekt der Bischofskongregation ein System mehrstufiger Kreise an Vertrauten um sich aufgebaut. Jeder Kreis führte näher an ihn und Einfluß heran. Scherer gehörte zum innersten Kreis der engsten Vertrauten, denen Re im Gegenzug zu höchsten Würden verhalf. Scherer hatte in Brasilien und in Rom den Ruf eines moderaten Liberalen. 2001 schickte ihn Re als Weihbischof von Hummes nach Sao Paolo bereits mit der Aussicht auf dessen Nachfolge. Innerhalb von sechs Jahren wurde mit Hilfe von Sodano und Re aus dem Kurienbeamten der Erzbischof eines der wichtigsten Bischofssitze Brasiliens und drittgrößten Diözese der Welt und, nicht zuletzt, 2007 ein Kardinal.
Laut der Zeitschrift Golias bereitet sich Scherer seit 2009 auf Konklave vor
Die progressive französische Zeitschrift Golias begrüßte den Aufstieg Scherers. Bereits 2009 schrieb das Blatt, „er [Joseph Ratzinger] hat der brasilianischen Kirche arg zugesetzt, ohne daß es ihm aber zu einem Gutteil wegen der Größe und Vielfalt des Landes gelungen ist, sie zu bezwingen. Manchmal hat er sich geirrt und auf Personen gesetzt, die sich in Wirklichkeit weigerten, sein Spiel mitzumachen: wie Kardinal Agnelo, oder neuerdings, Kardinal Pedro Odilo Scherer, der Erzbischof von Sao Paolo, der seine Figuren mit Blick auf ein Konklave bewegt und sich entschieden als Mann der Mitte positioniert. Die Experten wissen, daß er den Kardinälen Sodano und Re verbunden ist und einen Mittelweg zwischen der Befreiungstheologie und der derzeitigen Restauration sucht. Auch indem e unbequeme Positionen Benedikts XVI. abschleift. […] Scherer verhält sich heute wie die brasilianischen Kardinäle Paulo Evariste Arns und Aloisio Lordscheider, und später Kardinal Lucas Moreira Neves, als künftiger papabile, die sich davor hüteten, frontal mit jener mächtigen Richtung in der brasilianischen Kirche zusammenzustoßen, die vom Marxismus zum kirchlichen Liberalismus umgeschwenkt ist. Es genügt die Positionen anzusehen, die Kardinal Hummes zugunsten der Priesterehe einnahm, kaum daß ihn Benedikt XVI. zum Präfekten der Kleruskongregation ernannt hatte: Brasile oblige!“
„Scherer gilt als moderat, was besonders wichtig ist, wenn er mit Chancen in diese Konklave eintreten will. Seine Mentoren werden jedoch seine brasilianischen Erbsünden vergessen lassen müssen“, so Riposte Catholique. Brasilien ist geistig nach wie vor das Land der Befreiungstheologie, die sich heute allerdings in einem ganz anderen Kleid präsentiert. Scherer hat sich auf die liberal gewandete Nachfolge der Teologia da Libertaçà£o weit mehr eingelassen, als vor ihm Hummes auf die marxistische, zumindest seit deren Verurteilung durch die Glaubenskongregation unter Joseph Kardinal Ratzinger. Das erklärt auch die guten Beziehungen, ja sogar Freundschaften Scherers mit Vertretern der Hochfinanz.
Scherer, der entschiedene Gegner von Summorum Pontificum
Brasiliens Bischofskonferenz, deren Sekretär Scherer von 2002 bis 2007 war, setzt sich aus einer großen mehr oder weniger progressiven Mehrheit und einer kleinen, wenn auch entschlossenen konservativen Minderheit zusammen. Darunter befindet sich zum Beispiel die traditionsverbundene Apostolische Administration von Campos, die von vielen brasilianischen Bischöfen als eine Art Indianerreservat betrachtet wird. So überrascht es nicht, daß Kardinal Scherer ein entschiedener Gegner des Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. ist, der nicht davor zurückschreckte, traditionsverbundene Priester und Gläubige auszugrenzen.
„Theologie des rhetorischen Zentrismus“ ließ jeden fünften Katholiken Brasiliens zu Sekten abwandern
Scherer wird als Kandidat aus einem Land präsentiert, in dem das kirchliche Leben „pulsiert“ und „lebendig“ ist. Tatsächlich ist es um die Erzdiözese Sao Paolo nicht besonders gut bestellt. Die brasilianische Volksfrömmigkeit zeigt sich gegenüber der „für die Zeit Johannes Pauls II. typischen Theologie eines rhetorischen Zentrismus“ (Riposte Catholique) wenig zugänglich. Die katholische Tradition verzeichnet wachsenden Zulauf, bleibt wegen der starken Behinderungen durch eine teils offene Feindseligkeit von Bischöfen und Ordinariaten in ihren Möglichkeiten erheblich eingeschränkt. Folge ist eine starke Ausbreitung protestantischer Sekten, die in den vergangenen 40 Jahren mehr als jeden fünften Brasilianer von der katholischen Kirche entfernten. Kardinal Scherer, so Riposte Catholique, ist ein Experte dieses erfolglosen Zentrismus. Weniger Experte scheint er in Sachen Katechismus zu sein. Im August 2012 veröffentlichte er einen Kommentar zum fünften Gebot, das – seiner Ansicht nach – verlangt „nicht zu stehlen“. „Zu anderen Zeiten hätte man den Erzbischof-Kardinal die Erstkommunion-Prüfung wiederholen lassen“, so Riposte Catholique.
Dennoch scheint es derzeit unwahrscheinlich, daß Kardinal Scherer zwei Drittel der Konklaveväter auf sich vereinen dürfte. Vielmehr könnte er aber die Wahl eines Kandidaten des von Benedikt XVI. angestoßenen katholischen Wiederaufbaus verhindern.
Die ganze „Veränderung“ , die derzeit lautstark als Reform der Römischen Kurie gefordert und thematisiert wird, würde im Duo Sodano-Scherer nur dazu dienen, das Pontifikat Benedikts XVI. auf verschiedenen Ebenen möglichst rückgängig zu machen, „um zu den kurialen Annehmlichkeiten unter Johannes Paul II. zurückzukehren. Die ganze „Erneuerung“ würde darin bestehen, „das heutige Brasilien nach Rom zu importieren“. Eine „Reinigung“, die keine wäre, so Riposte Catholique.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Riposte Catholique
scherer ungeeignet,katastrophe
Seien wir ehrlich, am Ende sind aus dem Kreis der Kardinäle lediglich Ranjith, Burke und Pell halbwegs akzeptabel. Daher sollten die Kardinäle gezielt darüber nachdenken, ein glaubenstreuen Nichtkardinal auf den Stuhl Petri zu befördern. Ein paar Namen als Denkanstoß: Athanasius Schneider, Vitus Huonder, Andreas Laun, Tissier de Mallerais .…
Bei Laun liegen Sie völlig daneben
Sie haben Laun und Tissier de Mallerais verwechselt. Letzterer hat in der LIste nun aber auch gar nichts zu suchen!
Odilo Scherer ist einer von drei Papabile, mit denen ich rechne.
Hier ein Gottesdienst mit dem Kardinal, der hier komplett deutsch spricht.
http://www.katholisch.de/de/katholisch/video/video_details.php?id=8942
Wenn Scherer derart von Sodano gefördert wird, hat er wohl kaum eine Chance aufs höchste Kirchenamt. Dafür hat Sodano zu viele Fehler gemacht, und dass die Mehrzahl der Kardinäle sich weiter Bertone als Nummer zwei wünscht, wage ich auch zu bezweifeln. Scherers Wahl wäre eine Katastrophe, aber seine Chancen scheinen mir doch gering. Es macht auch keinen Sinn, von glaubenstreuen Nichtkardinà len zu träumen. Von den traditionsverbundenen ist meiner Meinung nach Ranjith der einzige ernst zu nehmende papabile, wenn auch nicht wegen seiner Traditionsverbundenheit. Aber auch mit einem Scola, Bagnasco, Ouellet, Erdö, Dolan, vielleicht sogar Maradiaga, könnten die Konservativen unter uns gut auskommen.
Ein Papst aus den USA wäre eine Katastrophe für die orientalischen Christen, außerdem bräuchte die Kirche als Papst einen Priester nach dem Dienste des Melchisedech und nicht etwa nach dem Dienste des Holocaustes. Ich habe mehrfach im abgelaufenen Ponitifikat geschrieben dass mir kein Priester das Leiden und Sterben meines Herren Jesus Christus so ergreifend verkündet hat, als Papst Benedikt uns den Holocaust verkündete. Dieses tragische Ereignis hat jedoch keinen mystisch- religiösen Stellenwert weil nach dem Sterben keine Auferstehung erfolgte,dieses Leiden sohin völlig menschlich war.
Sehr richtig – aus katholischer Sicht. Es ist aber ein neuer Kult entstanden, für den nicht das Kreuzesopfer, sondern das Ganzopfer (á½Î»ÏŒÎºÎ±Ï…στον) im Zentrum des Weltgeschehens steht. Es hat nicht nur mystisch-religiösen Stellenwert sondern absolute „Singularität“. Die Auferstehung besteht in der Gründung von Eretz Israel.