(Vatikan) Der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Kardinal Sodano hat die Generalkongregation der Kardinäle für den 4. März, Beginn 9.30 Uhr einberufen. Die Kongregationen werden so lange tagen, bis alle Kardinäle in Rom eingetroffen sind. Erst dann soll eine Entscheidung darüber getroffen werden, wann das Konklave beginnt. An der Generalkongregation nehmen alle Kardinäle teil. Auch die über 80jährigen Kardinäle entscheiden daher über die Festlegung des Konklavebeginns mit.
Eine Gruppe von Kardinälen der Römischen Kurie und verschiedener Metropolitanbezirke scheint entschlossen, vom nächsten Papst eine feste Absichtserklärung zu fordern, nicht zurückzutreten. Sie erwarten vom neuen Papst in dessen Inaugurationsrede als Fixpunkt die Feststellung, daß ein Papst auf Lebenszeit berufen ist. Die ungewöhnliche Entscheidung Benedikts XVI., sein Pontifikat mit einem Amtsverzicht zu beenden, der die Kirche in nicht unerhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit einer gänzlich ungewohnten Situation bringt, soll sich nicht wiederholen, so die Überzeugung dieser Kardinäle, wie heute der Corriere della Sera berichtete. Die Bestimmung über einen eventuellen Rücktritt könne nicht abgeschafft werden. Die Freiheit der Kirche müsse aber in Zukunft durch äußere Einflußnahme geschützt werden.
Noch am Tag, an dem Benedikt XVI. den Vatikan in Richtung Castel Gandolfo verlassen hat, begannen in Rom kaum überhörbar die Aktivitäten zur Stärkung der Sakralität des Papsttums. Die Entscheidung des deutschen Papstes wurde mit Respekt begleitet und als für die moderne Welt provokanter Akt der Selbstentäußerung und der Demut gedeutet. Sie wurde gleichzeitig jedoch auch als destabilisierende Geste wahrgenommen.
Zu den wenigen offenen Kritikern gehörte der polnische Kardinal und Erzbischof von Krakau, Stanislaw Dziwisz. Der langjährige Sekretär von Johannes Paul II. erinnerte an diesen mit den Worten: „Vom Kreuz steigt man nicht herab.“ Benedikt XVI. schien in seiner Ansprache bei der letzten Generalaudienz am 27. Februar auf dem Petersplatz zu antworten: „Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigten Herrn.“ Ein Wortwechsel aus der Entfernung zwischen dem scheidenden Papst und einem der Papstwähler im kommenden Konklave, dessen Tragweite erst noch zu entziffern sein wird.
Auf dem polnischen Internetportal Geopolityka wagte Gracjan Cimek eine Auslegung. Es sei Joseph Kardinal Ratzinger gewesen, der Johannes Paul II. daran erinnert habe, daß man vom Kreuz nicht herabsteigen kann. Das Thema wird die in wenigen Tagen beginnende Generalkongregation der Kardinäle ausführlich beschäftigen. Eine Diskussion, die nicht schmerzlos verlaufen könnte. Es geht darum, die tiefere Bedeutung der Geste Benedikts XVI. zu ergründen und daraus Schlüsse zu folgern, ob es sich dabei um eine persönliche Entscheidung handelte, die als Ausnahme in die Kirchengeschichte eingehen wird oder ob weitergehende Folgerungen daraus abzuleiten sind, die bereits in das nächste Pontifikat und die nachfolgenden hineingreifen.
Ein Verweis auf die Bestimmungen des Kirchenrechts allein wird nicht genügen. Das galt bisher, da die Rücktrittsbestimmung faktisch ebenso unbeachtet wie unbekannt im Raum stand und niemand an eine praktische Anwendung auch nur einen Gedanken verlor. Eine Gruppe von Kardinälen sieht die Notwendigkeit, das richtige Gleichgewicht zwischen dem Schritt Benedikts XVI., der in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche einen Bruch darstellt (wenn es auch Vorgängerfälle gab) und der Kontinuität der Kirche, deren Natur Brüche nicht gut bekommen.
Konkret geht es dabei darum, jeden Eindruck zu vermeiden, das Papsttum sei irgendeiner weltlichen Institution gleichgestellt. Um so entschiedener sind die Reaktionen zahlreicher Kardinäle innerhalb der vatikanischen Mauern gegen viele Wortmeldungen der letzten Wochen, die Rücktritte für Päpste verallgemeinern und als Zeichen einer „Modernisierung“ darzustellen versuchen. Eine Auslegung, die bei nicht wenigen Kardinälen im Umkehrschluß als Warnsignal verstanden wurde. Sie sehen in der Berufung zum Stellvertreter Christi auf Erden auf Lebenszeit keineswegs nur ein historisches Zufallsprodukt, das einfach geändert werden könnte oder sollte. Das Papsttum entspricht einer Form von Theokratie, die nicht mit dem Amt eines Staatspräsidenten oder Ministerpräsidenten zu verwechseln ist. Im Papsttum konzentriert sich das ganze Drama der Weltkirche in einer Person.
Nicht zuletzt sehen einige Kardinäle die Gefahr einer Einflußnahme von außen. Gibt es ein Papsttum auf Zeit, wird das Amt nicht nur profaniert, sondern riskiert, zum Spielball ausreichend starker Mächte zu werden, wie die Wucht konzentrierter Medienkampagnen beweisen oder der insistente Druck von Regierungen. Die entschiedene Stellungnahme von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone vor einigen Tagen gegen „unangebrachte Einmischung“, spricht eine deutliche Sprache. Sie wandte sich gegen eine Einmischung durch eine „öffentliche Meinung“, aber auch durch „Staaten“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino