(Rom/Econe) „Die Umarmung des Vaters, der sie liebt oder das Schisma“, schreibt der spanische Kirchenhistoriker Francisco de la Cigoña zum „Ultimatum“, das Kurienerzbischof Müller an die Priesterbruderschaft St. Pius X. gerichtet hat. Getan hat der Präfekt der Glaubenskongregation dies als Vorsitzender der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei mit einem Schreiben vom 8. Januar. Daß als Stichtag ein Termin wenige Tage vor dem Amtsverzicht Papst Benedikts XVI. gesetzt wurde, und zwar bereits Anfang Januar, als Kurienerzbischof Müller und alle anderen im Vatikan noch gar nichts vom beabsichtigen Rücktritt des Papstes wußten, deutet darauf hin, daß das Datum vom Papst selbst gewünscht wurde. Ein letzter Versuch seines Pontifikats, doch noch eine Einigung zu erreichen. Seit längerem heißt es in Rom, daß das Dekret zur Errichtung einer Personlaprälatur bereits unterschriftsreif aufgesetzt ist, so daß Benedikt XVI. nur mehr seinen Namen daruntersetzen müßte, um ihm Rechtskraft zu verleihen. Bis zum Abend des 28. Februar 2013 kann er es tun, ehe der Ring des Fischers zerbrochen wird.
Stichtag 22. Februar von Papst bestimmt – Letzte Möglichkeit vor seinem Rücktritt
Im Le Figaro schrieb Jean-Marie Guénois sinngemäß: „Es ist fünf vor 12, Bischof Fellay…“, die Frage der Einigung sei von „universaler“ Bedeutung, so Guénois. Sie betreffe die gesamte Weltkirche. Der Papst habe durch großes Entgegenkommen, und vor allem bisher einseitig und ohne Gegenleistungen, nicht einmal symbolischer Natur, wesentliche Forderungen der Piusbruderschaft erfüllt. Im Gegensatz zu manchem seiner Mitarbeiter, ertrug er geduldig die aufbrandende Kritik, die ihm durch den Fall Williamson entgegenschlug. Dem Papst geht es um die Wiederherstellung und Stärkung der katholischen Identität, daran hat er unermüdlich gearbeitet und vor allem mit unerschütterlicher Geduld, weil er durch Überzeugungsarbeit die Katholiken gewinnen und in ihnen den Weg frei zu neuem Feuer machen wollte.
Guénois weist in diesem Zusammenhang auf das der Welt schier unglaublich erscheinende Ereignis hin, daß beim Weltjugendtag in Madrid zwei Millionen junge Katholiken nach Sturmregen in absoluter Stille am Boden knieten, um den eucharistischen Herrn anzubieten. „Wann hat die Welt so etwas gesehen“, fragte bereits damals der Religionswissenschaftler Vincenzo Betta. Bilder, die die moderne Welt verstören, sucht sie schnell zu verdrängen. Doch das geht nicht so leicht.
Piusbruderschaft Teil der Rekatholisierung Benedikts XVI. – Kirche 2013 nicht mehr jene von 2005
In diesem päpstlichen Programm der „Rekatholisierung“, so Guénois, hat für Benedikt XVI. auch die von Erzbischof Lefebvre gegründete Piusbruderschaft ihren Platz. Eine Haltung, die selbst in seinem Umfeld von nicht vielen verstanden, von anderen mehr oder weniger offen bekämpft wurde. Der Papst ging den Weg der Einigung dennoch weiter und gab immer neue Impulse, obwohl er manchmal darin sehr einsam stand. Einsam an der Römischen Kurie, vor allem aber mit wenig Unterstützung in den Episkopaten und einsam auch von Seiten der Bruderschaft, in der nicht wenige Rom zwar Rom nennen, den Papst zwar Papst nennen, aber letztlich mit Rom und dem Papst soviel zu tun haben wollen, wie mit einem fernen Verwandten am anderen Ende der Welt. Diese Einsamkeit war über lange Strecken ein Wesensmerkmal dieses Pontifikats, in diesem und in anderen Aspekten der von Benedikt XVI. vorangetriebenen Rekatholisierung. Seine Entschlossenheit, wenn auch manchmal der kleinen Schritte, stets bemüht, seine Adressaten nicht zu überfordern, brachte ihm wenig Lohn und viel Kritik ein, zeitigt aber unübersehbare Folgen.
Wohlwollen gegenüber Piusbruderschaft war einsamer Weg für Papst – alleingelassen von beiden Seiten?
Die Kirche, die Benedikt XVI. am Abend des 28. Februar mit seinem ungewöhnlichen, nicht unbedingt nachahmungswürdigen Abtritt hinterläßt, ist eine andere, als er vor acht Jahren übernommen hat. Sie ist um deutliche Grade katholischer geworden. Vor allem legte er einen Grundstein, da und dort, auf dem die Zukunft der Kirche gebaut wird. Und das wird nicht die Kirche der 70er Jahre sein, so sehr Alt-Liberale wie der deutsche Kardinal Lehmann, der es in vergangenen Zeiten unglaublicherweise bis zum Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz und in das Kardinalskollegium geschafft hatte, es sich noch immer herbeisehnen. Andere Zeiten, andere Strategien. Als die Progressiven noch so stark waren, versuchte man sie unter Johannes Paul II. durch Einbindung in die Verantwortung für die Weltkirche zu mäßigen. Aber die deutsche Kirche ist ein Kapitel für sich, wie die geradezu chaotische Kakophonie mancher deutscher Bischöfe zeigt, kaum, daß Petrus, der Garant der Einheit, für kurze Zeit nicht präsent ist. Dieses recht erbärmliche Schauspiel, das sich in diesen Tagen nördlich der Alpen abspielt, vermittelt eine leise Ahnung dessen, was mit der katholischen Kirche passieren würde, wenn manch episkopaler Wunsch nach Schwächung der päpstlichen Autorität und damit des Petrusamtes in Erfüllung ginge.
Le Figaro zu Personalprälatur: „Hat Opus Dei je über Zwang und Mangel an Freiheit geklagt?“
Zurück aber zur Piusbruderschaft: Guénois fragt, warum die Piusbrüder immer etwas auszusetzen hätten und den Eindruck von Nimmersatten vermitteln würden, auch was das Angebot einer Personalprälatur anbelangt: „Hat jemand jemals das Opus Dei über Zwang oder einen Mangel an Freiheit klagen hören in diesem besonderen Rechtsstatus?“ Ein Schreiben von Kurienerzbischof Di Noia, dem Vize-Präsidenten der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, brachte bereits im November 2012 ganz neue Überlegungen ins Spiel, um die im vergangenen Juni festgefahrene Situation aus der Sackgasse zu führen.
„Es ist Viertel vor 12“. Ein weiterer Tag beginne, die Einheit wiederherzustellen. Der letzte Tag. Wer die Zeichen der Zeit zu lesen verstehe, der solle sie lesen. „Msgr. Fellay weiß, daß die Gelegenheit einmalig ist.“
Der Generalobere der Piusbruderschat „hat eine sehr große Verantwortung“. Wird er die einmalige Gelegenheit „aus Angst vor den Ultras, die ihn sowieso verlassen werden“ nicht nützen „und die selbst im Rücktritt ausgestreckte Hand des Papstes verweigern?“ Wie aber könne ein „Werk, das den Ehrgeiz hat, die Identät der Kirche wiederzubeleben, diese Möglichkeit wissentlich verweigern?“
„Wird Fellay aus Angst vor Ultras, die ihn ohnehin verlassen, sich verweigern?“
Auch Francisco de la Cigoña schreibt, daß „Bischof Fellay eine immense Verantwortung trägt“, wenn die Bruderschaft „diese letzte Gelegenheit verpaßt“. Denn, „sofern nicht ein Kardinal wie Burke oder Ranjith“ zum nächsten Papst gwählt wird, „was sehr unwahrscheinlich scheint, wird sich niemand finden, der der Priesterbruderschaft St. Pius X. so wohlwollend wie Papst Benedikt XVI. entgegenkommt.“ Das verschaffe jenen Spielraum, die ihnen feindlich gesonnen sind. „Einsendeschluß ist der 22. Februar, das ist morgen. Und zwangsläufig am 28. um 20 Uhr. Das ist die Entscheidung, die Msgr. Fellay treffen muß. Es gibt keine andere Zeit. Möge der Herr und die Allerseligste Gottesmutter sein Herz anrühren.“
Text: Giuseppe Nardi
Bilder: La cigüeña de la torre/Rorate Caeli