„Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ (Mt 2,15; cf. Hos 11,1)
1. Was ist der „Un-/Geist des Konzils“?
In den Diskussionen um das Zweite Vatikanische Konzil wird bekanntlich immer wieder auf den „Geist des Konzils“ oder eben auch „Ungeist“ rekurriert, den es unter Umständen – je nach Sichtweise und Hermeneutik – vom eigentlichen Konzil mit dem Wortlaut seiner Dokumente abzuheben gelte. Mir scheint, in vielfältigen Variationen und Modulationen ist dieser Geist, abgeschwächt oder auch verstärkt, immer noch wirksam. Und so betrifft uns dieser Geist immer noch, unabhängig vom Erbe des Konzils und der Diskussion darum.
Ich meine, es ist lohnenswert, dem noch einmal ein wenig nachzuspüren. Nun halte ich es für ein Unding, so einen „Geist“, der für ein solch exzeptionelles Ereignis wie überdies für eine ganze Epoche prägend ist, auf eine simple Formel, gar auf den Nenner eines einzigen Begriffs bringen zu wollen, um dann mit einem intellektuellen Taschenspielertrick alle Einzelvorkommnisse eines solchen Ereignisses und einer solchen Epoche quasideduzierend von diesem Begriff oder solcher Formel her verständlich machen zu wollen. Die Endlichkeit unseres Verstehens scheitert mit ihrem faustischen Zugriff nicht erst am Allerhöchsten, an Gott, sondern schon viel früher. – Unbeschadet dieser Einsicht macht es jedoch Sinn, jene Aspekte eines solchen Phänomens (wie ein historisches Ereignis oder eine Epoche) begrifflich einzufangen, denen eine Schlüsselstellung eigen ist; eine Schlüsselstellung, die einen, obgleich nur perspektivischen, Blick auf das Ganze freizugeben verspricht.
Welche Vokabel ist nun geeignet, diesen „Geist des Konzils“ in besagtem Sinne und besagten Grenzen auf den Begriff zu bringen? Nuancierter und so auch besser gesagt: den Geist jener Epoche auf den Begriff zu bringen, die wohl immer noch die unsrige ist und die mit eben ihrem Geist auch im besagten „Konzilsgeist“ präsent war, um in den Debatten und auch Dokumenten zumindest ihre Reflexe zu finden, ein Geist, der im Raum der Kirche immer noch wirksam ist? Ich möchte nun einen (freilich nicht exklusiv gemeinten) Vorschlag machen. Und mein Vorschlag lautet: „Monismus“. Und damit erhebe ich gewiß keinen Anspruch auf Originalität, wie Kenner jedenfalls mein Vorschlag auch nicht allzu sehr verwundern dürfte: ist doch schon im Konzilsdokument über die Kirche in der Welt von heute, „Gaudium et spes“, von der „unificatio“ die Rede (GS 24 u. 55), eine Unifikation, welche die Welt von heute kennzeichne. Damit ist dem Wortsinn nach sicherlich in etwa nur jenes (damals schon deutlich anhebende) Phänomen anvisiert, das wir heute in die Vokabel „Globalisierung“, von der Welt als einem „global village“ fassen. – Freilich hat demgegenüber mein Dechiffrierungsversuch mit Hilfe der Vokabel „Monismus“ eine größere Reichweite.
Was meine ich also mit solchem „Monismus“, der seinem Wortsinn nach ja alles als irgendwie „eines“ auffaßt beziehungsweise postuliert? Der Monismus, den ich im Blick habe, ist zunächst eher atmosphärischer Natur; entsprechend tritt er auf der Ebene des (zumal akademischen) Nach-Denkens nur bedingt in Erscheinung, um dann aber sogar metaphysische Reflexe, wenn nicht ausgesprochene Niederschläge zu finden: ich verweise auf Alfred N. Whitehead oder (mehr reflex-haft) Pierre Teilhard de Chardin (der für das Konzil bestimmt nicht ohne Belang war). – Als atmosphärischer, durch alle Äußerungen des geistigen und kulturellen Lebens hindurch „geisternder“ äußert sich dieser Monismus in einer starken Neigung zu einem All-ein-Verständnis: Differenzen müssen abgebaut oder wenigstens „vermittelt“ werden, Schranken darf es prinzipiell nicht geben, Dialog allenthalben; und exklusive Wahrheitsansprüche dürfen allenfalls so erhoben werden, daß sie sich sozusagen dialogisch verflüssigen. – Der radikale Subjektivismus, wonach die individuelle Option oder Dezision mehr oder minder absolut gesetzt wird, ist nur das scheinbare Gegenteil zu solchem Monismus, in Wahrheit jedoch dessen konsequente Radikalisierung: wird doch schließlich auch der richtende Unterschied des An-sich zum Für-mich eingezogen. Und dies muß auch für ein absolutes An-sich gelten; entsprechend werden die Subjektivitäten zu je eigenen Erscheinungsorten des vielgestaltigen Absoluten hochstilisiert: heilig ist nur, was jemandem heilig ist. Konsequenterweise erkennt dieser Subjektivismus als seine Grenze nur die sozusagen systemimmanente Variabilität an: das Heilige ist nur insoweit und dann aber auch so oft, als jemandem etwas heilig ist. Entsprechend ist das erste Gebot die gegenseitige Anerkennung in der je eigenen Wahrheit, worin sich wieder der Kreis hin zum All-ein-verständnis schließt. Die Folge ist ein „Liberalismus“, der für jede subjektive Option ebenso unbedingte Anerkennung wie Relativierung mit Blick auf die je andere Option erfordert. Unbedingte Wahrheitsansprüche, die die unübersehbar vielgestaltige Brechung durch das „für mich“ nicht mehr anerkennen und so exklusiv (in bezug auf inhaltlich konkurrierende Optionen) sind, sind für solches Denken in Kategorien des Alleinverständnisses Fremdkörper, die es, je radikaler und konsequenter es entwickelt ist, nicht hinnehmen kann. Der Geist des Alleinverständnisses wird hier extrem intolerant. Dialog, Austausch, „gegenseitige Bereicherung“ als Ausdruck der Selbstrelativierung vor dem Subjektivismus des je anderen: ja; missionarische Konfrontation mit einem „so und nicht anders“: nein. – Und da die Einzelsubjektivismen in tausend Varianten nur die Repetitionen einer hedonistischen Option für das kleine Glück einschließlich religiösen Wohlbefindens (so jemand „das für sich braucht“) sind, gleichen sie sich in Wahrheit wie ein Ei dem anderen: Geschmacklosigkeiten, die unbedingte Achtung im Namen der fetischisierten Subjektivität einfordern. Der Monismus des Alleinverständnisses degeneriert final zum „Monotono-Monismus“.
2. Geist des Monismus und Nach-/Konzilszeit
Um obigem Generalnenner nicht untreu zu werden: Freilich haben solche Entschlüsselungs- und Entlarvungsversuche eben nur Näherungswert (nicht weil die Wahrheit bloß relativ wäre, sondern unser Zugang zu solchen komplexen Phänomenen immer unzulänglich ist). Und ich habe, zugegeben im Rahmen einer Grobskizzierung, versucht, den Bogen zu jenem Zeitgeist zu schlagen, wie er sich für unsere Aktualität akut geltend macht, bis in die faktischen Diskursregeln, in manchen Ländern schon bis in die Gesetzgebung. Was in Sachen „Konzil und Konzilsgeist“ in erster Linie von Belang ist, ist eben die noch relativ harmlose Gestalt des Soges hin zum All-ein-verständnis im Sinne des Dialogismus: eine eindeutige Vorliebe für das Gespräch und ein recht ausgeprägter Affekt gegen den verpflichtenden Spruch einer Instanz, die keine Relativierung duldet. Wie gesagt: In seiner noch harmloseren und so auch „sympathischeren“ Variante verlangt besagter Monismus als All-ein-Verständnis-Denken, daß sich Wahrheitsansprüche dialogisch verflüssigen lassen, Differenzen vermittelt oder abgebaut werden. Daß nun in jenem bis zur Stunde beschworenen und wirksamen „(Un-)Geist des Konzils“ dieserart „Monismus“ präsent ist, dürfte sich von selbst verstehen: „ganz viel Ökumene“, Verständigung, überhaupt alles mit „inter-“, bis hin zum Terrain der Religionen. Allerdings: Daß der oben angetippte hedonistisch-regressive Subjektivismus als reife Ausprägung dieser Ideologie schon damals, in den sechziger und siebziger Jahren, als stiller Gast präsent war, Monismus der Allverständigung und Subjektivismus strukturell zusammengehören, im tiefsten dasselbe sind, zeigte sich damals schon am schlichten Faktum, daß der aggressive Ruf nach mehr Ökumene nur die Kehrseite der angestrebten Entledigung von den konventionell-unangenehmen Lasten des Katholisch-Seins war; im Jargon von Otto Normalverbraucher: „die Evangelischen müssen ja auch nicht ständig beichten, dürfen die Pille nehmen etc.; und jetzt machen wir sowieso gemeinsam“. Von daher braucht man sich aber auch nicht zu wundern: Es ist gerade kein Widerspruch zu den erzielten Verständigungen in den Konsensdokumenten, wenn das gemeinsame konfessorische Einstehen für die gemeinsam anerkannte „Grundwahrheit“ eben nicht stärker wird, sondern immer schwächer – steht doch die ganze Unternehmung im Sog jener Verflüssigung, welche die Sperrigkeit einer objektiv verbindenden Vorgabe mit Exklusionscharakter ohnedies nicht leiden mag („die Anatheme treffen den ‚Gegner‘ heute nicht mehr“). Es ist nur konsequent, daß wer „alle Christen“ zum Abendmahl lädt, schließlich auch die Hindus dort willkommen heißt (und die sind bestens disponiert: sind sie doch offen für alles – angeblich).
Aber: Läßt sich von solchem „Konzilsungeist“ das eigentliche Konzil mit seinen Dokumenten seziermesserscharf abheben? Natürlich: Es wäre ein Unding, dem Konzil irgendwo theoretischen beziehungsweise doktrinalen Monismus zu unterstellen: eine schlichte Abwegigkeit. Auch soll keineswegs behauptet werden, daß es in seinen entscheidenden doktrinalen Grenzziehungen (freilich in positiv-irenischer Manier) dem hier zu dechiffrieren gesuchten Zeitgeist (Relativismus des „Alleinverständnisses“ etc.) erlegen gewesen wäre. Diesbezüglich hatte sich hier sehr wohl und erneut die Verheißung des Geistbeistandes bewährt. – Jedoch: Mir düngt, daß der problematische „Konzilsgeist“ mit dem eigentlichen Konzil, wie es in seinen Verlautbarungen greifbar wird, durchaus auch zu tun hat. Dergestalt, daß besagter „Monismus“ als Denken und Handeln bestimmende Mentalität Reflexe in den konziliären Verlautbarungen gefunden hat: nämlich im Setzen der Akzente, der Gewahrung der Prioritäten, der Formulierung von Postulaten (die rein in sich selber noch so unverfänglich sein mögen). Nehmen wir dazu das Ökumenismusdekret „Unitatis redintegratio“ (UR), mit eines der (cum grano salis) „monistischsten“ des Konzils.In diesem Dekret ist zum Beispiel der schon extrem zu nennende prioritäre Rang auffällig, den UR II zufolge die Reunionsbemühung und die Verständigung der Christen in nahezu allen Belangen einnehmen soll; entsprechend erhält in UR 12 die „cooperatio“ aller Christen bzw. der Christen mit allen Menschen zur Realisierung einer zivilisatorisch gehobenen Menschheit eine ganz merkwürdige Dominanz. Und so mag man sich schon fragen: Behält schier im Dickicht all dieser Postulationen die Pflege der eigenen konfessionellen Identität, die in Wahrheit die der Glieder der einen wahren Kirche Christi ist, die mithin das Salz der Erde sind, überhaupt noch ihren notwendigen Freiraum? Lautet wirklich das A und O katholischen Christentums: „Was können wir gemeinsam mit den anderen tun“? Lautet sie nicht vielmehr: Was haben wir „miteinander zu tun“ für die anderen, für das Heil der ganzen Welt? „Die Freundschaft mit dieser Welt ist Gott Feind“, schreibt der heilige Apostel Jakobus (4,4). – Um aber nicht der Scharfmacherei zu verfallen: Schlichte sachliche Nüchternheit läßt beim Vergleich von UR mit dem elften Kapitel im ursprünglichen Kirchenschema der Vorbereitungskommission, dem Ökumenismuskapitel, eine bewußte methodische Kehrtwende entdecken: Dieses Kapitel XI des Schemas geht klar aus von der bereits bestehenden Einheit der Kirche, der katholischen eben, um diese eindeutig zu benennen als Ziel aller legitimen Reunionsbemühungen, die von den Katholiken entsprechend aufzugreifen sind; UR hingegen setzt an bei der Würdigung eines bereits bestehenden ökumenischen Diskurses (UR 1), in den die katholische Kirche mit ihren Prinzipien eintritt (UR 2sqq.). Methodisch ist letzteres „monistisch“ im Sinne der Softversion der oben anskizzierten Alleinverständnis-Mentalität. Und in diesem methodischen, aber eben auch nur methodischen Monismus (um bei dieser griffigen, vielleicht ein wenig überspitzenden Formulierung zu bleiben) liegt das ganze Dilemma der katholischen Beteiligung am ökumenischen Gespräch, wie es die Nachkonzilszeit prägte, begründet, mit all seinem Verwerfungen auch auf dem diplomatischen Parkett: Einerseits tut man ein wenig leisetreterisch so, als würde man durch den Eintritt in das größere Ganze des Diskurses den eigenen exklusiven Anspruch relativieren; so sagt man, Ziel sei sehr wohl eine Kirchengemeinschaft als Gemeinschaft in Bekenntnis, Liturgie und Leitung, um nicht ebenso deutlich zu sagen, was dies nach dem katholischen Dogma konkret heißt und allein heißen kann, auf welcher Linie denn auch ganz das, mindestens zweideutige, Nein zum Programm einer „Rückkehrökumene“ liegt. Andererseits kommt man, eben im Sinne der „katholischen Prinzipien“ (nach UR I), aber gar nicht umhin, zumindest nach innen die Exklusivstellung der katholischen Kirche einzuschärfen, was sachlich konsequent nur Raum für eine (Wieder-)An- bzw. Eingliederung an bzw. in die katholische Einheit zuläßt (und in diesem Sinne nur „Rückkehrökumene“): so in „Mysterium ecclesiae“, „Dominus Jesus“ etc. Und da schließlich die monistische Methode und nicht die (ohnedies sehr defensiv formulierten) katholischen Prinzipien die Breitenrezeption bestimmt haben, zumal im Pragma des kirchlichen Lebens der mehrkonfessionellen Länder, eben deshalb hat sich besagter methodischer Schwenk (vom elften Kapitel des ursprünglichen Kirchenschemas zu UR) als so unglaublich verhängnisvoll erwiesen. Vorsichtige Anfrage: Der Türspalt für den Rauch Satans, wurde er nicht hier geöffnet?
3. Monismus und Mono-Theismus
Bislang war viel vom „Monismus“ die Rede? Was macht ihn denn für entschiedene Bekenntnischristen so unannehmbar (über bereits gegebene Hinweise hinaus)? Nun, er ist der totale (konträre) Widerspruch zum biblischen Mono-Theismus. Letzterer bekennt nämlich: eine einzige, letzte, alles andere setzende wie bestimmende, aber desungeachtet von sich distanzierende Instanz, die gleichwohl geschichtlich auftritt und sich mitteilend erschließt, in einer sich selbst mitteilenden Liebe, die unausdenkbar ist (vgl. 1 Kor 2,9). Aber: Just in diesem ihrem universal-kommunikativen An-Spruch wirkt diese „Instanz“ schärfstens exklusiv, nämlich mit dem ganzen Gewicht des dreimal Allein-Heiligen (vgl. Jes. 6), wirkt sie unterscheidend, wirkt sie richtend: Wahr gegen Falsch, Licht gegen Finsternis, Gut gegen Böse, Heil gegen Unheil (vgl. Joh 3). Und so exklusiv der offenbarende Gott, so (analog) exklusiv seine bleibende Präsenz in der Heilsgemeinde. Auch hier das Prinzip der Unterscheidung: Kompromisse gibt es nicht, Auswahl („Häresie“) ist Abfall. Das ganze Alte Testament, die Geschichte des altbundlichen Gottesvolkes zeugt davon („ihr habt mit den anderen, den Götzendienern nichts zu schaffen!“). Und im Neuen setzt sich dies fort: es gibt solche, die von Gott sind, und solche, die von der Welt; und es gibt wahre und falsche Brüder, solche, die zu uns gehören, und solche, von denen sich zeigt, daß sie in Wahrheit nie zu uns gehörten. Und vor den falschen Propheten, den Irrlehrern, den Götzendienern sollen wir uns hüten. (Ich kann mir hier Einzelbelege ersparen; man sichte nur das Corpus Paulinum und das Johanneische Schrifttum.)
Wenn dies abstoßend wirkt, dann ist dies nur die Herbheit des Anspruchsvollen, besser: des mit Haut und Haar Beanspruchenden. Nur weil uns die unaussprechliche Nähe des erhabenen heiligen Gottes, der einem nur gehört („zum Genuß“), indem man ihm gehört, und zwar ganz oder gar nicht, fremd geworden ist, kann man ihm die Wohligkeit der gegenseitigen Selbstbestätigung, des All-ein-verständnisses, des All-eins-Seins als Illusion von Grenzenlosigkeit vorziehen. Wartet hinter der erschaudern lassenden Exklusivität des Höchsten („ja, nicht seine Seele gering achtet …“) die Wärme der ewigen Sonne, die als höchstes Gut allein beseligt, so lauert hinter dem „alles ist eins“ ebenso wie im „an sich = für mich“ nur die entsetzliche Leere einer Welt oder eines Ich, die bzw. das den richtenden Unterschied des Absoluten zu sich aufheben will, um so doch nur im langweiligen Einerlei ihrer Endlichkeit und Willkür gefangen zu bleiben.
Spiegelbild der Exklusivität des einen transzendenten Gottes mit seinem All-Anspruch ist die Katholizität seiner Heilsgemeinde. Und ich glaube nun, hier geht die Wasserscheide zwischen Monotheismus und Monismus mitten durch das Konzil hindurch (in bezug auf „Monismus“ gemäß obiger Präzisierungen freilich nur cum grano salis zu nehmen). Entsprechend stellt sich mir die Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ (LG) insgesamt eher als Gegenstück zu UR dar. Wenngleich LG 1 die Einigung der Menschen in Christus durch die Kirche wohl zu harmonistisch ins Verhältnis setzt zum Globalisierungsphänomen, wie überhaupt, zumal im großen Bogen von LG 13Ende bis 17, das Verhältnis zu „denen draußen“ zu irenisch bis optimistisch beschrieben wird, um von daher für den „Monismus“ von UR sozusagen ein wenig zu disponieren: LG singt (gerade von 13–17) das hohe Lied der Katholizität der Kirche, die ihren Grund im alle umfassenden Heilswillen Gottes hat. Und von dieser Katholizität her und in bezug auf sie wird das Verhältnis der Nichtkatholiken, Christen wie Nichtchristen, zur Kirche bestimmt. Bei aller irenischen Zurückhaltung: Es wird kein Unterschied zwischen der einen Kirche Christi und der katholischen Kirche gemacht, welche Kirche laut LG 15 sich auch mit jenen Christen verbunden weiß, die nicht zu den ihr „voll Eingegliederten“ (LG 14) zählen. Die zentrale Perspektive ist die der Katholizität der Kirche als Zeichen und Werkzeug (der Durchführung) des allgemeinen Heilswillens Gottes – und nicht irgendwelche Einigungsbestrebungen und ‑diskurse, und seien es die der Christen; es wird deutlich: die Katholizität der Kirche ist in Entsprechung zu Gott mit seinem umfassenden Heilswillen nicht mehr in einen größeren Horizont einschreibbar. Sicher nicht im doktrinalen Bestand, jedoch in der Methode sehe ich hier sehr wohl eine Trennscheide zwischen LG und UR hindurchlaufen. Der methodische Monismus von UR disharmoniert mit dem starken Katholizitätsbegriff von LG. – In seiner Predigt vom 24. November 2012, anläßlich der Kreierung neuer Kardinäle, hat Papst Benedikt XVI. diese Katholizität in einer schönen theologischen Meditation umschrieben und dabei in der Sache den Unterschied zum Gegenprogramm des Monismus so trefflich charakterisiert mit den Worten: „Die universale Sendung der Kirche steigt also nicht aus der Tiefe auf, sondern kommt von oben herab, vom Heiligen Geist“. Es handelt sich weder um die Manifestation eines „Tiefenstroms“ noch um das Resultat des menschlich geleisteten Diskurses der Alles- und All-ein- Verständigung, eine Leistung aus der Immanenz der (von Gott nicht unterschiedenen) Welt heraus und wieder nur in sie hinein, sondern um ein unverfügliches Ereignis von der Höhe der Transzendenz herab. „Vertikalistisch“ versus „horizontalistisch“ wird von daher transparent auf den Unterschied von monotheistisch und monistisch.
4. Der Monismus der real existenten Volkskirche
Nur: Den – vorläufigen – Sieg davongetragen hat der Monismus. Und zwar gründlich. Aus dem Monismus der Methode und problematischen Reflektierungen des Zeitgeistes auf dem Konzil ist in der nachkonziliären Kirche ein handfestes Phänomen geworden: Das All-ein-Verständnis-Paradigma hat überhandgenommen. Auf uns in Deutschland trifft dies auf jeden Fall so zu. Gerade auch an unserem Gottesdienst zeigt sich dies. Der Gottesdienst, worin gemäß Gottes Willen Er im Geist und in der Wahrheit angebetet wird (vgl. Joh 4,23sq.), ist weithin verstellt bis gar ersetzt durch eine Feier der „menschenfreundlichen Zuwendung Gottes“, worin in „angstfreier“ Atmosphäre vermittels wechselseitiger Selbstbestätigung sich „jede und jeder, so wie sie oder er ist, angenommen“ erfährt. Man kann die Polemik gegen den „Volksaltar“ auch ideologisch überziehen (auch an ihm kann sich, wenn rite et recte zelebriert wird, ein Sursum-corda ereignen): Aber er ist in der Tat das sprechendste Symbol dieserart Volkskirche, welche die zivilreligiöse Funktion übernommen hat, die auseinanderstrebenden Subjektivitäten quasi-domestikativ in das Programm wechselseitiger Respektierung einzubinden, und dies garniert mit ein wenig Kontingenzbewältigung. Und so feiert die Liturgie das Heil als Einbeziehung in das kon-kreative Miteinander. „Mahl statt Opfer“ greift hier noch zu kurz. Der zentriert stehende Tisch des Liturgen fungiert sozusagen als Kraftmittelpunkt: Heilsvermittlung ist die spirituelle Impulsierung dieses konkreativen Miteinanders, die sich vom Altar her ereignet. Mithin ist es konstitutiv für dieserart Liturgie, daß nicht nur für die Menge sichtbar (das ist noch harmlos), sondern gleichsam in sie hinein zelebriert wird. („Es muß was rüberkommen.“) Der Priester wird keineswegs funktionslos: Er ist Schamane der Allversöhnung. Entsprechend ist es auch unabdingbar, daß alle zur Kommunion zugelassen werden. Und wer sich den ganzen Kohorten abgeordneter Ministranten mit der Mission, Hände zu schütteln, verweigert, der bekommt durch scheele Blicke der Umstehenden zu spüren, daß er sich der ‚pars essentialis‘ der real existenten Volkskirchenliturgie entzogen hat.
Natürlich wird hiermit der Idealtyp einer de-re-formierten Liturgie aufs Korn genommen: jede Karikatur lebt vom Überzeichnen der charakteristischen Linien und Züge. Und so behaupte ich mit einiger Bestimmtheit, daß diese Dechiffrierung eine legitime Rekonstruktion eines Phänomens auf seine Hintergründe hin ist, die nie ganz gelingen kann: dafür entzieht sich uns die Wirklichkeit mit ihrem Geist und Ungeist zu sehr.
Aber nicht nur die Liturgie: Auf weite Strecken hin ist das kirchliche Leben, bei uns in Deutschland jedenfalls, von diesem Programm der All-Verständigung, des All-ein-Verständnisses bestimmt. Natürlich nicht, als habe die Verkündigung nur die intersubjektive Anerkennung etc. zum Thema; aber die typischen Diskussionsmaterien und Konfliktgegenstände kreisen um diesen Punkt: „Frohbotschaft statt Drohbotschaft“ = „ausgestreckte Hand statt Zeigefinger“ = Akzeptanz jeden Lebensstils statt distanzierende Konfrontation mit der Norm. – Heilssorge ist kein Thema mehr: Daß in unseren Pfarreien die Altenheime durch den Diakon und laikale Helfer etc. betreut werden, während der Pfarrer sich dort nur ab und zu mal blicken läßt, um seine Sorge mehr den künftigen zahlenden Mitgliedern (in Jugendfreizeiten etc.) angedeihen zu lassen, dahinter steht das nahezu vollständige Vergessen der Hauptaufgabe der Kirche: Gottes Ehre in der Rettung der Seelen. Man mag verschiedener Meinung darüber sein, ob das Verhalten der Kirche unter der NS-Diktatur angemessen war; bezeichnend ist nur, daß man heute nur noch mit Mühe das Motiv für eine gewisse Zurückhaltung bzw. für ein gewisses Arrangement, aus der Erfahrung des Kulturkampfes heraus, nachzuvollziehen vermag: Sicherung der (allem voran: sakramentalen) Seelsorge, da Seelsorge Heilssorge ist.
Im Gegenzug sieht man Handlungsbedarf nur in den monistisch imprägnierten Materien: So sieht man sich genötigt, etwas zu tun in Sachen „Wiederverheiratet-Geschiedene“. Daß hier unisono „liberale“ wie „konservative“ Bischöfe in allerletzter Zeit ins gleiche Horn blasen: dies gibt Anlaß zur größten Besorgnis. Schier beschämend, daß die Alarmglocken so richtig erst beim Geld schrillen: die Wahrung des Bestandes und Systems der Volkskirche mit der Basisformel „Mitglied = zahlendes Mitglied“, dem die jüngste Austrittsregelung verpflichtet ist. Und just dieses System kann, gemäß faktischer, soziologischer Gegebenheiten, nur das monistische Programm zugrunde legen: Alleinheit der Differenzen – und das einende institutionelle Element ist der Mitgliedsbeitrag. Absurd, daß damit ein System unterstützt werden soll, dem die Auto-Sezession weithin intrinsisch ist: nicht umsonst müssen Priester eine Art Interessenvertretung (um nicht zu sagen: Gewerkschaft) gründen, um in der realen Pastoral mit ihren De-facto-Gesetzen nicht in Konflikt mit ihrer Treue zur Lehre der Kirche zu kommen. Und, wie schon angeschnitten, das Dauerdebattenthema „Sakramentenspendung und Abweichung von der Lehre der Kirche in Sachen Ehe und Sexualität“ offenbart die monistische Agenda ebenso wie im Gegenzug das tiefe Unverständnis für die Grundmotive des biblischen Monotheismus, das Gegenüber der Kreatur vor dem heiligen Gott. Von daher die innere Fremdheit gegenüber Fundamentalstücken christlich-katholischen Glaubens und Lebens, wie z.B. die Theonomie der Moral und die erforderliche Disposition zum fruchtbaren Sakramentenempfang, während „sakrilegische Kommunion“ in dieser Volkskirche ein Unwort ist, da dies keinen Sitz im Leben mehr hat. – Diese Auto-Sezession, wonach weithin unausgesprochene De-facto-Maxime den nominell katholischen Anspruch überlagern und die zur konkreten Gestalt unserer Volkskirche gehört, beruht schlicht auf dem Gegensatz zwischen Monismus und Monotheismus; näherhin: sie beruht auf der tragischen Verwechslung der Katholizität der Kirche als derjenigen des einen, alles und alle an sich ziehen wollenden, Gottes mit dem monistischen Allverständigungs- und Allversöhnungsprogramm. Damit ist der Kirche in ihrem konkreten Leben ein zersetzender Fremdkörper eingetragen.
„Die Konzilskirche ist eine schismatische Kirche“: Dieser berühmte Vorwurf Erzbischof Lefebvres erfährt damit in erschreckender Weise eine Verifikation ganz eigener Art. Das ist meinerseits nicht als distanzlose Hommage gedacht. Allein: Paßt die hier versuchte Dechiffrierung des nachkonziliären Dilemmas unter dem Stichwort „Monismus versus Monotheismus“ zum Konflikt um diesen Gottesmann nicht schier wie der Schlüssel ins Schloß? Mag man über Art und Weise, konkretes Handeln etc. noch so streiten beziehungsweise daran noch so viel zu monieren haben: Das Anstößige und für viele Abschreckende an Marcel Lefebvre ist schwerlich erklärbar ohne das, was er leidenschaftlich vertrat: den wasserdichten Mono-Theismus, der ohne die ihm eigene Steilheit nicht zu wahren ist. Und so wurde dieser Mann zur faktischen Verkörperung des monotheistischen Protestes gegen die monistische Verwässerung, Verfälschung und Zersetzung. Der Streit um Assisi ist das sprechendste Beispiel wie aber auch nur die greifbarste Zuspitzung dieses Konflikts.
5. Exodus?
Das All-Einheits-Denken („hen kai pan“ / „eins und alles“) wird gerne, zumal erneut in jüngerer Zeit durch die Diskussion um Jan Assmann, mit dem alten Ägypten in Verbindung gebracht. Mehr als bemerkenswert, daß das monistische Programm, festgemacht an der Diagnose eines „Tiefenstroms“ in Geschichte und Gegenwart, in der aktuellen philosophisch-theologischen Debatte der deutschsprachigen katholischen Geisteswelt prominente Vertreter gefunden hat: ein Wortführer der Memorandisten von 2011 ist hier federführend. Findet in diesem Regreß nach Ägypten nicht ein schon lange virulenter Geist zu sich selber? Was hier auf hohem Niveau akademischen Diskurses durchexerziert wird, ist in größerer oder geringerer Dichte im Leben von Kirche und Theologie, unausgesprochen-atmosphärisch, schon lange präsent; es besteht schon der Verdacht eines schleichenden Paradigmenwechsels, der resistent ist gegen alle Korrekturversuche. (Auch auf die Gefahr hin, in der Polemik zu überzeichnen:) „Selbstbewußte Subjektivität“, die sich vom Absoluten im letzten nicht unterscheiden mag: das liegt inzwischen so ziemlich allen im Blut. Von daher auch die Standardphrasen wie: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß Jesus jemanden ausgeschlossen, verurteilt hätte etc.“; kein Wunder, wenn man sich keinen Jesus mehr vorstellen kann, der mit Gottes unerbittlichem Anspruch konfrontiert, in das Gegenüber zum heiligen Gott ruft. (Vgl. dagegen Mt 5,17–20 / 7,6 / 11,20–24 / 18,17 / 22,13 / 26,39; Lk 17,7–10)
Um so aktueller die Weihnachtsbotschaft in ihrer eher etwas befremdenden Variante: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“: Mt 2,15. Der ewige Sohn als Mensch, als ein Menschenkind Gewordener: Erneut besucht Er sein Volk in der Knechtschaft Ägyptens – wie ein neuer Moses geht er seinem Volk voran, führt es heraus aus Ägypten, dem Ort des falschen Gottesdienstes, der Götzen, hinein in die Region des wahren Kultes des einen und einzigen, weltenthobenen Gottes, eine „Region“, die jetzt nicht mehr territorial begrenzt ist, sondern universal: das neue Volk Gottes ist katholisch (cf. LG II). Den Exodus des Sohnes mitzugehen: dazu ist seine Kirche berufen. Den Exodus weg von den Fleischtöpfen und heraus aus der Eingeborgenheit einer „Gottes“-Verehrung, die nichts abverlangt, die nicht persönlich einfordert; hinaus in die erhabene Herbheit des hohen Dienstes des einen, wahren und heiligen, Gottes.
Aber just hier gilt es, ein Gedankenexperiment zu wagen: Ist diese Kirche, wie wir sie konkret organisiert – zumal bei uns in Deutschland – vorfinden, diese „ecclesia popularis“ überhaupt noch reformierbar? Hat sich nicht das antikatholische, mehr oder minder monistische Gegenprogramm reingefressen wie Rost? Das Schicksal der Freiburger Rede des Papstes spricht seine eigene Sprache … Wohlgemerkt: Ich unterscheide zwischen „Institution“ und „Organisation“, eine Differenzierung, die z.B. in der ganzen Kirchensteuerdebatte übergangen wird. Die Institution, einschließlich des geltenden Kirchenrechts, ist nicht das Problem, die Organisation sehr wohl. Und Strukturdebatten sind sicher nicht alles: Aber was, wenn die Organisation den Geist unterdrückt, zumal sie sich paradoxerweise schon kontrafaktisch zur Institution verhält (in der Schweiz zum Beispiel ist dies noch viel greifbarer)? Will mich vor ungerechten Pauschalurteilen hüten: aber den Eindruck habe ich schon, daß bei uns zunehmendst mehr die Netzwerke entscheiden, wer in Kirche (und Theologie) „etwas wird“. Wer nicht irgendwie Mann des Apparates ist, wird kein Bischof; und sei es, daß die selektiven Meschanismen der Personalrekrutierung rechtzeitig verhindern, daß bei Ernennungen auf ihn zurückgegriffen werden kann. – Und so kommt es, daß auf weite Strecken sich eine merkwürdige Diskrepanz breit macht zwischen den (zahlenmäßig nicht sehr starken) entschiedenen und bekenntnistreuen Katholiken und der Hierarchie mit Bischöfen, denen diese besonders Frommen lästig, wenn nicht ein Dorn im Auge sind. Und überhaupt ist der Unterschied zwischen „liberalen“ und „konservativen“ Bischöfen (einmal abgesehen von seinem Recht) zu einer bloßen Stilangelegenheit degeneriert; er fängt an, unkenntlich zu werden. Und so haben mittlerweile die etwas markanteren Wortmeldungen „konservativer“ Bischöfe denselben Stellenwert wie die Rede eines CSU-Politikers vor dem Sudetendeutschentag. In diesem Zuge artikuliert die Rede von „den Bischöfen“ nicht selten ein Ressentiment: man assoziiert damit nichts Gutes; das Bild vom guten Hirten, der auftritt wie ein tapferer Gottesmann und vor dem Wolf nicht flieht, das verbindet man mit dieser Vokabel längst nicht mehr. Aber diese Dichotomie zwischen bekenntnistreuem Katholizismus und Hierarchie ist ungesund, äußerst ungesund. Was aber, wenn die episkopale Rückbindung unabdingbar ist, da die Kirche, in der Nachfolge der Apostel, unaufgebbar bischöflich verfaßt ist?
Da bleibt nur eine kühne Idee: Das Konzept des Personalordinariats oder ähnlich, das man im Zusammenhang mit der FSSPX ins Spiel gebracht hat, gehört weit darüber hinaus erwogen. Das Territorialprinzip ist zwar unaufgebbar, aber nicht unaufgebbar exklusiv – subsidiär sind auch andere Rückbindungen an die episkopale Leitung der Kirche denkbar. Im Rahmen solcher Personalordinariate müßten dann verschiedene Gruppierungen und Bewegungen koordiniert werden, von neuen geistlichen Gemeinschaften bis zu den „traditionalistischen“ Vereinigungen. Keine Frage, daß hier noch so mancher engstirnige Gruppenegoismus in die Catholica eingeschmolzen werden müßte. – Und damit soll die konventionell organisierte Kirche nicht zu einer Kirche zweiter Klasse abqualifiziert werden, beziehungsweise nicht diejenigen in ihr, die darin der wahren Kirche Christi, dem Glauben und dem Heil der Seelen treu dienen. Aber Hinweise auf die Einheit der Kirche bzw. die Eintracht in ihr haben ihren Sinn verloren, wenn der Apparat die genuin einheitsstiftenden Momente enerviert, gar unterdrückt: das unzweideutige Bekenntnis desselben unverkürzten Glaubens in Wort und Praxis, die Zelebration der Liturgie und des Sakramentenempfangs nach der Ordnung und Weisung der Kirche etc. – Widerstand muß uns keine Angst einjagen; es heißt nicht umsonst: „Und Ich werde das Herz des Pharao verhärten, und er wird sie verfolgen“ (Ex 14,4).
Und so bleibt noch eine letzte, wichtige Bedeutung einer solchen hier vorgeschlagenen Neuorganisation parallel zum Apparat der Volkskirche: Es gilt, den Exodus vorzubereiten, nämlich für den inzwischen immer realistischer werdenden Ernstfall: daß nämlich diese Volkskirche sich gar nicht mehr von ihrem Monismus hin zum katholischen Monotheismus bekehren mag, sprich: kann und will. Es spricht manches dafür, daß da längst eine Krankheit zum Tode im fortgeschrittenen Stadium virulent ist …
Bei Gott, dies ist kein Aufruf zum Schisma; vielmehr rechne ich ernsthaft damit, daß die ‚ecclesia popularis (teutonica)‘ ihrerseits zumindest in weiten Teilen definitiv schismatisch werden könnte …
Monismus und Panerotismus sind Geschwister: ein Zusammenhang, der sich spontan nahelegt. Der alles ineinander zerfließen lassenden Alleinheit ist Keuschheit, ist „con-tinentia“ innerlich fremd. Von daher sind die Standardthemen unserer monistischen Volkskirche derselben viel ursprünglicher eigen, als obige Plausibilisierung über den „Subjektivismus“ nahelegt. Aber vom Fleisch bestimmt zu sein und vom Geist Christi, das geht nicht zusammen, wie der heilige Paulus eindeutig lehrt, nur die letzteren sind Gottes Söhne und Töchter (Röm 8,12–15; Gal 5,18–23).
„In das Eigene ist Er gekommen, und die Seinigen haben ihn nicht aufgenommen. Und wie viele auch immer ihn aufgenommen haben, ihnen gab er die Vollmacht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben; die nicht aus dem Blut und auch nicht aus dem Willen des Fleisches und nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“: Joh 1,11–13. – Welcher Platz ist für Ihn? Welcher Platz für die Seinigen?
Dr. theol. Klaus Obenauer ist Privatdozent an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn.
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„Aber vom Fleisch bestimmt zu sein und vom Geist Christi, das geht nicht zusammen, wie der heilige Paulus eindeutig lehrt, nur die letzteren sind Gottes Söhne und Töchter (Röm 8,12–15; Gal 5,18–23).“
Das ist die Mutter aller Schlachten. Der Geist muß das Fleisch besiegen auch wenn es übermächtig sich präsentiert. Wenn der zölibatär lebende Priester als Vorbild wegbricht dann gibt es kein Halten mehr. Diese sexualisierte Gesellschaft läßt den gläubigen Katholiken kaum noch Luft zum atmen vor Christus.
Per Mariam ad Christum.
Damals,ab 1962, ich war jung und unbedarft, haben wir alle in der Gemeinde nicht durchschaut, was in Rom ablief. Durch die Medien erfuhr ich: Da läuft ein spannender Kampf ab zwischen „einer alten und einer neuen Zeit“, einer alten, erstarrten Kirche und einer jungen, evangeliumsgemäßen Kirche. Ich entschied mich für „das Evangelium“. Der Protagonist des Alten, Erstarrten, war eindeutig Kardinal Ottaviani, das Feindbild schlechthin. Es wurde erst abgelöst vom Papst mit seiner „schrecklichen“ Enzyklika „Humanae vitae“. „Zum Glück“ erhob die DBK die Gewissensfreiheit zur obersten Instanz.
Über Erzbischof Lefebvre zerbrach ich mir nicht den Kopf. Das war zu mysteriös. Wie man dem „ultrakonservativen Papst“ als „ultrakonservativer Erzbischof“ nicht gehorchen konnte, das war jenseits allen Verstehens.
Rücklickend: Es war eine einzige Zeit der Desinformation. „Ultrakonservativer Papst“, lächerlich. Dieser Papst hatte entscheidend mitgewirkt, dass die Bischofskonferenzen so mächtig wurden.
Fortsetzung:
Er war traumatisiert und verfasste keine Enzyklika mehr. Diejenigen, die er während des Konzils gefördert hatte, die „fortschrittlichen Bischöfe“, fielen ihm in den Rücken. Der Anfang vom – vorläufigen – Ende der päpstlichen Autorität war spürbar. Die Gewissensfreiheit stand über der kirchlichen Lehre, die Stimme des Papstes war nur eine Stimme unter vielen. Die Theologen hatten längst das Heft in die Hand genommen, die ehemaligen Periti des Konzils ersetzten das Lehramt weitgehend.
Wenn ich in den Semesterferien nach Hause kam, fand ich die Gemeinden einfach nur „zurückgeblieben“. Warum weinte meine Mutter über den „Volksaltar“, warum lästerten andere gegen die neuen Altartische „die Konzilskiste“, das „Montini-Tischchen“? Ich habe es spät begriffen.
Es wird zu einer Spaltung kommen, sie besteht de facto schon. Ausschließen, dass unser katholische Glaube bei uns überwiegend in Prioraten der FSSPX überleben und weitergetragen wird, kann ich nicht mehr.
Eine kluge Analyse, die zum Weiterdenken anregt.
Was ist das, „Geist des Konzils“, und wie zeigt es sich?
Wenn alles eins sein soll und keine Unterscheidung mehr sein soll, dann ist der Mensch auch nicht mehr die Krone der Schöpfung. Er steht der Schöpfung als Wesen dann nicht mehr gegenüber und ist somit nicht mehr im Bilde Gottes. Und hat der Papst nicht die Krone abgesetzt – oder hat er sie gar verloren? Sie ist nur noch schattenhaft vorhanden, passt nicht mehr in die Zeit, wird gesagt.
Der Glaube, der gegen jede menschliche Erfahrung und Erkenntnis standhält, scheint bei vielen Menschen zu schwinden. Das ist so traurig.
Aber um im Bilde Ägyptens zu bleiben: der Herr rettet sein Volk, das seine Heimat nicht vergessen hat, wenn auch unter Qualen und Plagen. Das ist die große Hoffnung.
(1) Ein wichtiger Gesichtspunkt wird angesprochen. Die übertriebene Anstrengung, einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist nicht gut. Wir befinden uns in einer Epoche der Individualisierung. Menschen fühlen sich nicht mehr als Mitglieder von Gruppen, sondern als abgetrennte Persönlichkeiten. Mit Gruppen oder Körperschaften geht ähnliches vor sich. Es ist nur schwerer zu beobachten als bei den einzelnen Menschen.
Wenn der Versuch, einen gemeinsamen Nenner zu finden, die Kirche zerbricht, dann gibt es innerhalb der Institution Kirche einzelne Bereiche, die nicht mehr zusammengehören können. Es strebt etwas auseinander und mit Gewalt versucht man es zusammenzuhalten. Das ist die Dynamik des 2. Vatikanums. Aufbruchsstimmung ja, aber kein Aufbruch in eine neue Zeit, wie alle annahmen, sondern Aufbruch im Sinne von Auseinanderstreben.
(2) Da der unveränderliche Kern der Kirche die heilige Liturgie ist, kann man sie als einen unteilbaren Teil der Kirche ansehen. Die Liturgie ist die Mitte. Im Vatikanum hat man dann versucht, weitere Teile mit der Liturgie zusammenzuhalten, die nicht mehr dazugehören sollten.
Da gibt es das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Statt zu sagen, wir lassen den Sohn ziehen, vielleicht freuen wir uns umso mehr, wenn er zurück kommt. Der Vater der Familie hat sich ja umso mehr gefreut, weil sein Sohn aus Eigenständigkeit und freiem Willen zurückgekommen ist. Nein, man hat gesagt, wir ketten den verlorenen Sohn an den Familienstamm.
Welche Teile von der Kirche wegstrebten, kann durch eingehende Betrachtung gefunden werden. Allein ein Blick auf die theologische Priesterausbildung an den Universitäten zeigt ja schon, hier ist ein Teil verlorengegangen. Wer die verschiedenen verlorenen Söhne sind und wo sie gefunden werden können, innerhalb, oder schon außerhalb der Kirche, ist die Frage.