(Rom) Der katholische Intellektuelle und Kirchenhistoriker Roberto de Mattei wirft die Frage auf, ob sich der neue Präfekt der Glaubenskongregation, Kurienerzbischof Gerhard Ludwig Müller in der Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils gegen Papst Benedikt XVI. stellt. In einem „erstaunlichen“ Beitrag im Osservatore Romano vom 29. November 2012 (Seite 5) erhob Kurienerzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation das Zweite Vatikanische Konzil gewissermaßen „zum einzigen und absoluten Dogma unserer Zeit“, so de Mattei. Erzbischof Müller bietet in dem Beitrag eine ganz persönliche Lesart der berühmten Ansprache Benedikts XVI. an die Römische Kurie vom 22. Dezember 2005 zur „Hermeneutik der Erneuerung in der Kontinuität“. Der Glaubenspräfekt bezeichnet sie als „einzig mögliche“ Interpretation, um hinzuzufügen, daß neben dieser Interpretation „leider“ auch eine „häretische Interpretation“ existiert, nämlich eine „Hermeneutik des Bruchs“ und das sowohl auf der Seite der Progressisten als auch auf jener der Traditionalisten. Beide seien sich in der „Ablehnung des Konzils“ einig, so Müller. Die Progressisten, weil sie es einfach hinter sich lassen möchten, als wäre es ein abgeschlossenes Kapitel, um zu einer „anderen Kirche“ zu gelangen. Die Traditionalisten, weil sie nie dort ankommen möchten, so als wäre das Konzil der Winter der Kirche.
Stellt sich Kurienerzbischof Müller mit „persönlicher“ Interpretation des Konzils gegen Papst Benedikt XVI.?
Zur Unterstützung seiner „Dogmatisierung“ konstruiere Erzbischof Müller eine „absolute Kontinuität“ zwischen der heutigen Position des Papstes und jener Joseph Ratzingers, des jungen Konzilstheologen von Kardinal Frings. Msgr. Müller verschweige dabei fünf Jahrzehnte der theologischen Entwicklung und Vertiefung des Theologen, Erzbischofs und Kardinals Ratzinger. Wie willkürlich das Ausklammern dieser theologischen Entwicklung ist, beweise, so de Mattei, eine nicht minder erstaunliche Tatsache: Im vom Erzbischof Müller betreuten deutschen Gesamtwerk Joseph Ratzingers fehlt die wichtige Rede des Kardinals Ratzinger an die Bischöfe Chiles vom 13. Juli 1988. Darin bezeichnete der Kardinal es als
„einfache Tatsache, daß nicht alle Dokumente des Konzils den gleichen Rang haben“.
Er stellte zudem fest:
„Das Zweite Vatikanische Konzil behandelt man nicht als Teil der lebendigen Tradition der Kirche, sondern direkt als Ende der Tradition und so, als fange man ganz bei Null an. Die Wahrheit ist, daß das Konzil selbst kein Dogma definiert hat und sich bewußt in einem niedrigeren Rang als reines Pastoralkonzil ausdrücken wollte; trotzdem interpretieren es viele, als wäre es fast das Superdogma, das allen anderen die Bedeutung nimmt.“
Wichtiges Dokument fehlt im Konzilsband der Gesammelten Schriften Joseph Ratzingers
Kardinal Ratzinger weiter:
„Dieser Eindruck wird besonders durch Ereignisse des täglichen Lebens verstärkt. Was früher als das Heiligste galt – die überlieferte Form der Liturgie – scheint plötzlich als das Verbotenste und das Einzige, was man mit Sicherheit ablehnen muß. Man duldet keine Kritik an den Maßnahmen der nachkonziliaren Zeit; wo aber die alten Normen oder die großen Glaubenswahrheiten – zum Beispiel die leibliche Jungfräulichkeit Marias, die körperliche Auferstehung Jesu, die Unsterblichkeit der Seele etc. – im Spiel sind, da reagiert man entweder überhaupt nicht, oder nur in extrem abgeschwächter Form. Ich selbst habe als Professor sehen können, wie selbst der Bischof, der vor dem Konzil einen einwandfreien Professor wegen seiner etwas ungehobelten Reden ablehnte, sich nach dem Konzil nicht in der Lage sah, einen anderen Professor abzulehnen, der offen einige fundamentale Glaubenswahrheiten leugnete. Das führt bei vielen Menschen dazu, daß sie sich fragen, ob die Kirche von heute wirklich noch die gleiche ist wie gestern, oder ob man sie nicht ohne Warnung gegen eine andere ausgetauscht hat. Der einzige Weg, das Vatikanum II glaubwürdig zu machen, besteht darin, es klar als das darzustellen, was es ist: ein Teil der ganzen und einzigen Tradition der Kirche und ihres Glaubens.“
Ausgerechnet eine so grundlegende Analyse des Zweiten Vatikanums, der damit verbundenen Erwartungen und der Realität seiner Folgen fehlt im dem Konzil gewidmeten Band der von Erzbischof Müller verantworteten „Gesammelten Schriften“ Joseph Ratzingers, so de Mattei.
Konzil an seinem eigenen Anspruch messen – Benedikt XVI. spricht von „geistlicher Wüste“
In seiner Predigt in der heiligen Messe zur Eröffnung des Jahrs des Glaubens am 11. Oktober 2012 sprach der Papst von der heutigen Welt als einer „geistlichen Wüste“. Benedikt XVI. wollte, daß die Eröffnung des Jahrs des Glaubens mit dem 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils zusammenfiel und erklärte dazu:
„Wenn die Kirche heute ein neues Jahr des Glaubens und die neue Evangelisierung vorschlägt, dann nicht, um ein Jubiläum zu ehren, sondern weil es notwendig ist, mehr noch als vor fünfzig Jahren! Und die Antwort auf diese Notwendigkeit ist dieselbe, die von den Päpsten und Vätern des Konzils beabsichtigt war und die in den Dokumenten enthalten ist. […] In diesen Jahrzehnten ist eine geistliche ‚Verwüstung‘ vorangeschritten. Was ein Leben, eine Welt ohne Gott bedeutet, konnte man zur Zeit des Konzils bereits aus einigen tragischen Vorfällen der Geschichte entnehmen, heute aber sehen wir es leider tagtäglich in unserer Umgebung. Es ist die Leere, die sich ausgebreitet hat. Doch gerade von der Erfahrung der Wüste her, von dieser Leere her können wir erneut die Freude entdecken, die im Glauben liegt, seine lebensnotwendige Bedeutung für uns Menschen. In der Wüste entdeckt man wieder den Wert dessen, was zum Leben wesentlich ist; so gibt es in der heutigen Welt unzählige, oft implizit oder negativ ausgedrückte Zeichen des Durstes nach Gott, nach dem letzten Sinn des Lebens. Und in der Wüste braucht man vor allem glaubende Menschen, die mit ihrem eigenen Leben den Weg zum Land der Verheißung weisen und so die Hoffnung wach halten.“
Benedikt XVI.: „Dafür bedurfte es nicht eines Konzils“
Benedikt XVI. erinnerte zudem daran, wie Johannes XXIII. das Hauptziel des Konzils darstellte:
„Dies betrifft in höchstem Grade das Ökumenische Konzil: daß das heilige Gut der christlichen Lehre bewahrt und in wirksamerer Form weitergegeben wird […] Das Hauptanliegen dieses Konzils ist also nicht die Diskussion über das eine oder andere Thema der Lehre … Dafür bedurfte es nicht eines Konzils … Es ist nötig, daß diese sichere und unveränderliche Lehre, an der in Treue festgehalten werden muß, vertieft und in einer Weise vorgetragen wird, die den Erfordernissen unserer Zeit entspricht.“
Das „Proprium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Nachkonzilszeit war daher, so de Mattei, nicht „dogmatisch“, sondern „pastoral“, wie Benedikt XVI. beim selben Anlaß zum Konzil darlegte:
„Was den Gegenstand des Glaubens betrifft, hat sich das Konzil nichts Neues ausgedacht, noch hat es Altes ersetzen wollen. Es hat sich vielmehr darum bemüht dafür zu sorgen, daß derselbe Glaube im Heute weiter gelebt werde, daß er in einer sich verändernden Welt weiterhin ein gelebter Glaube sei. […] Die Konzilsväter wollten den Glauben wieder wirkungsvoll präsentieren; und wenn sie sich zuversichtlich dem Dialog mit der modernen Welt öffneten, so geschah dies, weil sie sich ihres Glaubens, des sicheren Felsens, auf dem sie standen, sicher waren. In den darauffolgenden Jahren haben hingegen viele die herrschende Mentalität ohne Unterscheidungsvermögen angenommen und die Fundamente des depositum fidei selbst in Frage gestellt, die sie leider in ihrer Wahrheit nicht mehr als geeignet empfanden.“
Joseph Ratzinger: Entwicklungen seit dem Konzil „in eklatantem Widerspruch zu den Erwartungen“
Die Notwendigkeit, eine neue Sprache für die Welt zu finden, entsprang dem Wunsch, den Glauben auszubreiten und konnte auch nur diesem Wunsch erwachsen, so de Mattei. Aus diesem Grund sei auch anhand der konkreten Ergebnisse zu beurteilen, ob die Mittel zur Erreichung dieses Ziels geeignet und angemessen waren. „Die Fakten der vergangenen fünfzig Jahren sagen uns, leider, daß das Konzil die Ziele, die es sich selbst gesteckt hatte, nicht erreicht hat, wie Kardinal Joseph Ratzinger selbst 1985 im berühmt gewordenen Buch Zur Lage des Glaubens erklärte“, so de Mattei.
„Es ist unbestreitbar, daß die letzten zwanzig Jahre für die katholische Kirche äußerst negativ verlaufen sind. Die Entwicklungen seit dem Konzil scheinen in eklatantem Widerspruch zu den Erwartungen aller, angefangen von Johannes XXIII. und Paul VI., zu stehen. Die Christen sind von neuem eine Minderheit, mehr als sie es seit der ausgehenden Antike je gewesen sind. […] Man hatte sich einen Schritt nach vorn erwartet, und man fand sich einem fortschreitenden Prozeß des Verfalls gegenüber, der sich weitgehend im Zeichen der Berufung auf einen angeblichen ‚Geist des Konzils‘ abgespielt und dieses damit immer mehr diskreditiert hat.“
De Mattei: Konzilsdokumente nicht nachträglich „dogmatisieren“, sondern im Licht der Tradition prüfen
Das Konzil könne nicht nur auf die Dokumente reduziert werden, so de Mattei. Die Historiker haben bereits mit der Erforschung und der Analyse des Konzils in seinem Kontext begonnen. Die Dokumente des Konzils seien nicht zu „dogmatisieren“, sondern mit kritischem Geist im Licht der Tradition zu prüfen, wie Papst Benedikt XVI. dies im Vorwort zum genannten Konzilsband der deutschen Ausgabe seiner Gesammelten Schriften anregt.
Darin führt Benedikt XVI. verbunden mit der Einladung, die Dokumente des Zweiten Vatikanums erneut zu lesen, aus, daß die Konzilskonstitution Gaudium et Spes nicht imstande war zu klären, was an der Moderne essentiell und konstitutiv ist. Hinter der vagen Formulierung „Welt von heute“ gehe es, so der Papst, um das Verhältnis zur modernen Zeit. Um dieses zu klären, wäre es notwendig gewesen, besser zu definieren, was denn an der modernen Zeit essentiell und konstitutiv ist. „Das ist im Schema XIII nicht gelungen.“ Wenn die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes auch viele wichtige Dinge zum Verständnis der „Welt“ zum Ausdruck bringe und bedeutende Beiträge zur Frage der christlichen Ethik liefere, sei sie nicht imstande gewesen, zum Verhältnis zur modernen Welt eine substantielle Klärung zu bieten, so Benedikt XVI. in seinem Vorwort.
Gaudium et Spes ist „überholt“, da von Fortschrittsmythos und mondänem Geist durchdrungen
„Das Zweite Vatikanische Konzil ist nicht ein ‚Paket‘, das man als Ganzes entweder nimmt oder zurückweist. Gaudium et Spes zum Beispiel erscheine heute wie ein nicht mehr aktuelles, überholtes Dokument, da es vom Fortschrittsmythos des 19. und 20. Jahrhunderts durchdrungen ist und getränkt von jenem mondänen Geist, von dem sich die Kirche so schwer tut, sich zu befreien“, so Roberto de Mattei.
Zu den zur Bischofssynode in Rom versammelten Bischöfe sagte Papst Benedikt XVI. am 8. Oktober 2012 in einer Meditation:
„Der Christ darf nicht lau sein. Die Apokalypse sagt uns, daß dies die größte Gefahr für den Christen ist: nicht »nein« zu sagen, sondern ein sehr laues »Ja«. Diese Lauheit bringt das Christentum geradezu in Mißkredit. Der Glaube muß in uns zur Flamme der Liebe werden, zur Flamme, die wirklich mein Dasein in Brand setzt, zur großen Leidenschaft meines Daseins wird und so auch den Nächsten entflammt. Das ist die Vorgehensweise der Evangelisierung: »Accéndat ardor proximos«, daß die Wahrheit in mir zur Liebe werde und die Liebe wie ein Feuer auch den anderen entflamme. Nur wenn der andere entflammt wird durch die Flamme unserer Liebe, wächst die Evangelisierung, die Gegenwart des Evangeliums, das nicht mehr nur Wort ist, sondern gelebte Wirklichkeit.“
Appell des Papstes an alle Gläubigen laute: Nicht zurück zum Konzil, sondern zu Jesus Christus
„Die Christen müssen heute dem Appell des Papstes folgen, indem sie auf radikale Weise die Unverkürztheit ihres Glaubens bezeugen. Das ist der Weg, den Benedikt XVI. allen Gläubigen aufzeigt, angefangen bei den Bischöfen: nicht eine Rückkehr zum Zweiten Vatikanischen Konzil, sondern zu Jesus Christus, der einziger Weg, Wahrheit und Leben ist“, so der Kirchenhistoriker und bekannte katholische Intellektuelle Roberto de Mattei.
Text: CR/Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Herr Nardi, danke für diesen Beitrag. Auch wenn es geradezu schmerzt, diese Zeilen zu lesen.
Ich weiß, Jan: Nicht jammern, zum Rosenkranz greifen und beten. Und zum Erzengel Michael ebenfalls, möchte ich hinzufügen…
Als ich von der Berufung Msgr. Müllers in die Glaubenskongregation erfuhr, hatte ich so meine Befürchtungen. Sie scheinen sich leider zu bestätigen!
Sehr schön Cuppa,
alles jammern, argumentieren und diskutieren hilft uns nicht
den katastrophalen Niedergang unserer hl. Kirche und Gesellschaft
aufzuhalten.
Das Reich Christi wird erst kommen, wenn man die vollkommene Hingabe
an die Königin des Himmels in der Welt kennen wird.
Maria ist es, die dem Kommen des Reiches unseres Herrn Jesus Christus
den Weg bereiten wird, wie bei seinem ersten Kommen.
Der hl. Geist wird Wunder der Gnade wirken, wenn er Maria in den Seelen findet.
Ein sehr guter Beitrag über die angegebenen Texte von Se. Em. Kard. Ratzinger.Dieser könnte eine Schlüsselpositon zur Annahme des Konzils und gleichzeitig dessen Rezeption desselben. Dies ist meines Erachtens ein guter Weg um auch die Einheit mit den Gruppen der Tradition zu verwirklichen, die leider noch in einigen Punkten vom Hl. Vater getrennt sind.
Warum ließ Erzbischof Müller eine so grundlegende Rede in den Konzilsschriften Joseph Kardinal Ratzinger´s unberücksichtigt?
War es ein Versehen? Wohl kaum!
War es Absicht? Ich möchte ihm keine unlauteren Motive unterstellen.
Was wäre dann das dahinterliegende Motiv?
Ich frage aber auch nach der Absicht Roberto de Mattei´s.
Ich hoffe nicht, dass er einen Keil zwischen Papst Benedikt und seinen Präfekten treiben möchte.
Na Prima! – Anscheinend sieht Erzbischof Müller die pragmatische Lösung der Wahrheitsfrage darin, zwischen zwei gegensätzlichen, sich gleichermaßen katholisch behauptenden Positionen, der Einfachheit halber eine dritte zu statuieren. (Und die muss ja dann gezwungenermaßen die „wahre“ katholische Kirche sein, weil es doch Erzbischof Müller ist, der das behauptet. Das Motto des Lehramt nach dem Konzil ist und bleibt eben: „ICH will aber!“)
Vielleicht ist der Papst zu alt, um sich noch wehren zu können. Vielleicht will er sich aber auch nicht wehren. Was hier gespielt wird, werden wir höchstwahrscheinlich erst am Jüngsten Tag erfahren. Keiner von uns hat das Lehramt, aber das Lehramt versagt. Das ist alles, was wir wissen. Manchmal frage ich mich, ob das Wort von Matt. 24,22 von der „Abkürzung der Tage um der Heiligen willen“ nicht auch auf diese Glaubensverwirrung zutrifft.
kann mir wer sagen, warum immer der Glaubensabfall wegen – und nicht trotz – des Zweiten Vatikanischen Konzils als geschehend dargestellt wird?
Bischof Alfonso de Galarreta hat bei seinem Vortrag am 13. Oktober 2012 bestätigt, dass Bischof Fellay auf seine Anfrage vom Papst u. a. die Forderung erhalten hat, anzuerkennen, dasss das II. Vatikanum in perfekter Übereinstimmung mit der Tradition stehe und dass man es deshalb akzeptieren müsse.
Dann ist eine Diskussion über das II. Vatikanum nicht mehr möglich, weil kein Bruch mit der Tradition besteht. Das Konzil, das kein einziges Dogma definiert hat, ist demnach ein einziges Dogma. Trotz seiner teils in sich widersprüchlichen Texte. Zwischen dem Papst und dem Glaubenspräfekten besteht kein Widerspruch mehr.
Eine Antwort auf Fragen des Generaloberen der FSSPX ist kein öffentliches Lehrschreiben. Es ist aber auch nicht Nichts. Und diese Antwort ist für die ganze Kirche extrem wichtig. Vom Papst selbst. Die rauchenden Köpfe der Theologen, die sich mit den verschiedenen Hermeneutiken des Konzils befassen, seien geehrt.
Doch sie ersetzen das Wort des Papstes nicht.
Die Einordnung des Konzils in den geschichtlich-theologischen Kontext durch den „Mozart der Theologie“ erscheint klar, hellsichtig und hat eine geradezu befreiende Wirkung, während der Standpunkt Müllers dem alten Denken der Nachkonzilszeit verhaftet zu sein scheint. Diese peinlich überlebte Konzilsrezeption legt sich allerorten wie Mehltau auf das neu erwachende Selbstverständis des Katholischen. Welch eine Erneuerung des Glaubenslebens könnte dieses Pontifikat der Kirche schenken, wenn es an der Kurie und in den Bistümern mehr Männer vom geistigen Format Benedikts gäbe, die bereit wären, dessen Kurs offensiv und kreativ zu unterstützten, anstatt ihn auszubremsen und ihn gemäß den Denkvorgaben einer „theological correctness“ zurechtzustutzen .
Fortsetzung:
Ohne ein öffentliches Lehrschreiben des Heiligen Vaters sehe ich bald keinen Sinn mehr in weiteren Diskussionen. Danach werden sie allerdings auch nicht beendet sein. Langsam glaube ich, dass das II. Vatikanum eine der schwersten Heimsuchungen der Kirche war.
Veni, Sancte Spiritus…
Ich bezweifle, dass Msgr. Galarreta es so dargestellt hat, denn so wurde des vom Heiligen Vater wohl kaum geäußert. Letztlich kann es ja nur heißen, dass das Konzil im Licht der Tradition zu prüfen ist und die „perfekte Übereinstimmung“ sich nur daraus ergeben kann. Das Konzil ist ein Teil der Kirchengeschichte, als solches ist es zu akzeptieren, eben als das, was sich die Konzilsväter vorstellten und daran ist es auch zu messen. Papst Benedikt XVI. hat es bereits als Glaubenspräfekt treffsicher dargelegt.
Vielleicht wird die Rede vor den chilenischen Bischöfen ja in einem anderen Band der Gesammelten Schriften „nachgereicht“!?
Gut wäre es schon, wenn aus unberufenem Mund eine solche Empfehlung erlaubt ist, wenn Erzbischof Müller weniger im Stil eines deutschen Bischofs mit den Medien reden würde und mehr als Präfekt der heiligen Kongregation für die Glaubenslehre. Auch darin sollte ihm der Papst als Amtsvorgänger ein Vorbild sein.
Beten wir für unseren Papst und Erzbischof Müller.
@Montsalvage
die Aussage von Weihbischof de Galarreta ist wiedergegeben im Mitteilungsblatt des deutschen Distrikts der Piusbruderschaft Dezember 2012, Seite 9. Sie können höchstens die richtige Übersetzung bezweifeln, ich teile diese Zweifel nicht. Zumal sich Weihbischof Fellay auch so geäußert hat, ich hatte nur die Quelle nicht zur Hand, um ihn zu zitieren.
Vielen Dank für den Hinweis, ich habe gleich nachgelesen. Anders formuliert: Die von Msgr. Galarreta gebrauchte Diktion, „dass das II. Vatikanum in perfekter Übereinstimmung mit der Tradition stehe“ und man es deshalb akzeptieren müsse, wurde mit Sicherheit von Papst Benedikt XVI. so nicht gebraucht. Was er zum Thema seit Jahrzehnten sagt (s.o.) ist bekannt. Wenn kann es nur heißen: „dass das II.Vatikanum in perfekter Übereinstimmung mit der Tradition zu lesen ist“. Nur so kann es sich genuin in die Kirchengeschichte einfügen und das Abdriften in eine Art „Superdogma“, vor dem der Papst als Kardinal schon in den 80er Jahren warnte, überwunden werden.
Von Erzbischof Müller fehlen bisher leider auch die kritischen und deutlichen Worte seines Vorgängers als Glaubenspräfekt zum Konzil.
Wann immer wir uns ärgern, irritiert sind, beten wir für das Wahre und Gute in diesem Anliegen.
Das derzeit nicht lösbare Problem besteht darin, dass es Konzilsdokumente gibt, die Textpassagen enthalten, die mit der Tradition unvereinbar sind. Und viele Einsprengsel, die in sich nicht häretisch sind, die dennoch den Glauben verwässern. Zumal sie in einer Vielzahl in den verschiedenen Dokumenten immer wieder auftauchen und sich damit enorm verstärken. Wie oft taucht z.B. die Verpflichtung zur Ökumene auf in Dokumenten, die diese gar nicht zum Thema haben. Warum endet Dei Verbum „…mit der gesteigerten Verehrung des Wortes Gottes…“ wobei unmittelbar vorher von der „ständigen Teilnahme am eucharistischen Geheimnis“ die Rede ist? Dass sich die Offenbarung aus zwei Quellen speist, wird hier verschwiegen, stattdessen eine Verbindung zur Eucharistie hergestellt, die hier nicht hingehört. Nachweisen lässt sich die Herabminderung der Verehrung des Altarssakramentes nicht, so clever war man.
Das ist die offene Wunde: Texte gegen die Tradition lasen sich nicht mit ihr lesen.
Man muss auch darauf hinweisen, was verschwiegen wird in den einzelnen Dokumenten. Ein systematisches Verschweigen kommt einer Leugnung gleich. Dass der „erhabenen Majestät“ Gottes ein „reines Opfer, ein heiliges Opfer, ein makelloses Opfer“ dargebracht wird (Im folgenden Gebet nach der Wandlung „Unde et memores…“ der Alten Messe) findet sich so in der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium nicht wieder. Stattdessen ist der Begriff „Pascha-Mysterium“, der das Opfer ersetzt, zum Zentralbegriff geworden.
Es war dann leicht für Paul VI. und seine Kommission, das Messopfer in die Eucharistiefeier umzuwandeln. Und den Weg für die Ökumene freizumachen, denn Luther verurteilte den Sühnecharakter der Messe geradezu mit Hass.
In einem Kommentar kann das alles nur angedeutet werden. Beim aufmerksamen Lesen der Konzilsdokumente wird mir nicht klar, wie die „Hermeneutik der Reform unter Achtung der Kontinuität“ auf Texte anzuwenden ist, die der Kontinuität widersprechen.
Danke, dass Sie das wieder einmal so gut ausgedrückt haben. Ja, ein Verschweigen ist eine Leugnung, weil man nur verschweigt, wozu man nicht stehen will. Ich merke das immer wieder im Gespräch: Die „vorkonziliare“ Kirche ist den meisten Katholiken, Geistlichen und Laien gleichermaßen, irgendwie „peinlich“. Sie bestehen immer darauf nicht mehr so zu sein, wie die Katholiken damals. Sie „klopfen ständig an die Brust ihrer Vorfahren“ (um es mit den Worten eines klugen Mannes zu sagen).
Hat die Überlieferung der Liturgie, also die Tradition einen Bruch erlitten? Wenn, liegt er tatsächlich im 2. Vatikanum. Zu finden wird er nur sein, wenn man zwischen den Zeilen liest und die Entstehung der einzelnen Dokumente betrachtet. Als Vergleich steht vielleicht ein älterer Verlust der echten Liturgie zu Rate. Die reformierten Kirchen haben zum Teil die eucharistische Wandlung vollständig verloren, während zum Zeitpunkt der Spaltung von der römischen Kirche das unverfälschte Wissen um das Altarsakrament noch vorhanden war. Verloren gegangen ist auch die apostolische Sukzession, die Grundlage der Traditionserhaltung.