(Brasil) Brasilien, der portugiesischsprachige Riese Lateinamerikas, ist das Land, das für viele Jahre eines der wichtigsten Zentren der Befreiungstheologie war und Vordenker dieser marxistisch durchwirkten Ideologie wie den ehemaligen Franziskaner Leonardo Boff hervorbrachte. „Der brasilianische Katholizismus ist jedoch weit mehr als ‚Befreiungstheologie‘ und ‚kirchliche Basisgruppen‘: er ist auch Wiege zutiefst papsttreuer Bewegungen. Eine dieser Bewegungen, die Herolde des Evangeliums, bringt dem Land die Theologie Joseph Ratzingers“, so Andrés Beltramo àlvarez von Vatican Insider.
„Was macht den Menschen zum Menschen“, so lautet der Titel des 2. Internationalen Symposiums über das Denken Joseph Ratzingers, das von der vatikanischen Joseph Ratzinger-Benedikt XVI.-Stiftung organisiert wird. Das erste Symposium fand Ende 2011 im polnischen Bromberg statt. Die Katholische Universität von Rio de Janeiro wird am 8./9. November der Schauplatz sein, an dem Vertreter von mehr als 90 Universitäten und Hochschulen über die Theologie des regierenden Papstes sprechen werden.
Die Tagung soll auch eine noch offene Frage Lateinamerikas aufwerfen. „Wo sind die großen katholischen Denker dieser Region?“ Gibt es eine eigenständige, autochthone Theologie jenseits der kritischen Befreiungstheologie, die stets auf Kollisionskurs mit Rom ist? Jenseits jener ideologischen Gedankenwelt, in die sich einige ihrer Vertreter dermaßen verrannt hatten, daß sie das Priestertum und ihre Orden verließen, um den bewaffneten Kampf gegen die von ihnen als auszuschaltende „Feinde“ identifizierten Bevölkerungsgruppen aufzunehmen.
Die Frage der Befreiungstheologie ist nach wie vor aktuell, wenn sie sich heute auch anders stellt als noch Anfang der 80er Jahre, als die Glaubenskongregation der marxistischen Umklammerung einen Riegel vorschob. Die Befreiungstheologen haben soeben am 11. Oktober in Sao Leopoldo in Brasilien ihre „Kontinentaltagung“ abgeschlossen. „Die Befreiungstheologie schien eine große Theologie zu sein, aber dann wurde klar, daß sie keine Perspektive bietet und keine Freude bringt. In der Reflexion über das Morgen liegt das Risiko in die Vergangenheit zurückkehren oder die Versuchung, überhaupt keine Theologie mehr betreiben zu wollen“, so Msgr. Giuseppe A. Scotti, der Vorsitzende der Joseph Ratzinger-Benedikt XVI.-Stiftung und Beigeordnete Sekretär des Päpstlichen Rats für die sozialen Kommunikationsmittel gegenüber Vatican Insider in Anspielung auf die theologischen Strömungen Lateinamerikas.
Auch wenn bisher noch kein Intellektueller Lateinamerikas mit dem Ratzinger-Preis, dem sogenannten „Nobelpreis für Theologie“ ausgezeichnet wurde, ist Msgr. Scotti überzeugt, daß „Lateinamerika viel mehr Möglichkeiten hat als man sich gemeinhin vorstellt.“
“Die Theologie kann nicht eurozentrisch sein. Der Mensch lernt über Gott nicht nur in seiner Sprache zu sprechen, sondern auch in seinem kulturellen, menschlichen, sozialen Kontext mit allem Freud und allem Leid“, so der Stiftungspräsident. Mit der Tagung soll das Denken des Theologen Joseph Ratzingers endgültig Brasilien erreichen. “Die moderne Welt nimmt Joseph Ratzinger – Papst Benedikt XVI. vom kulturellen Gesichtspunkt aus gesehen als ‚Provokateur‘ wahr“, so Msgr. Scotti. Diese “Provokation“ soll, so die Organisatoren fruchtbar wirken, denn würde das Christentum nicht provozieren, wäre es fahl und nutzlos.
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi
Bild: simposiopucrio.teo.br
„Die Theologie kann nicht eurozentrisch sein.…“
Ach so. Wenn ich die Schriften des Alten und Neuen Bundes lese, lese ich sie eurozentrisch. Die geoffenbarten Glaubenswahrheiten sind eurozentrisch. Wenn ich in die hl. Messe gehe, besuche ich eine eurozentrische Veranstaltung, denn die Theologie, die ihr zugrunde liegt, muss ja notgedrungen hier in Europa eurozentrisch sein. Und in Brasilien eben brasilianisch. Die katholische Kirche löst sich in nationale oder regionale Freikirchen auf, darüber schwebt als Repräsentant der Papst.
Ist das gemeint? Ich kann gar nicht sagen, wie mich diese Rahmen-Sätze, in die man alles füllen kann, inzwischen mehr und mehr nerven.
Ich weiß nicht, ob Brasilien das „Ratzinger-Denken“ nötig hat, ich habe keine Ahnung. Ich bin mir aber sicher: So wie in Europa dürfte auch in Lateinamerika für Katholiken wichtig sein, ihren Glauben überhaupt kennenzulernen.
Wobei die europäische Theologie seit einiger Zeit allerdings wenig hilfreich ist…
Das habe ich noch anzumerken, dass passt irgendwie, weil ich gerade wieder Roberto de Mattei lese: Das Zweite Vatikanische Konzil- Eine bislang ungeschriebene Geschichte. Als sich die konservativen Konzilsväter endlich organisierten, standen an der Spitze zwei brasilianische Bischöfe und der französische Erzbischof Marcel Lefebvre, unterstützt wurden sie von einem brasilianischen Professor, einem Laien. Sie waren Anhänger der „römischen Theologie“, sie waren ultramontan. Der Franzose hatte exakt die gleiche Theologie wie die Brasilianer, sie hatten die gleiche Theologie wie der Glaubenshüter Ottaviani. Aber nicht die Theologie von anderen Franzosen, Deutschen, Holländern. Auch nicht die vom jungen Theologen Ratzinger. Der Bruch in der katholischen Kirche hat nichts zu tun mit „Eurozentrismus“, der in anderen Erdteilen überwunden werden muss.
Bei uns darf doch jeder Theologe lehren, was er will. Wenn er sich nur irgendwie auf das Superdogma, das II. Vatikanische Konzil bezieht.