(Paris/Berlin) Ende 2011/Anfang 2012 wurde das Theaterstück On the Concept of the Face of God des italienischen Autors und Regisseurs Romeo Castellucci in Frankreich und Italien aufgeführt. Das ganze Stück beruht auf einer blasphemischen Grundabsicht. Das Bühnenbild zeigt eine riesige Christus-Darstellung, die mit Fäkalien und Steinen beschmiert und beworfen wird. Die Botschaft des Dramaturgen dazu lautet: „Du bist nicht mein Hirte.“
Sowohl in Paris als auch in Mailand kam es zu Protesten von Katholiken gegen die Aufführungen. Vor dem Theatre de la Ville in Paris versammelten sich junge Katholiken zum friedlichen Protest durch Gebet. Frankreichs Kulturminister, die Stadtverwaltung von Paris und das Theater zeigten die Beter an und ließen die Polizei gegen die jungen Christen vorgehen. Diese besetzten darauf die Bühne des Theaters.
Ein Akt ungewöhnlicher Courage und Entschlossenheit der Jugendlichen, um ihrem Protest Gehör zu verschaffen, da die führenden Medienorgane sich umgehend auf die Seite des Theaters und des Autors geschlagen hatten und den Betern „Zensur“ und „Fundamentalismus“ vorwarfen. Die Aktion der jungen Katholiken war eine Reaktion auf die mediale Selektion. Es sind die Medien, die entscheiden wollen, wer sich empören darf und wer nicht, indem sie den einen öffentlich Aufmerksamkeit verschaffen und die anderen und deren Anliegen totschweigen.
Jüngstes Beispiel dieser selektiven Wahrnehmung war der Marsch für das Leben in Berlin, an dem mehr als 3000 Menschen teilnahmen. Das Medienecho war fast Null. Während gleichzeitig gegen den umstrittenen Mohammed-Film demonstrierende Moslems (1200 in Dortmund, 300 in Karlsruhe) von den großen Fernsehanstalten und der überregionalen Presse ausführlich Raum gewährt wurde.
Im August war Castelluccis blasphemischer Aktionismus mit der Uraufführung der Performance Folk bei der der Ruhrtriennale in Duisburg zu sehen. Dabei wird in einem Wasserbassin eine Taufe nachgespielt, dazu kitschig-verzerrender Choralgesang eingespielt, der in esoterische Klänge verpackt ist, Menschen springen in einer stilisierten Kirche gegen die Kirchenfenster, wie Vögel, die gegen eine Scheibe knallen. Der Autor wolle damit die „Urgemeinde“, die das „Paradies“ gewesen sei, in einen Gegensatz zur Kirche und dem Christentum heute stellen. Der „Sündenfall“ sei geschehen, als die Urgemeinde ihr Ende fand und durch die Kirche ersetzt worden sei. Das Stück hat im Gegensatz zu Über das Konzept vom Antlitz Gottes zwar keine für die Zuschauer direkt faßbare präzise Botschaft, da das Stück wortlos ist und der Besucher im Theater die gewollte Aussage des Autors daher erahnen muß. Die Anspielungen sind jedoch unübersehbar. Der Gesamteindruck ist derselbe, wie bei Castelluccis anderem Stück: Es geht ihm um eine antichristliche Verhöhnung und dies nicht nur punktuell, sondern durchgehend.
Text: Giuseppe Nardi
Wenn ich mich richtig erinnere, haben in Frankreich junge Gläubige protestiert, die sich der Piusbruderschaft verbunden fühlen, in Italien waren sie es nicht allein.
Jugendliche, die in der Nachkonzilskirche aufgewachsen sind, scheint das nicht zu interessieren. Warum auch, wenn Bischöfe, zumindest mehrheitlich, auch in solchen Fällen die Freiheit der Kunst propagieren. Um bloß nicht aufzufallen, um bloß nicht die Medien gegen sich aufzubringen.
Das „neue Pfingsten“, das sich Johannes XXIII. und sein Nachfolger mit dem II. Vatikanum für die Kirche erhofften, es war eine Illusion. Gekommen ist ein fast beispielloser Niedergang. Und er geht erstmal weiter. Die Tendenz, das II. Vatikanum zum „Superdogma“ zu erheben, scheint ungebrochen. Nein, eher noch verstärkt.
Eine glaubensstarke, selbstbewusste katholische Kirche würde in den Medien nicht so totgeschwiegen wie es üblich ist. Eine sich an den Mainstream anpassende Kirche interessiert nicht.
Es sind die Medien, die entscheiden wollen, wer sich empören darf und wer nicht.
Erstens entscheiden das NICHT die Medien; oder haben die Medien schon einmal bei Kardinal Meisner oder Bischof Laun entschieden, ob die sich empören dürfen? Nein, das haben die hohen Herren immer selber entschieden, ob sie sich über einen Herrn Dawkins et alii empören.
Und zweitens: Was haben Sie erwartet? Dass gegen die Demonstranten nichts unternommen wird? Von Typen die es wagen der Kirche entgegen zu treten? Träumen Sie weiter! Dann müssten die Demonstranten ja erst gar nicht aufmarschieren. Dann könnten auch die Demonstranten auf den Christopher-Street-Day-Paraden daheim bleiben und könnten ihre Rosenkränze im stillen Kämmerlein beten.
Dass die Ansichten der Kirche, in diesem Fall das brandmarken des Theaterstückes als Blasphemie, widerspruchslos hingenommen werden, ist lange vorbei. Spätestens seit den 68ern kann die Kirche nicht mehr widerspruchslos lehren.
Daran müssen wir uns gewöhnen!
Sie sprechen dem Grunde nach einen richtigen Sachverhalt an: es ist eine Schande, dass die Katholische Kirche in Deutschland mit ihrem großen Medienbudget und den damit verbundenen Möglichkeiten eine derart mikrige mediale Wahrnehmung hat. Wie sehr bedürfte es in den heutigen Zeiten eines Fritz Gerlich, eines Kämpfers für die Kirche und gegen den Zeitgeist; Statt dessen beschäftigt die Kirche „Journalisten“, deren Salz schal geworden ist, und welche zurecht zertreten werden (so zuletzt der ehemals stolze Rheinische Merkur).
Aus diesem Grund sind es „die [nicht-katholischen] Medien, die entscheiden wollen, wer sich empören darf und wer nicht, indem sie den einen öffentlich Aufmerksamkeit verschaffen und die anderen und deren Anliegen totschweigen.“
Es geht nicht darum, ob die Kirche seit 1968 „nicht widerspruchsfrei lehren kann“. Mit Sicherheit konnte sie das vorher auch nicht.
Mit einer in sich zerrissenen, zerstrittenen Kirche, die sich ihres eigenen Glaubens nicht mehr sicher zu sein scheint, haben kirchenferne bis kirchenfeindliche Medien leichtes Spiel. Kleine Minderheiten, die katholische Positionen öffentlich vertreten, können dann leicht totgeschwiegen werden.
Auch wenn es lange her ist: Warum wohl haben Katholiken, damals eine 1/3‑Minderheit, den Kulturkampf bestanden? Weil sich Bischöfe, der Klerus, die verschiedenen katholischen Verbände einig waren. „Bismarck hat sich die Finger im Weihwasser verbrannt“, wurde damals gewitzelt.
Doch das ist lange her. Nicht nur zeitlich, sondern vor allem mentalitätsmäßig.
Längst gibt es ernstzunehmende Publizisten, die darauf hinweisen, dass wir uns im neuen Kulturkampf, vor allem über die Medien, befinden.
Nur geht dieser Kampf jetzt mitten durch die Kirche…