(Rom) Während der deutsche Distrikt der Priesterbruderschaft St. Pius X. in der September-Ausgabe seines Mitteilungsblattes dem Protestantismus und Martin Luther einen Themenschwerpunkt widmet, standen der Protestantismus und Luther auch im Mittelpunkt des diesjährigen Treffens des Joseph-Ratzinger-Schülerkreises. Am ersten Septemberwochenende versammelte sich der Schülerkreis wie jedes Jahr in Castel Gandolfo um Papst Benedikt XVI. 2012 stand das Thema Ökumene auf der Tagesordnung. Ausgangspunkt war ein Buch von Walter Kardinal Kasper über den Stand der Beziehungen mit den christlichen Kirchen und Denominationen. Konkret ging es jedoch um den Protestantismus oder noch konkreter – und ganz deutsch – um das Verhältnis zu den Lutheranern.
Der Kreis ist ein rein informeller Zusammenschluß von Schülern, die mit ihrem Professor von einst in Kontakt geblieben sind. Dennoch sind Themen und Akzente, die im Rahmen des jährlichen Treffens des Schülerkreises im Vordergrund stehen, interessant. Papst Benedikt XVI. hört sich Meinungen aus einem etwas anders zusammengestellten Kreis an als seinem gewohnten Umfeld. Die Kardinäle Schönborn und Koch haben dabei einen bevorzugten Stand, da sie dem gewohnten und dem außergewöhnlichen Kreis angehören. Die Frage der Einheit der Christen, stand für einige Mitglieder des Schülerkreises immer besonders im Vordergrund. Dazu gehören Peter Kuhn, Experte für Hebräisch und Assistent Ratzingers in seiner Tübinger Zeit, der aus einem lutherischen Elternhaus stammt und erst im Erwachsenenalter zum katholischen Glauben konvertierte. Ebenso der Historiker Vinzenz Pfnür, ein überzeugter Ökumeniker, der davon überzeugt ist, daß es eine katholische Zustimmung zur Confessio Augustana, dem lutherischen Glaubensbekenntnis von Philip Melanchton, geben kann. Ebenso der 2007 verstorbene Professor für Ökumene, Heinz Schütte, der an der kleinen informellen Arbeitsgruppe teilnahm, bestehend aus Joseph Kardinal Ratzinger, dem evangelisch-lutherischen Landesbischof von Bayern und früheren Präsidenten des Lutherischen Weltbundes Johannes Hanselmann und dem lutherischen Theologen Joachim Track, die im Sommer 1998 am Text für die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwischen Katholiken und Lutheranern arbeiteten und dabei die letzten Hürden überwanden um im Jahr darauf zur Unterschrift zu gelangen.
Wegen einer überzogenen Auslegung durch einen falschen Ökumenismus setzte der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Ratzinger im Heiligen Jahr 2000 jedoch die Erklärung Dominus Iesus nach, in der die „Einzigartigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche“ verdeutlicht wurden. Kardinal Ratzinger wollte das traditionelle Verständnis von Kirche in Erinnerung rufen und erklären, dass jede Ökumene eine klare Grundlage und die Einheit der Christen ein klares Ziel hat.
Ein Mea culpa, wie es beim Schülerkreistreffen angeregt wurde, würde sich auf begangenes historisches Unrecht beziehen, nicht aber auf Fragen des Glaubensinhaltes und der Glaubenswahrheit. Unweigerlich einher geht die Frage nach der öffentlichen Wahrnehmung.
Über den Ablauf und vor allem den inhaltlichen Ablauf des Schülerkreistreffens ist wenig bekannt. Von der deutschen Redaktion von Radio Vatikan befragt, gab der Vorsitzende Stephan Horn jedoch erstaunlich bereitwillig Auskunft über „Überlegungen“ zu einem katholisch-lutherischen Mea culpa. Eine solche öffentliche Bekanntmachung von Überlegungen eines informellen Kreises abseits der zuständigen kirchlichen Institutionen erstaunt. Sie erzeugt Erwartungen und genau das scheint beabsichtigt zu sein.
Aus diesem Grund veröffentlichen wir in deutscher Übersetzung den am 4. September in der Tageszeitung Il Foglio erschienenen Artikel des Vatikanisten Paolo Rodari, dessen Informationsquelle nicht direkt genannt wird, die inhaltlich jedoch in dieselbe Richtung wie Horn zielt.
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Benedikt XVI, die reinigende Synthese mit den Lutheranern (im Glauben)
von Paolo Rodari
Es gibt ein Scharnier zwischen Katholiken und Protestanten, es heißt Martin Luther. „Ist der Erfurter Augustinermönch Martin Luther nicht auch als ein Scharnier zwischen unseren Kirchen zu verstehen, weil er zu beiden Kirchen gehört? “, fragte vor einem Jahr der EKD-Präsident Nikolaus Schneider beim ökumenischen Festakt mit Benedikt XVI. in der Stadt, in der Luther von 1505 bis 1511 lebte. Der Papst hatte nicht lange darüber nachzudenken. Für ihn war und ist es so, und er hat es vor wenigen Stunden bewiesen, indem er in Castel Gandolfo das Treffen des Ratzinger Schülerkreises 2012 abschloß, jenes Seminar mit seinen ehemaligen Schülern, das in diesem Jahr den Beziehungen zwischen Katholiken und Protestanten gewidmet war, ausgehend von einem Buch von Walter Kardinal Kasper, in dem er einen Überblick über die Situation im Verhältnis der christlichen Kirchen zueinander bietet. Die Idee, die der Papst ins Feld stellte ist: Reinigung der Erinnerung. Der Salvatorianer Stephan Horn, Vorsitzender des Ratzinger Schülerkreises sagt: „Im Schloß wurde die Idee eines ‚mea culpa‘ von beiden Seiten entwickelt. Der Papst war immer der Überzeugung, daß diese Reinigung notwendig sei. Die historischen Ereignisse können nicht ausgelöscht werden, der Unterschied besteht jedoch darin, wie man sie betrachtet: die Gifte dieser Konflikte löschen ist ein wahre Heilung.“
Kasper hatte bereits lange über diese Idee nachgedacht. Und so auch sein Nachfolger an der Römischen Kurie, der Deutschweizer Kardinal Kurt Koch, der allerdings nicht darauf vergaß zu unterstreichen, daß diese Reinigung keine „Einbahnstraße“ sein darf. „Auch die Evangelischen müssen erklären, wie sie heute die Reform des 16. Jahrhunderts sehen, ob in der Kontinuität gegenüber jener Epoche oder als einen Bruch.“ Derweilen sind die Etappen aber bereits programmiert: 2017 findet der 500. Jahrestag der Reformation statt, eine schmackhafte Gelegenheit für ein doppeltes „mea culpa“ als Präludium für eine neue Zeit. Schneider sagte vor kurzem: „Vielleicht wird es keine formale Rehabilitierung geben, aber eine faktische Neubewertung der Gestalt Luthers haben wir sehr deutlich aus dem Mund des Papstes in Erfurt gehört. Es wäre fantastisch auch eine Neubewertung seiner Theologie zu erleben.“
Ökumene war für Ratzinger nie die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, eine Art von „Synkretismus im Zeichen der Uniformität“, wie es Kasper zurückwies, sondern eine Rückkehr zum Grundlegenden, zu „dem, was eint“, sagte er in Erfurt, und damit zu jener „Gottesfrage“, die auch im Leben Luthers zentral war, die Frage nach Gott und wer der Mensch vor Ihm ist. Denn „im Grunde“, sagt der Historiker Alberto Melloni, „der Augustiner Ratzinger durchlebt vor Gott dasselbe Drama, das Luther durchlebte. Und hier können sich Katholiken und Lutheraner wieder begegnen.“
Ratzinger arbeitete, vor allem als Präfekt der Glaubenskongregation, für die Überwindung der Spaltungen. Sein entschiedenster Schritt war, als er zur Unterschrift der Rechtfertigungserklärung vom 31. Oktober 1999 drängte, mit der die katholische Kirche und die Lutherische Föderation sich in einem Punkt einigten: Der Mensch hängt für sein Heil zur Gänze von der rettenden Gnade Gottes ab. Eine Erklärung, die die Unterschiede glättete und die deshalb sowohl von „rechts“ sehr kritisiert wurde, von jenen, die sie für zu „konziliant“ mit den Lutheranern hielten, als auch von Hans Küng, der Ratzinger vorwarf, einen Waffenstillstand mit dem konservativsten Teil des Lutheranertums ausgehandelt zu haben. Für Ratzinger aber ist die Wurzel zwischen den beiden Kirchen lebendig, man muß sie nur erkennen, eben reinigen. Es ist das Konzept, das Johannes Kardinal Willebrands, der ehemalige Präsident der Einheit der Christen, 1980 zum Jahrestag der Confessio Augustana zum Ausdruck brachte. Und es macht nichts, wie Ratzinger selber erinnerte, daß „Kardinal Hermann Volk, scherzhaft und ernst, die Frage stellte: ‚Ich möchte wissen, ob es sich beim Beispiel, von dem Willebrands spricht, um die Wurzel einer Kartoffel oder eines Apfelbaum handelt. Mit anderen Worten: das, was aus der Wurzel herausgekommen ist, sind alles Blätter oder ist es wirklich die wichtigste Sache, das heißt der Baum?‘“
Text: Palazzo Apostolico/Übersetzung Giuseppe Nardi
Zu betonen ist, dass das Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X. sich theologisch kritisch mit dem Protestantismus auseinandersetzt, ganz klar die Unvereinbarkeit zwischen Katholizismus und Protestantismus herausarbeitet. Und die Protestanten einlädt, zur katholischen Kirche als der wahren Kirche Jesu Christi zurückzukehren.
Ich hoffe, das nicht mehr erleben zu müssen: Luther wird rehabilitiert und die Priesterbruderschaft endgültig aus der Kirche ausgestoßen…
Das ist zugespitzt, ich gebe es zu.
Die Konzils- und Nachkonzilspäpste kommen mir bald vor wie ein Vater, in dessen Familie es drunter und drüber geht. In der gestritten wird, dass die Fetzen fliegen. In der ein gemeinsames Gespräch aller Familienmitglieder nicht mehr möglich ist.
Doch Papas Hauptsorge ist die Einheit mit der Nachbarschaft…Mit aller Welt… So geht das jetzt schon bald 50 Jahre.
Das Gefährliche an dieser Krise der Kirche ist, dass Rom sie mitausgelöst hat.
Mir stellen sich in diesem Zusammenhang hier folgende Fragen:
1) Ist für die Nachkonzilskirche und den jetzt regierenden Papst Martin Luther ein Häretiker oder nicht?
2) War die vorkonziliare Lehre, die katholische Kirche sei die „allein seligmachende Kirche“ eine Anmaßung oder nicht?
3) Entspricht die Behauptung der Piusbruderschaft, zwischen der katholischen Kirche und dem Protestantismus könne es keine Einheit geben, weil der jeweilige Glaube zu unterschiedlich ist, einem vorkonziliaren Fundamentalismus oder ist es eine nicht zu leugnende Realität?
4) Wem lege ich diese Fragen vor? Der Heilige Vater und Kardinal Koch geben sich mit den Fragen einer einfachen katholischen Gläubigen nicht ab, sie haben Wichtigeres zu tun.Den Vorsitzenden der DBK frage ich lieber nicht…
Zugegeben, die Fragen sind rhetorisch. Ich weiß, was ich glaube. Ich wüsste nur gern, ob mein Glaube vorkonziliar ist. Ob ich störrisch zurückgeblieben bin. Ob ich einem vormodernen Traditionsbegriff huldige…