(Vatikan) Seit dem ebenso unerwarteten wie spektakulären Amtsverzicht von Papst Benedikt, mehr noch seit der Wahl seines Nachfolgers Papst Franziskus und dessen Amtsführung will die Diskussion um das Papsttum nicht verstummen.Vor wenigen Wochen gab der Schweizer Häretiker Hans Küng bekannt, Post von Papst Benedikt XVI. erhalten zu haben. Die Authentizität wurde in Frage gestellt. Am vergangenen Samstag nahm der emeritierte Papst überraschend auf Wunsch von Papst Franziskus im Petersdom an der Kardinalskreierung teil. Ein Akt, der offensichtlich im katholischen Volk weitverbreitete „Spekulationen“ um die ungewohnte „Doppelspitze“ der Katholischen Kirche entkräften sollte. Die Welt sollte im Bild sehen, daß es nur einen Papst gibt. Zum Ausdruck kam dies, indem Benedikt XVI. bei der Begrüßung von Franziskus den Pileolus vom Kopf nahm. Nun gab der Vatikanist Andrea Tornielli, ein „Normalist“, bekannt, Papst Benedikt schriftlich einige Frage zu den Rücktrittsspekulationen in den Vatikan geschickt zu haben. Zwei Tage später habe er schon, ebenso schriftlich, Antwort erhalten. Tornielli fragte den Emeritus auch, ob der Brief an Hans Küng echt sei. Hier die Antwort.
Spekulationen um Gültigkeit des Amtsverzichts von Benedikt XVI.
Die Wahl des argentinischen Kardinals Jorge Mario Bergoglio wird dabei kaum in Frage gestellt. Die Gültigkeit seiner Wahl ist durch den Wahlkörper gegeben. Die Spekulationen drehen sich vielmehr um den abgetretenen Papst Benedikt XVI. Zwei Päpste, die keine Gegenpäpste waren, hatte die Kirche seit 600 Jahren nicht mehr und zuvor auch nur einmal im 13. Jahrhundert. Die Situation ist irritierend. Benedikt XVI. wird vom Heiligen Stuhl offiziell als „emeritierter Papst“ bezeichnet. Das allerdings hat es in der Kirchengeschichte tatsächlich noch nie gegeben. Das befördert die Spekulationen, daß Benedikt XVI. eigentlich jederzeit wieder als rechtmäßiger Papst in sein Amt zurückkehren könnte.
Die beim Amtsverzicht genannte gesundheitliche Schwäche scheint verflogen. Am vergangenen Samstag, als Papst Franziskus seinen Vorgänger zur Kardinalskreierung in den Petersdom lud, wirkte der abgetretene Papst frischer und gesünder als der regierende Papst. Die Spekulationen werden umso lauter, je umstrittener sich die Amtsführung des amtierenden Papstes gestaltet.
Schwieriger Umgang mit zwei Päpsten – Medial inszenierte Begegnungen
Die beiden Päpste in der Kirchengeschichte, Cölestin V. und Gregor XII., die vor Benedikt XVI. auf ihr Amt verzichteten, taten dies unter ganz bestimmten historischen Ausnahmesituationen. Eine solche lag bei Benedikt XVI. nicht vor. Er betont, aus freiem Willen einfach aus Altersschwäche zurückgetreten zu sein. Die beiden Vorgängerpäpste des 13. und 15. Jahrhunderts, die denselben Schritt setzten, kehrten dorthin zurück, wo sie hergekommen waren. Ihrer Würde nach waren sie nach dem Amtsverzicht Kardinäle mit allen Rechten und Pflichten. Auch darin folgte Benedikt XVI. nicht einem historischen Vorbild, obwohl er zwei Mal das Grab von Cölestin V. besuchte. Er wurde nicht mehr Kardinal, sondern nahm den ahistorischen Titel eines emeritierten Papstes an und schloß sich in ein Kloster ein. Für die Welt werde er unsichtbar sein, hieß es bei seinem Rücktritt, der nicht wenige in der Kirche, selbst unter jenen, die man ihm nahe wähnte, begeisterte. Benedikt XVI. ist seither unsichtbar und doch nicht. Der Vatikan gestaltete, durchaus umstritten, bereits seinen Rückzug aus dem Vatikan nach Castel Gandolfo zum Medienspektakel.
Mit der Wahl von Papst Franziskus, als würde man die Kluft in der Amtsführung der beiden Päpste bereits ahnen, wurden wiederum Begegnungen zwischen den beiden Päpsten organisiert und mediengerecht arrangiert. Seither gab es immer wieder von Papst Franziskus gewünscht medial sichtbar gemachte Auftritte der beiden Päpste zusammen. Bisher nie im großen Rahmen und einer Liturgie. Am vergangenen Samstag geschah auch dies. Papst Benedikt XVI. wurde auf Wunsch von Franziskus in den Petersdom gerufen, die sichtbarste aller Kirchen der Welt, um über dem Petrusgrab der Kardinalskreierung beizuwohnen. Das ganze Kardinalskollegium hatte sich versammelt. Fast ein Drittel des purpurnen Kirchensenats wurde von Benedikt XVI. ernannt. Vom Wahlkörper im jüngsten Konklave war es sogar knapp mehr als die Hälfte. Dennoch haben die Kardinäle mit großer Mehrheit Kardinal Jorge Mario Bergoglio aus ihrer Mitte zum Nachfolger gewählt. Bei der Frage nach dem Grund, der die Kardinäle dazu bewogen haben mag, stößt man schnell auf eine Wand aus Fragen und wenigen Antworten. Oder wollte man es pathetisch mit den Worten des Erzbischofs von Wien sagen: man stößt auf den Heiligen Geist. Recht glauben will man es allerdings nicht, will sagen: besonders überzeugend klingt das nicht. Denn die Kirche war in ihrer Geschichte immer nüchtern genug, zu wissen, daß der Papst von den Kardinälen gewählt wird.
Amtsführung von Papst Franziskus irritiert und facht Spekulationen an
Es ist die Amtsführung von Papst Franziskus, die irritiert. Er verunsichert, vermittelt den Eindruck, daß er imstande sein könnte alles in Frage zu stellen, daß man nie wüßte, was morgen für eine neue Unruhe in der Kirche ausgelöst würde. Das alles wäre per se noch nicht beunruhigend, würde der neue Papst gleichzeitig die Kirche aufbauen, würde er gesund handeln, die Kirche aus einem falschen Schlaf reißen, um sie mit neuem Glaubenseifer auszustatten und zum größeren Lob Gottes und zur Rettung der Seelen handeln zu lassen. Doch das geschieht nicht, nicht wahrnehmbar. Wahrnehmbar ist ein weiteres Auflockern der Reihen, ein weiteres Einreißen der Ordnung und Disziplin, ein weiteres Gewährenlassen von Kräften, die die Kirche lieber heute als morgen auflösen würden, innerhalb und außerhalb der Kirche. Der Papst ist populär. Je populärer er wird, desto unpopulärer scheint die Katholische Kirche und das ihr anvertraute Glaubensgut. Viel Schein und Trug liegt dem weltlichen Medienspektakel um den neuen Papst zugrunde. Der Nutzen für die Kirche? Der Nutzen für den Glauben?
Benedikt und Franziskus: Zwei völlig konträre Charaktere
Im Vergleich der beiden Päpste, wie am vergangenen Samstag, geht nicht wenigen Katholiken auf, was sie an Papst Benedikt XVI. hatten. Einen Papst von außergewöhnlichem Intellekt, der seine Zeit mit bestechender Sehschärfe durchdrang, der die großen Herausforderungen punktgenau erkannte und sich nicht scheute, die Dinge beim Namen zu nennen und das geistige Rüstzeug für die Kirche und die Gläubigen zu liefern, um sich den Herausforderungen stellen zu können. Dafür wurde er von der Welt gehaßt, weil die Welt die Wahrheit nicht erträgt. Er bemühte sich den Bruch auszuwetzen, der in der jüngsten Kirchengeschichte durch das Konzil und vor allem die Wild-West-Nachkonzilszeit aufgerissen wurde. Er bemühte sich und legte wichtige Fundamente für die Genesung in der Liturgie, aber auch in der Konzilsinterpretation. Er ging so weit wie kein Papst seit dem Konzil vor ihm.
Kirchenkrise auch Autoritätskrise
Die beiden Schwächen seines Pontifikats sind bedauerlich und schmerzlich. Da ist einmal seine Sanftmut. Der „Panzerkardinal“ war auch als Papst ein Lamm. Er verlangte nicht, daß andere auf die Schlachtbank gehen. Ein Gang, den er bereitwillig für seine Person auf sich nahm. Er war ein lehrender Papst und ein betender Papst, er war nur bedingt ein regierender Papst. Insofern ist das Motu proprio Summorum Pontificum als Regierungsakt das Bleibendste seines Pontifikats. Es ist aber undenkbar, nur mit den Waffen des Geistes eine durchdringende Erneuerung der Kirche zu erreichen. Ein Gesetz ist kein Gesetz, wenn es bei Nicht-Beachtung keine Sanktionen vorsieht, die dann auch exekutiert werden. Die Kirche krankt an einer Autoritätskrise. Die Texte des Lehramtes Benedikts XVI., die er hinterlassen hat, sind ein geistliches Vermächtnis ersten Ranges. Doch in der Kirche gibt es zu viele, die den Papst einen guten Mann im fernen Rom sein lassen und schlichtweg tun und lassen was sie wollen.
Banalisierung des Papsttums
Die Kardinäle scheinen bei den Versuchen Benedikts XVI., das Kirchenschiff wieder auf Kurs zu bringen, solche Bauchschmerzen bekommen zu haben, daß sie als Nachfolger einen Papst auf den Stuhl Petri heben wollten, der von sich selbst der Überzeugung ist, daß er ein guter Mann im fernen Rom ist und in seiner Kirche schlichtweg (fast) jeder tun und lassen kann, was er will (ausgenommen die Franziskaner der Immakulata). Papst Franziskus trifft sich am liebsten mit Vertretern des Judentums. Warum nicht mit Christen anderer Konfessionen? Weil das ja schon Christen sind und laut Papst Franziskus keiner Bekehrung mehr bedürfen. Christ ist Christ, jeder soll in seiner Konfession „selig“ werden. Ein anglikanisches Personalordinariat das Benedikt XVI. schuf, hätte es unter Franziskus nie gegeben. Jüngst empfing Franziskus Tony Palmer, einen seiner zahlreichen Freunde und „Bischof“ einer „keltisch-anglikanischen Kirche“. Für Papst Franziskus sind nach romanischem Verständnis gewissermaßen alle „Freunde“. Mit seinem Smartphone konnte Palmer eine ziemlich unsägliche Videobotschaft des Papstes an ein Treffen des evangelikalen Dachverbandes Communion of Evangelical Episcopal Churches (CEEC) in Texas aufzeichnen. Eine Botschaft, die sich darauf beschränkt, daß „wir alle Brüder sind und daß es keinen sündelosen Menschen gibt“, offenbar auch nicht Maria. Abgesehen davon, daß eine solche Videobotschaft eher abschreckend wirkt und Evangelikale wohl kaum zur Konversion zum katholischen Glauben anregt, macht der Papst auch keinerlei Anstalten jemanden zur Konversion bewegen zu wollen. Volemose bene, wie es nicht unweit von Bergoglios italienischer Urheimat heißt. Wir haben uns ja alle lieb. Ende der Botschaft (im Anhang ein ausführlicheres Video zum Gebetstreffen von Palmers Gemeinschaft in Texas).
Das Papsttum nimmt unterdessen beträchlichen Schaden. Dessen Sakralität wird nicht nur mit solchen Smartphone-Auftritten demontiert. Es wird auch beschädigt, weil es durch die umstrittene Amtsführung zum Gegenstand einer ständigen und emotionalen Pro und Contra-Debatte gworden ist. Und jede noch so berechtigte Kritik an einer bedenklichen Amtsführung, die einer Banalisierung des Petrusamtes ähnelt, droht selbst in den Köpfen der Menschen das Papsttum zu banalisieren und zu demontieren. Die Sakralität des Amtes scheint zusehends nur mehr zum Schatten seiner selbst zu werden. Das allerdings ist in jeder Hinsicht eine tragische Entwicklung, für die man jedem im jüngsten Konklave wählenden Kardinal einzeln die Frage stellen möchte: Warum?
Menschenkenntnis oder sollten Päpste mit 85 abtreten?
Was ist nun aber mit den Spekulationen rund um Papst Benedikt XVI.? War sein Amtsabtritt tatsächlich freiwillig? Haben seiner unausgesprochenen, aber faktisch vollzogenen Meinung nach Bischöfe mit 75, Kardinäle mit 80 und Päpste mit 85 abzutreten? Oder drückte ihn die Last des Amtes, der Angriffe und das Imstichgelassenwerden in der Verteidigung der Kirche und dem Erneuerungswerk so sehr nieder, daß er sich der Aufgabe nicht mehr gewachsen fühlte? Oder wurde er, die These wird sehr häufig genannt, in die Abdankung gezwungen? Ein kalter Putsch in der Kirche von Kardinälen und Bischöfen, die sich auf den Heiligen Geist berufen, dann aber doch lieber selber und handfest handeln? Verbannt in ein Kloster aus eigenem Willen oder zwangsverordnet? Wie dem auch sei, seiner Sanftmut im Amt entsprechend, handelt Benedikt XVI. auch in seinem Ruhestand: Er hält sich an die Spielregeln. Er tritt auf, wenn man es wünscht. Die Spielregeln hielt er immer für maßgeblich für die Kirche und wollte in seinem Pontifikat durch sein Vorbild überzeugen. Das aber funktioniert nur bei einem sehr willigen Publikum. Das aber fehlt durch inzwischen Jahrzehnte des Verfalls und der Laxheit.
Benedikt XVI. überschätzte sein Vorbild oder den guten Willen seiner Untergebenen. Benedikt zeichnete eine Entschlossenheit des Geistes aus, Papst Franziskus hat die Entschlossenheit des Handelns. Innerhalb kürzester Zeit und ohne Dekrete erlassen zu müssen, hat er viel von dem wieder zunichtegemacht, was Benedikt in mühseliger Kleinarbeit aufgebaut hatte: niemanden überfordernd, einen Schritt nach dem anderen. Benedikt XVI. mochte überzeugt gewesen sein, daß ein jüngerer, kraftvollerer Papst dort weitermacht, wo er aufhören mußte. Doch dafür gab es nie eine Garantie. Die Kirchengeschichte kennt viele Überraschungen und der bayerische Papst hätte seine Kardinäle ausreichend kennen müssen, hört man immer wieder sagen. Mußte er? Sicher. Zeigt sich aber nicht auch und fast wöchentlich, wie gut sich manche Würdenträger verstellt haben? Wie still und brav, papsttreu und ratzingerianisch sich nicht wenige gaben, solange Benedikt XVI. regierte. Wie devot pilgerten doch Kirchenmänner wie der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, heute der an Ämtern nach dem Papst einflußreichste Kirchenmann Europas, oder Bischof Stephan Ackermann von Trier zu Benedikt XVI. Und sie machten Karriere.
Entfesselte Diskussion um Ehesakrament – Wo steht Papst Franziskus?
Nun fallen sie der Kirche in den Rücken und basteln an einer „anderen“ Kirche. Gäbe es nicht das Kirchensteuersystem, das einen goldenen Käfig bildet, hätten sie wohl schon ihre deutsch-katholische Kirche gegründet. Der Käfig der Kirchensteuer ist golden, aber er ist auch ein Käfig. Im Moment hält er als vielleicht letzte Klammer die Kirche im deutschen Sprachraum zusammen. An der Frage des Ehesakramentes und der wiederverheiratet Geschiedenen ist das kircheninterne Tauziehen, ein veritabler Kampf um die Ausrichtung der Kirche, Jesu Lehre hin oder her, alles eine Frage der Dialektik, voll entbrannt. Papst Franziskus läßt die Diskussion gewähren, hat sie sogar maßgeblich angefacht, ohne sich aber inhaltlich zu positionieren. Wo steht er wirklich? Wo will er hin? Noch kann das niemand sagen. Jede Seite versucht ihn für sich zu reklamieren. Ob mit Recht muß sich erst noch zeigen. Die Rolle einer Sphinx steht einem Papst jedoch schlecht zu Gesicht. Abgesehen davon, selbst wenn er auch in dieser Frage, was von einem Papst erwartet werden darf und muß, auf dem Boden der katholischen Lehre stehen sollte: Kann er die so arglos entfesselten zentrifugalen Kräfte bändigen und binden?
Die Fragen Torniellis an Benedikt XVI.
Der Vatikanist Andrea Tornielli wollte es jedenfalls genau wissen. Er begleitete das Pontifikat Benedikts XVI. mit zunehmendem Wohlwollen. Trotz seiner Distanz zum Alten Ritus und Kräften der Tradition, öffnete er sich unter Benedikt XVI. selbst diesen. Unter Franziskus wurde er nach einem anfänglichen Moment der Irritation, der wohl die meisten befiel, zum „Normalisten“. Dort steht die große Mehrheit der journalistischen Zunft.
Tornielli schrieb Benedikt XVI. einen Brief mit einigen Fragen. Eine Art Interview auf Distanz. Und der emeritierte Papst hat geantwortet. Ein bemerkenswerter Vorgang, weil Benedikt XVI. nur Peter Seewald dieses Privileg gewährte, ansonsten Interviews aus gutem Grund mied.
Torniellis Fragen kreisen rund um angeblichen Druck und Komplotte, die zum Amtsverzicht geführt hätten. Die Intention des Interviews ist die eines „Normalisten“. Es soll Spekulationen vertreiben. Laut Tornielli habe Papst Benedikt persönlich zur Feder gegriffen, um ihm zu antworten. Allerdings veröffentlichte er noch kein Faksimile des Briefes, wie es etwa der Atheist Odifreddi umgehend tat, als er vom Emeritus Post erhielt. Es darf zumindest bezweifelt werden, daß der Heilige Stuhl zu einer so delikaten Frage ein Interview zuläßt, das gewissermaßen irgendein Journalist mit direktem Schriftverkehr mit dem zurückgetretenen Papst führt, ohne daß es vom Staatssekretariat, wenn nicht von Papst Franziskus persönlich abgesegnet wurde. Es hieße auch die Gepflogenheiten des Vatikans nicht zu kennen. Benedikt XVI. ist direkt für niemanden erreichbar. Wer zu ihm will, muß hinein und hinaus einige Ringe passieren, von denen Kurienerzbischof Gänswein nur den innersten bildet.
„Es gibt nicht den geringsten Zweifel an der Gültigkeit meines Verzichts“
„Es gibt nicht den geringsten Zweifel an der Gültigkeit meines Verzichts auf das Petrusamt“, „Spekulationen“ um diesen Rücktritt seien „einfach absurd“. Niemand habe Joseph Ratzinger zum Rücktritt gezwungen. Es gebe keine „Dyarchie“ in der Kirche, keine Doppelspitze, sondern nur einen regierenden Papst. Der „einzige und letzte Zweck“ eines emeritierten Papstes sei es, für seinen Nachfolger zu beten.
Tornielli verschickte seine Fragen am vergangenen 16. Februar. Bereits am 18. Februar erhielt er Antwort. Eine verblüffende Eile. „Es gibt nicht den geringsten Zweifel bezüglich der Gültigkeit meines Verzichts auf das Petrusamt. Einzige Bedingung für die Gültigkeit [des Amtsverzichts] ist die volle Entscheidungsfreiheit. Spekulationen bezüglich der Ungültigkeit des Amtsverzichts sind einfach absurd“, zitiert Tornielli die Antwort aus dem Kloster Mater Ecclesiae.
Tornielli erinnert dann an die Andeutungen über die Möglichkeit eines Papst-Rücktritts im Gesprächsbuch von Peter Seewald, seine Besuche am Grab eines der beiden in der Kirchengeschichte zurückgetretenen Päpste. Der Vatikanist fügt hinzu, daß es „den Menschen, die Ratzinger am nächsten standen, schon seit langem bekannt war“, daß er die Möglichkeit eines Rücktritts in Erwägung gezogen habe.
An Komplott zu glauben, sei menschlich verständlich
Tornielli meint, daß es menschlich verständlich und sogar naheliegend sei, einen in der zweitausendjährigen Kirchengeschichte nie dagewesenen Amtsverzicht aus Altersgründen, mit dem Vatileaks-Skandal im Vatikan und mit Kurienkomplotten in Verbindung zu bringen. „Das ganze Pontifikat Benedikts XVI. war ein einziger Kreuzweg, vor allem die letzten Jahre. Angefangen vom Pädophilie-Skandal, gegen den er mutig vorging, für den er nicht irgendwelche Lobbys oder externe Feinde verantwortlich machte, sondern allein das Böse in der Kirche selbst. Dann der Dokumentenraub von seinem Schreibtisch durch den Kammerdiener Gabriele“, so Tornielli. Benedikt XVI. hatte aber immer betont, daß man ein Schiff im Sturm nicht verläßt, schon gar nicht der Steuermann. Hat er es nicht dennoch getan? Altersschwäche mag eine subjektive Wahrnehmung sein, doch scheinen die Bilder eine andere Sprache zu sprechen. Alle Besucher, die Benedikt XVI. in Mater Ecclesiae treffen durften, betonen, daß er bei guter Gesundheit ist.
Auch die Tatsache, daß er weiterhin das weiße Gewand des Papstes trage, gehe nur darauf zurück, daß es im Augenblick des Amtsverzichts keine anderen Bestimmungen gab. „Auch hier handelt es sich um haltlose Spekulationen“, zitiert Tornielli die Antwort.
Benedikt erwies dem einzigen Papst Reverenz
Tornielli unterstreicht die Bedeutung des Auftritts von Benedikt XVI. am vergangenen Samstag im Petersdom. Der emeritierte Papst habe zur Erweisung seiner Reverenz den Pileolus vom Kopf genommen, als er Papst Franziskus grüßte. Damit habe er deutlich bekunden wollen, daß es nur einen Papst gibt. Tatsächlich ist es völlig ungewöhnlich den Pileolus vom Kopf zu nehmen, erst recht in einer Kirche, zumal Papst Franziskus im Moment der Begegnung Meßgewänder und Mitra trug.
Tornielli scheint damit anzudeuten, daß die Anwesenheit Benedikts XVI. im Petersdom mit der klaren Absicht gewünscht war, um „Spekulationen“ im gläubigen Volk entgegenzuwirken, die seit einem Jahr nicht verstummen wollen. Torniellis Interview dient sogar erklärtermaßen derselben Absicht.
Häretiker Küng „zitierte wörtlich und korrekt“ aus Brief
Auch der Schweizer Häretiker Hans Küng gab in den vergangenen Wochen bekannt, einen Brief von Benedikt XVI. erhalten zu haben. Darin habe der emeritierte Papst über Papst Franziskus geschrieben und seine große Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht, mit einem Mann von großer Identität der Sichtweise eine Herzensfreundschaft pflegen zu können. Wörtlich habe der Emeritus geschrieben: „Heute sehe ich meine einzige und letzte Aufgabe darin, sein Pontifikat im Gebet zu unterstützen“. Die Authentizität des von Küng zitierten Schreibens wurde in Zweifel gezogen. Tornielli stellte auch dazu eine Frage. Die lapidare Antwort aus dem Vatikan: „Prof. Küng hat die Worte meines Briefes an ihn wörtlich und korrekt zitiert“. Die Antwort auf die Fragen enden mit der Hoffnung „klar und ausreichend“ geantwortet zu haben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews