(Rom/Bonn) Falsche Schlagzeilen, die in die Irre führen. Am heutigen (Freitag) Vormittag hielt Papst Franziskus im Vatikan eine Ansprache vor der Sacra Rota Romana zur Eröffnung des neuen Gerichtsjahres. Die Heilige Rota Romana ist der zweithöchste Gerichtshof der Katholischen Kirche und Letztinstanz bei Ehenichtigkeitsverfahren. Die Schlagzeile von KNA, der Nachrichtenagentur der Deutschen Bischofskonferenz, lautete: „Papst fordert barmherziges Kirchenrecht. Papst Franziskus hat mehr Barmherzigkeit in kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren gefordert.“ KAP, die Nachrichtenagentur der Österreichischen Bischofskonferenz zog umgehend nach: „Papst für mehr Barmherzigkeit bei Annullierungen“. Eine halbe Stunde darauf machte die Online-Redaktion des Österreichischen Rundfunks (ORF) daraus die Schlagzeile: „Papst für Erleichterungen bei Annullierungen. Papst Franziskus fordert mehr Barmherzigkeit in kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren.“ Doch in der Ansprache erwähnte der Papst das Wort „Barmherzigkeit“ gar nicht. Er forderte weder „mehr Barmherzigkeit“ noch „Erleichterungen“ bei Eheannullierungen.
Das Thema Eheannullierung ist für die derzeit umstritten diskutierte Frage der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten von Bedeutung. Teile der deutschen Bischöfe wollen einen Sonderweg gehen, vor dem der Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller warnte. In die Sonderwegstrategie paßt die falsche Berichterstattung über die Papstansprache an die Kirchenrichter. Sie vermittelt falsche Eindrücke von Papst Franziskus und soll die Kirche in eine bestimme Richtung drängen. Im konkreten Fall geht es nicht um eine Interpretation mißverständlicher Papstworte, sondern um ein glatte, aber nicht desinteressierte Erfindung.
Das katholische Kirchenoberhaupt sagte in der Ansprache wörtlich: „Die rechtliche und die pastorale Dimension des kirchlichen Amtes bilden keinen Gegensatz, weil beide demselben Ziel dienen“. Und weiter: „Die Arbeit der Kirchengerichte stellt einen Dienst an der Wahrheit in der Gerechtigkeit dar und hat daher eine tiefe pastorale Konnotation, weil sie auf das Beste für die Gläubigen und die Erbauung der christlichen Gemeinschaft abzielt.“ Ein richterliches Amt stelle daher eine „wirkliche Diakonie“ dar, einen „Dienst am Volk Gottes“.
In seiner Ansprache skizzierte der Papst ein „kurzes Profil des Kirchenrichters“ in menschlicher, gerichtlicher und pastoraler Hinsicht. Zum pastoralen Aspekt des Profils eines Richters sagte der Papst: Der Kirchenrichter „ist ein Diener der Gerechtigkeit, der gerufen ist, über die Umstände der Gläubigen zu urteilen, die sich vertrauensvoll an ihn wenden, indem er den Guten Hirten nachahmt, der sich des verwundeten Schafs annimmt. Deshalb ist er von pastoraler Liebe angetrieben, jener Liebe, die Gott in unsere Herzen eingegossen hat durch ‚den Heiligen Geist, den er uns gegeben hat‘ (Römer 5,5). Die Liebe – schreibt der Heilige Paulus – „ist das Band, das vollkommen macht“ (Kolosser 3,14), und stellt die Seele der Arbeit des Kirchenrichters dar.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider