Israel bombardiert die Christendörfer im Südlibanon

"Auch wir Franziskaner mußten flüchten"


Die Melkitische Kathedrale und rechts der Turm des Franziskanerklosters von Tyrus im Libanon. Die Stadt ist wegen des israelischen Angriffs menschenleer.
Die Melkitische Kathedrale und rechts der Turm des Franziskanerklosters von Tyrus im Libanon. Die Stadt ist wegen des israelischen Angriffs menschenleer.

Die christ­li­chen Dör­fer im Süd­li­ba­non sind wie aus­ge­stor­ben. Isra­el bom­bar­diert auch sie. Deir Mimas liegt nur zwei Kilo­me­ter von der Gren­ze ent­fernt. Der Ort ist inzwi­schen men­schen­leer. Auch die Fran­zis­ka­ner des Klo­sters in Tyrus, die Deir Mimas betreu­en, muß­ten flüch­ten. Das Klo­ster gehört zur Fran­zis­ka­ner­kus­to­die des Hei­li­gen Lan­des.

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Im Klo­ster des hei­li­gen Anto­ni­us in Tyrus waren seit einer Woche Hun­der­te von Eva­ku­ier­ten unter­ge­bracht, Chri­sten und haupt­säch­lich Mos­lems. Alle, Brü­der und Schutz­su­chen­de, sind inzwi­schen nach Bei­rut geflüch­tet. Dort ist die Lage aller­dings auch prekär.

Die süd­li­che Küsten­stadt, 88 Kilo­me­ter von der Haupt­stadt ent­fernt, gleicht nun einer Wüste. Alle, Mus­li­me und Chri­sten, sind geflüch­tet, als sie zum Ziel israe­li­scher Luft­an­grif­fe gewor­den waren und die Armee des jüdi­schen Staa­tes ihre „begrenz­te Boden­ope­ra­ti­on“ im Liba­non begon­nen hat. Vor zwei Jah­ren wur­de laut­stark und empört dar­über pole­mi­siert, daß Ruß­land den Angriff auf die Ukrai­ne als „Mili­tär­ope­ra­ti­on“ her­un­ter­spie­le. Ob die­sel­ben Medi­en und Poli­ti­ker nun auch Isra­el kri­ti­sie­ren werden?

Das von Isra­el defi­nier­te Mini­mal­ziel besteht dar­in, die His­bol­lah zu neu­tra­li­sie­ren, die vom Süden des Zedern­lan­des aus Isra­el angrei­fen, was zur Eva­ku­ie­rung von 60.000 Israe­lis aus Oberga­li­läa gezwun­gen hat. Vie­le Liba­ne­sen befürch­ten jedoch, daß sich die israe­li­sche Inva­si­on von 1982 wie­der­ho­len wird: Auch damals war sie als „begrenzt“ bezeich­net wor­den. In Wirk­lich­keit wur­de dar­aus eine mili­tä­ri­sche Besat­zung von 18 Jahren.

Als Ver­gel­tung für die Tötung von His­bol­lah-Füh­rer Hassan Nas­ral­lah und ande­re geziel­te Tötungs­at­ten­ta­te durch Isra­el hat der Iran Isra­el mit Rake­ten ange­grif­fen, den Angriff aber vor­ab UNO-Ver­tre­tern mit genau­er Zeit­an­ga­be ange­kün­digt. Noch scheint man den gro­ßen Krieg ver­hin­dern zu wollen.

Die Chri­sten muß­ten Deir Mimas aber auf­ge­ben. Die­ses aus­schließ­lich von Chri­sten bewohn­te Dorf wur­de von ihnen flucht­ar­tig ver­las­sen. Abu­na Tou­fic, „unser Vater“ Tou­fic, so wird der Fran­zis­ka­ner­pa­ter Tou­fic Bou Merhi von den Men­schen genannt, der für den Ort in den Ber­gen über dem Fluß Lita­ni zustän­dig ist, bemüh­te sich die Flucht, so gut es mög­lich war, zu beglei­ten. Er sprach mit der Monats­zeit­schrift Tem­pi.

Die noch als Rui­ne beein­drucken­de Kreuz­rit­ter­burg Beau­fort bei Deir Mimas

In der Nähe von Deir Mimas liegt die alte Kreuz­rit­ter­burg Beau­fort, die 1139 von König Ful­ko von Jeru­sa­lem errich­tet wur­de. 1268 wur­de die Burg und ihre Umge­bung von den Mos­lems erobert. Der Ort wird seit alters von ortho­do­xen und katho­li­schen Chri­sten bewohnt. Der Name des rund 5000 Ein­woh­ner zäh­len­den Chri­sten­dor­fes lei­tet sich vom hei­li­gen Mam­mas oder Mames ab, der als Jugend­li­cher in der Chri­sten­ver­fol­gung unter Kai­ser Aure­li­an das Mar­ty­ri­um erlit­ten hat­te. Das nach ihm benann­te aus dem Mit­tel­al­ter stam­men­de grie­chisch-ortho­do­xe Klo­ster in Deir Mimas wur­de vom israe­li­schen Mili­tär im Liba­non­krieg von 2006 zer­stört, aber wie­der aufgebaut.

Zur nun­meh­ri­ge Flucht kam es, als auch das Chri­sten­dorf von Isra­el beschos­sen wur­de. Der Juden­staat will die His­bol­lah hin­ter eine bestimm­te Linie im Nor­den zurück­drän­gen. Dafür wird ver­brann­te Erde geschaffen.

Die Chri­sten erhiel­ten kurz vor dem Angriff die War­nung wie 30 wei­te­re Orte im Süd­li­ba­non: „Die Israe­li­schen Ver­tei­di­gungs­kräf­te wol­len euch nichts antun, doch zu eurer eige­nen Sicher­heit müßt ihr eure Häu­ser sofort ver­las­sen. Jeder, der His­bol­lah-Agen­ten bei­steht, bringt sein Leben in Gefahr. Jedes Haus, das von der His­bol­lah für ihre mili­tä­ri­schen Zwecke genutzt wird, wird getrof­fen werden.“

Um der Auf­for­de­rung Nach­druck zu ver­lei­hen, wur­de die Gegend dar­auf­hin beschos­sen, und anders als in der War­nung gesagt, geschah dies undifferenziert.

Das Chri­sten­dorf Deir Mimas wur­de wegen der israe­li­schen Luft­an­grif­fe flucht­ar­tig verlassen

Abouna Tou­fic ver­ließ am Mon­tag­nach­mit­tag das Klo­ster in Tyrus „mit dem Tod im Her­zen“, wie er sagt. Die Bewoh­ner des mus­li­mi­schen Vier­tels, in dem das Klo­ster steht, hat­ten zu die­sem Zeit­punkt bereits die Flucht ergrif­fen. Pater Tou­fic sagt, er habe zu sei­nen Mit­brü­dern gesagt: „Wir sind nicht hier, um Hel­den zu sein oder um die Stei­ne zu bewa­chen. Wenn wir nicht mehr gebraucht wer­den, weil alle weg sind, soll­ten wir auch gehen. Wir wer­den in Bei­rut nütz­li­cher sein.“

Der Pfar­rer von Tyrus nahm nur „das Nötig­ste“ mit: das Aller­hei­lig­ste und die Reli­qui­en, und dann folg­te auch er in die Haupt­stadt. „Ich ver­folg­te die Flucht mei­ner Gemein­de­mit­glie­der. Sie teil­ten sich in vie­le Auto­grup­pen, aber es war nicht ein­fach, denn auch Autos wur­den ange­grif­fen und die Stra­ße nach Bei­rut bom­bar­diert. Glück­li­cher­wei­se sind alle dort angekommen.“

Das Massaker an Zivilisten in Tyrus

Kein sol­ches Glück hat­ten die Bewoh­ner des mus­li­mi­schen Vier­tels von Tyrus, die am Sams­tag, dem 28. Sep­tem­ber, von einer Rake­te getrof­fen wur­den. Die Rake­te schlug 50 Meter vom Klo­ster ent­fernt ein, in dem sich bereits Dut­zen­de ver­äng­stig­ter Zivi­li­sten befan­den. Neun Häu­ser wur­den zer­stört, zwölf Men­schen getö­tet. Alles Zivi­li­sten. „Es war schreck­lich“, sagt der Fran­zis­ka­ner. „Das Klo­ster beb­te, Mau­er­tei­le fie­len von den Decken, zwei Kin­der wur­den ver­letzt. Ich ging aus dem Klo­ster, um alle, die drau­ßen waren, auf­zu­for­dern, wie­der her­ein­zu­kom­men. Ich sah, wie die Toten und Ver­wun­de­ten des Bom­ben­an­griffs auf Bah­ren fort­ge­bracht wur­den, und öff­ne­te den Schutz­su­chen­den die Türen der Kirche.“

Eines der Opfer, Abbas, hat­te den Eva­ku­ier­ten im Klo­ster gera­de ver­spro­chen, ihnen „ein gutes Früh­stück zu brin­gen“. Er schick­te sei­nen Sohn und begab sich selbst zum Essen zu sei­nen Brü­dern. Wäh­rend die Men­schen im Klo­ster auf das Früh­stück war­te­ten, geschah die Tra­gö­die: „Der Mann starb bei der Bom­bar­die­rung, der Sohn wur­de geret­tet.“ Pater Tou­fic sagt: „Ich wuß­te nicht, was ich den Men­schen im Klo­ster sagen sollte.“

Eine ande­re Fami­lie, „die gan­ze Fami­lie“, wur­de durch die Angrif­fe „völ­lig aus­ge­löscht: Groß­va­ter, Groß­mutter, Kin­der mit Frau­en, auch die Jüng­ste, ein ein­ein­halb­jäh­ri­ges Mäd­chen. Nur die sechs­jäh­ri­ge Sila ist noch am Leben: Sie hat nie­man­den mehr auf der Welt“.

In der Nacht des Anschlags schlief Abouna Tou­fic nicht, son­dern ver­faß­te ein Gebet, das er am näch­sten Mor­gen in der Mes­se verlas:

„Lie­be Bom­be, bit­te laß uns in Ruhe. Lie­be Rake­te, explo­die­re nicht, gehor­che nicht der Hand des Has­ses. Ich bit­te dich, denn ande­re Ohren haben sich ver­schlos­sen und die Her­zen der Ver­ant­wort­li­chen sind ver­här­tet. Also hört ihr mir zu, ich bit­te euch. Sie nen­nen euch intel­li­gen­te Bom­ben, seid schlau­er als die­je­ni­gen, die euch benut­zen. Es gibt nie­man­den mehr zu töten. Fami­li­en sind aus­ge­rot­tet. Genug, genug! Aber zu wem soll ich schrei­en? Zum Herrn? Er hat nichts mit Haß zu tun, er hat die Lie­be geschaf­fen, aber der Mensch hat sie abge­lehnt. Was ist unse­re Sün­de, daß sie eine so schwe­re Stra­fe ver­dient? Viel­leicht ist unse­re ein­zi­ge Sün­de die­ses Stück Land, das vom Herrn geseg­net und vom Men­schen ent­weiht wur­de. Unse­re Sün­de besteht dar­in, daß wir in die­sem Land gebo­ren wur­den, das seit über 50 Jah­ren lei­det und den Preis für die Lei­den ande­rer bezahlt.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​Dale Corazon/​MiL

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1 Kommentar

  1. Und kein Wort von den Fol­ter­shows, ogleich sie von den Hamas selbst flei­ßig ver­brei­tet wur­de, der eng mit den His­bol­lah ver­bün­de­ten Hamas an den Juden, die sich einen schnel­len Tod durch Bom­ban­die­rung gewiss gewünscht hätten.
    Und kein Wort von den durch die His­bol­lah getö­te­ten Kin­dern, Dru­sen, die fra­gen, war­um Bei­rut noch steht, nach die­sem Mas­sa­ker.https://​www​.isra​el​heu​te​.com/​e​r​f​a​h​r​e​n​/​d​r​u​s​e​n​-​i​n​-​i​s​r​a​e​l​-​s​i​n​d​-​e​m​p​o​e​r​t​-​u​e​b​e​r​-​d​a​s​-​m​a​s​s​a​k​e​r​-​d​e​r​-​h​i​s​b​o​l​l​a​h​-​a​n​-​k​i​n​d​e​rn/

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