
(Peking) Das kommunistische Regime der Volksrepublik China legte den Entwurf für die Neuregelung religiöser Aktivitäten. Das Ergebnis der „ehrlichen Bemühungen um eine Verbesserung der Beziehungen mit dem Vatikan“ ist eine neue Daumenschraube. Die „Neue Ostpolitik“ des Vatikans macht sich nicht bezahlt.
Offiziell klingt alles ganz anders. Die Pekinger Regierungssprecherin Hua Chunying erklärt am 29. August zum Verhältnis zur katholischen Kirche:
„China hat sich immer ehrlich um eine Verbesserung der Beziehungen mit dem Vatikan bemüht und sich unermüdlich dafür eingesetzt. Aktuell ist der Kanal des Kontaktes und des Dialogs zwischen beiden Seiten effizient und frei von Hindernissen. Wir sind bereit, zusammen mit dem Vatikan, an einem konstruktiven Dialog zu arbeiten, in dieselbe Richtung zu marschieren und neue Fortschritte im Prozeß einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu fördern.“
Im neuen Regierungsentwurf sehen Chinas Untergrundkatholiken und Hong Kongs emeritierter Bischof, Joseph Kardinal Zen, die Bestätigung, daß die „Neue Ostpolitik“ des Vatikans die Christen des Landes gefährdet. Architekt der „Neuen Ostpolitik“ ist Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Auftrag von Papst Franziskus (siehe dazu Vatikan-China: Kontakt „frei von Hindernissen“ – Die Sorgen der chinesischen Untergrundkirche).
„Zweite Kulturrevolution“ – „Keine Kompromisse mit religiösen Gruppen“
Am vergangenen 22./23 April fand hinter verschlossenen Türen das ranghöchste Treffen der obersten chinesischen Staatsführung zum Thema Religion seit 15 Jahren statt. Staats- und Parteichef Xi Jinping betonte im Vorfeld, daß das Thema Religion ein Frage der „Staatssicherheit und der nationalen Einheit“ sei. Es sei daher „notwendig“, daß die Religionen „ihre Lehren mit der chinesischen Kultur vermischen, den chinesischen Gesetzen gehorchen und sich ganz der Reform Chinas und der sozialistischen Modernisierung verschreiben, um zur Verwirklichung des chinesischen Traumes beizutragen“. John Mok Chit Wai von der chinesischen Universität Hong Kong bestätigte AsiaNews die Aussagen von Yi Jinping: „Ich denke, daß es ziemlich eindeutig ist, daß Xi keine Absicht hat, irgendeinen Kompromiß mit religiösen Gruppen einzugehen. Ganz im Gegenteil. Xi hat klargestellt, daß es keinerlei Kompromiß geben kann: Die Partei hat über den Religionen zu stehen.“ Der chinesische Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivist Sang Pu aus Hong Kong sagte: „Soweit mir bekannt, sieht niemand hier in Hong Kong in der Rede von Xi eine gute Nachricht“. Xi bereite eine „zweite Kulturrevolution“ vor, „um alle Religionen zu dezimieren“.
Der nun vorgelegte Entwurf sieht Geldstrafen bis zu 200.000 Yuan (27.000 Euro) für „illegale religiöse Aktivitäten“ vor. Das Durchschnittsgehalt in Shanghai beträgt derzeit monatlich weniger als 300 Euro. Die Liste „illegaler religiöser Aktivitäten“ ist lang und willkürlich erweiterbar.
Dazu gehören laut Entwurf beispielsweise nicht von der Regierung genehmigte Auslandsreisen oder Pilgerfahrten und grundsätzlich „Abhängigkeit vom Ausland“. Genau das, „Abhängigkeit“ vom Vatikan, einer „ausländischen Macht“, wird den Katholiken seit der kommunistischen Machtübernahme 1949 zum Vorwurf gemacht und ist seither Grund für Verfolgung.
Entwurf soll Regelung von 2004 ersetzen
Der neue Entwurf soll die Regelung von 2004 ersetzen. Er besteht aus neun Kapiteln und 74 Artikeln. Bisher waren es 48. Die Handschrift des Textes ist kommunistisch. Das Regime behauptet dabei in Worten die Nicht-Diskriminierung. Sämtliche religiöse Aktivitäten auf allen Ebenen müssen vom Staat vorab genehmigt werden. Ohne zu definieren, was Religion für das kommunistische Regime genau bedeutet, behauptet Artikel 2 des Entwurfs, daß „die Staatsbürger Religionsfreiheit genießen“. Es gebe keinen Zwang etwas zu glauben oder nicht zu glauben. „Keine Organisation (…) darf die Staatsbürger diskriminieren, die an eine Religion glauben.“
Das Gegenteil ist jedoch seit Jahrzehnten Realität in der Volksrepublik China. Erst im Mai 2015 bekräftigte die Kommunistische Partei Chinas das Religionsverbot für die rund 87 Millionen Parteimitglieder. Diese seien „Kämpfer für das kommunistische Bewußtsein“. Das Religionsverbot gilt für Parteimitglieder und Beamte auch im Privaten und selbst nach ihrer Pensionierung. Wer dagegen verstößt, dem drohen drastische Strafen. Grund für die Verschärfung ist, daß laut Schätzungen zehn Prozent der Parteimitglieder geheim dem Christentum oder einer anderen Religion angehören. Der protestantische Pastor Liu Fenggang von Peking sagte im vergangenen Jahr gegenüber Radio Free Asia, auch unter den höchsten Führungskadern der KP gebe es Christen.
Strenge Baubestimmungen und Internetkontrollen
Zu den auffälligsten Neuheiten des Entwurfs zählen genaue und strenge Baubestimmungen für religiöse Gebäude und die Sichtbarkeit christlicher Symbole in der Öffentlichkeit. Die im Frühjahr 2014 gestartete Zerstörungskampagne gegen „zu sichtbare“ Kirche und christliche Symbole in der Provinz Zhejiang findet damit Niederschlag in der gesamtchinesischen Religionspolitik.

Neu sind auch Internetbestimmungen (Art. 47–48). Jede religiöse Information im Internet bedarf einer staatlichen Genehmigung und darf keine „verbotenen Inhalte“ haben. Was „verboten“ ist, bestimmt das Regime.
Jede religiöse Aktivität bedarf einer Genehmigung und unterliegt damit staatlicher Kontrolle. Artikel 6 des Entwurfs definiert, daß Religionen nur dann „legal“ sind, wenn sie von der „Volksregierung“ und ihren Abteilungen für Religionsangelegenheiten geleitet sind. Religion wird nur geduldet, wenn sie dem Staat unterworfen und von diesem gelenkt wird.
Zur „Bestätigung“ der behaupteten „Religionsfreiheit“ und der „ehrlichen Bemühungen“ enthält Artikel 44 des Entwurfs ein kategorisches Missionsverbot. Verboten sind zudem die Gründung von religiösen Organisationen und das Abhalten religiöser Aktivitäten an staatlichen Schulen.
Xi Jinping hält an Mao Tse-tungs Religionspolitik fest
Die Prinzipien der volkschinesischen Religionspolitik rühren noch von Mao Tse-tung her, der die Religionen zuerst vernichten wollte. Als er die Unmöglichkeit dieses Unternehmens einsehen mußte, versuchte er sie zumindest mit eiserner Hand zu kontrollieren. Für das Regime bedeutet das seither, den Kontakt der katholischen Kirche Chinas zur Kirchenführung in Rom zu unterbinden, die als „ausländische Macht“ gesehen wird. Dazu wurde mit der Katholischen Patriotischen Vereinigung eine regimehörige Nationalkirche geschaffen. Die Katholiken, die dem Papst treu und mit der Weltkirche verbunden blieben, gingen in den Untergrund. Diese Untergrundkirche erregt immer neu den Zorn des Regimes. Es will sie auslöschen und unter ihre Kontrolle bringen.
Die Untergrundkatholiken befürchten, daß die „Neue Ostpolitik“ des Vatikans zu ihrer Auslieferung an das Regime führt. Gegen unbedeutende Erleichterung könnten die Untergrundbischöfe und Untergrundpriester von Rom aufgefordert werden, sich zu erkennen zu geben und registrieren zu lassen. Die Kirche würde damit, so die Befürchtungen, den kommunistischen Machthabern auf dem silbernen Tablett serviert und jede Eigenständigkeit einbüßen.
Der neue Entwurf richtet sich nicht gleichermaßen gegen alle Religionen. Er sieht Sonderbestimmungen gegen den tibetischen Buddhismus und gegen die katholische Kirche vor. Auf diese beiden religiösen Erscheinungen richtet sich das besondere Augenmerk der repressiven Religionspolitik.
Repressives Augenmerk auf tibetischen Buddhismus und katholische Kirche
Gegenüber dem tibetischen Buddhismus geht es darum, eine mögliche, nicht autorisierte „Reinkarnation“ des Dalai Lama zu verhindern. Gegenüber der katholischen Kirche geht es dem Regime in erster Linie um die Untergrundbischöfe. Die Registrierungspflicht von Bischöfen und Priestern macht jede Aktivität, ob die Zelebration einer Heiligen Messe oder die Spendung der Sakramente, zu einer „illegalen“ Aktion, wenn sie von einem Bischof oder Priester ausgeführt wird, der nicht registriert ist. Der Strafverfolgung sind damit Tür und Tor geöffnet. Der Untergrundklerus denkt nach Jahrzehnten der Verfolgung aber nicht daran, sich registrieren zu lassen.
Asianews berichtete jedoch von wachsendem Druck, der in verschiedenen Diözesen auf den nicht-registrierten Klerus ausgeübt wird, um ihn in die regimehörige Patriotische Vereinigung zu zwingen.
Bis zum 7. Oktober könnten Änderungsvorschläge zu dem am 8. September vorgelegten Entwurf eingebracht werden. Asianews zitierte jedoch ein Mitglied der KPCh mit den Worten: „Man sagt, es sei ein Entwurf. In Wirklichkeit handelt es sich bereits um den endgültigen Text.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews