
(Paris) In Zeiten der Berufungskrise, die gerade auch die alten Ordensgemeinschaften belasten, fallen Ausnahmen auf. Sie drängen die Frage auf, warum bestimmte Gemeinschaften und Klöster von der Berufungskrise nicht berührt werden. Die Geschichte des Klosters von Rosans umfaßt nur 25 Jahre. Darin enthalten ist jedoch die Geschichte dieses benediktinischen Zweiges. So idyllisch das Kloster von Rosans in seiner Abgeschiedenheit liegt, so dramatisch ist die 200 jährige Geschichte der französischen Benediktinerinnen des Heiligsten Sakramentes.
Zu den Gemeinschaften, die nicht wegen Berufungsmangel stöhnen, zählt die Benediktinerinnenabtei Notre-Dame de Miséricorde von Rosans. Die Abtei befindet sich im gleichnamigen Ort im französischen Departement Hautes-Alpes der Region Provence-Alpes-Cote d’Azur nahe der Stadt Gap.
1991 erfolgte der Schritt zur Neugründung
Das Benediktinerinnenkloster von Rosans wurde 1991 gegründet. Sechs Schwestern setzten damals den ersten Schritt zu einer Tochtergründung der Benediktinerinnenabtei Notre-Dame-de-Fidélité von Jouques im Department Bouches-du-Rhà´ne derselben Region.
Sie ließen sich in den Gebäuden eines alten landwirtschaftlichen Guts namens „Baudon“ nieder. Baudon ist der okzitanische Name für Benedikt. Einer der Gründe, weshalb sich die Benediktinerinnen am richtigen Ort fühlten. Ein anderer Grund war die Abgeschiedenheit.

1992 wurde mit dem Umbau des Hofes in ein Kloster begonnen. Dazu gehörte vor allem die Einrichtung von Zellen. Aus der Scheune wurde die Klosterkirche.
Das Priorat entwickelte sich gut, sodaß 1998 Novizinnen aufgenommen werden konnten. 2002 erfolgte die Erhebung zu einer eigenständigen Abtei. Die 2000 vom Konvent zur Priorin gewählte Mutter Françoise Mathieu wurde zur ersten Äbtissin.
Im Juni 2003 erfolgte die Benediktion der Äbtissin durch Bernard Kardinal Panafieu den damaligen Erzbischof von Marseille. 2005 wurde die Abteikirche geweiht. Die Weihe nahm Kardinal Panafieu mit dem zuständigen Diözesanbischof Jean-Michel di Falco von Gap und Bischof N’Koué von Natitingou in Benin vor. Bischof di Falco fiel in der Vergangenheit auch durch seine Traditionsfreundlichkeit auf.
Inzwischen leben 22 Schwestern im Kloster.
Das 1967 gegründete Mutterkloster von Jouques zählt über 60 Schwestern. Von dort aus erfolgte inzwischen eine weitere Tochtergründung. Im Herbst 2005 wurde im Bistum Natitingou in Benin mit dem Kloster Notre Dame de l’Ecoute ein neues Priorat gegründet.
Eine Geschichte der Verfolgung und der Hoffnung
Durch die Französische Revolution waren in Frankreich sämtliche Orden verboten worden. Erst nach dem Ende der Napoleonischen Herrschaft konnte das Ordensleben langsam wieder entstehen. 1816 gründete die Prinzessin Louise Adélaide von Boubon-Condé in Paris das Kloster Saint-Louis-du-Temple der Benediktinerinnen des Heiligsten Sakramentes.

Die Prinzessin mußte 1789 als Angehörige der königlichen Familie aus Frankreich flüchten. In Turin begann sie einen geistlichen Weg. Der Vormarsch der französischen Revolutionstruppen zwang sie immer neu zur Flucht. Im damals zum russischen Zarenreich gehörenden Teil Polens legte sie 1802 in Warschau bei den Benediktinerinnen des Heiligsten Sakramentes die ewigen Gelübde ab. Wegen der Eroberungen Napoleons mußte sie jedoch ihre Flucht nach England fortsetzen.
Erst nach dem Sieg über Napoleon konnte sie nach 25 Jahren im Exil wieder nach Frankreich zurückkehren, wo sie das erste Benediktinerinnenkloster nach der Revolution gründete.
Die Gründung erfolgte mit Hilfe einer Schenkung von König Ludwig XVIII. bewußt im Tour de Temple. Vor der Französischen Revolution hatte Prinz Louis-François de Bourbon-Conti, ebenfalls Angehöriger einer bourbonischen Nebenlinie, im Pariser Temple Vertreter der Aufklärung, darunter Jean-Jacques Rousseau, in die hohe Gesellschaft eingeführt. Der Gegenschlag erfolgte mit der Revolution. Die von den Revolutionären gefangengenommene Königsfamilie wurde im Tour de Temple festgehalten. 1793 wurden König Ludwig XVI. und Königin Marie-Antoinette hingerichtet. Ihr Sohn, der Kronprinz und Thronfolger Ludwig (XVII.) starb 1795, erst zehn Jahre alt, an den Strapazen der Haft. Sein Herz, dessen Echtheit 2000 durch einen DNA-Test bestätigt wurde, befindet sich seit 2004 in der Kathedrale von Saint-Denis bei Paris.
Diese tragischen Verknüpfungen veranlaßten Prinzessin Louise-Adélaï de de Bourbon-Condé, die als Benediktinerin den Ordensnamen Marie-Josephine de la Misércorde angenommen hatte, das Kloster dort zu errichten, wo die Königsfamilie gefangengehalten und ausgelöscht worden war.
Das Kloster spielte bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle im Kulturleben Frankreichs und unter katholischen Intellektuellen.
15 Stunden, um das Kloster zu verlassen
Nach der erneuten Revolution von 1848 wurde die Schenkung des Temple von den neuen Machthabern rückwirkend für ungültig erklärt. Die Benediktinerinnen hatten innerhalb von 15 Stunden das Kloster zu verlassen.

Nach der Straße, in der sie in einem anderen Pariser Stadtteil eine neue, bescheidene Bleibe gefunden hatten, wurden sie als Benediktinerinnen de la rue Monsieur bekannt. Mit dem kirchenfeindlichen Gesetz der „Trennung von Staat und Kirche“ wurde das Kloster 1904 aufgehoben und der gesamte Besitz vom Staat beschlagnahmt.
Erneut standen die Schwestern auf der Straße und mußten mehrfach umziehen. 1932 zur eigenständigen Abtei erhoben mußten sie 1938 erneut die Gebäude aufgeben. Nach 120 Jahren kehrten sie Paris den Rücken.
Nach einer Zwischenetappe in Meudon fand die Abtei Saint-Louis du Temple eine neue Heimstatt in Vauhallan in Limon südlich von Paris, wo sie durch Umbauten bis 1956 ein Kloster errichteten.
1967 konnte als Tochtergründung das Kloster Notre-Dame-de-Fidélité in Jouques errichtet werden. 1970 wurde daraus ein Priorat mit eigenem Noviziat. 1981 wurde das Kloster in Jouques zur eigenständigen Abtei erhoben.
Jede der Neugründungen in der Kette Limon – Jouques – Rosans erfolgte in einer strengeren Weise, womit die Nachahmung des ursprünglichen Ordensideals angestrebt wird.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: abbayederosans.fr