Papst Franziskus beschneidet massiv Kompetenzen von Kardinal Pell


Papst Franziskus mit Kardinal George Pell
Papst Franziskus mit Kardinal George Pell

(Rom) In den ver­gan­ge­nen Mona­ten hat­ten Gerüch­te es in Rom bereits ange­kün­digt, nun ist es ein­ge­tre­ten: Die Zustän­dig­kei­ten des austra­li­schen Kar­di­nals Geor­ge Pell an der Römi­schen Kurie wur­den von Papst Fran­zis­kus mit einem neu­en Motu pro­prio mas­siv beschnitten.

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Als am 13. März 2014 der Name des neu­en Pap­stes bekannt­ge­ge­ben und der Name „Geor­gi­um“ genannt wur­de, hat­ten vie­le auf ihn getippt: Die Kar­di­nä­le hat­ten jedoch nicht Geor­ge Pell, son­dern Jor­ge Mario Berg­o­glio zum katho­li­schen Kir­chen­ober­haupt gewählt.

Als ein­zi­ger ozea­ni­scher Kar­di­nal rutsch­te der dama­li­ge Erz­bi­schof von Syd­ney einen Monat nach dem Kon­kla­ve in den von Papst Fran­zis­kus errich­te­ten C8-Kar­di­nals­rat (heu­te C9), der den Papst bei der Kuri­en­re­form und der Lei­tung der Welt­kir­che bera­ten soll.

Die unerwartete Berufung nach Rom

Am 24. Febru­ar 2014 hol­te ihn Fran­zis­kus sogar an die Römi­sche Kurie und ernann­te ihn zum ersten Kar­di­nal­prä­fek­ten des neu­en Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats. Die Beru­fung löste eini­ges Stau­nen aus, da bekannt war, daß der tra­di­ti­ons­freund­li­che Austra­li­er nicht gera­de auf einer Wel­len­län­ge mit dem amtie­ren­den Papst liegt. Bei der Dop­pel­syn­ode über die Fami­lie fand sich der Kar­di­nal in der ersten Rei­he der Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Moral­leh­re und Sakra­men­ten­ord­nung gegen die vom Papst bevor­zug­te „neue Barm­her­zig­keit“ von Kar­di­nal Wal­ter Kasper.

Kardinal Pell mit Papst Benedikt XVI.
Kar­di­nal Pell mit Papst Bene­dikt XVI.

Kar­di­nal Pell war mit sei­ner Beru­fung nach Rom zwar zum Dik­aste­ri­en­lei­ter auf­ge­stie­gen, ver­füg­te aber an der Römi­schen Kurie über nicht mehr als einen schö­nen Titel.

Unter­des­sen begann Fran­zis­kus mit dem Umbau des austra­li­schen und ozea­ni­schen Episkopats.

Kar­di­nal Pell, ein Mann der Tat, hat­te nicht vor, sich in Rom in ein Büro abschie­ben zu las­sen, um sei­ner Pen­sio­nie­rung ent­ge­gen­zu­har­ren. Als guter Ver­wal­ter bekannt, begann er tat­kräf­tig umzu­set­zen, wofür er geru­fen wor­den war: eine gute Ver­wal­tung auf­zu­bau­en, in der alle wirt­schaft­li­chen und finan­zi­el­le Berei­che koor­di­niert wer­den. Und wenn ihm nie­mand dabei half, so half er sich eben selber.

Das fan­den eini­ge ande­re Dik­aste­ri­en wie­der­um über­haupt nicht lustig. Sie befürch­te­ten eine Kom­pe­tenz­be­schnei­dung. Schon gar nicht woll­ten sich eini­ge in die (Finanz-)Karten schau­en lassen.

Pells Ruf als „Ratz­in­ge­ria­ner“ war ihm im ver­än­der­ten Rom kei­nes­wegs dienlich.

Bevor der Kar­di­nal rich­tig los­le­gen konn­te, setz­ten bereits Intri­gen gegen ihn ein, die an Inten­si­tät mit der Zeit zunah­men Das ging soweit, daß im Früh­jahr 2016 selbst von Pells Umfeld sei­ne Abbe­ru­fung nicht mehr aus­ge­schlos­sen wur­de. Die Gerüch­te beka­men am ver­gan­ge­nen 8. Juni neue Nah­rung, als der Kar­di­nal das 75. Lebens­jahr voll­ende­te und gemäß Kir­chen­recht dem Papst sei­nen Rück­tritt anbie­ten muß­te. Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ ant­wor­te­te an jenem Tag auf die Jour­na­li­sten­fra­ge, ob der Kar­di­nal wei­ter­hin im Vati­kan tätig sein wer­de, mit den Wor­ten: „Ich gehe davon aus, daß wir ihm gra­tu­liert haben.“

Tornielli lesen, um Zweck des neuen Motu proprio zu verstehen

Einen Monat spä­ter erließ der Papst am 4. Juli das Motu pro­prio I beni tem­po­ra­li (Die zeit­li­chen Güter) über eini­ge öko­no­mi­sche und finan­zi­el­le Zustän­dig­kei­ten. Liest man das Tages­bul­le­tin des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes erfährt man gar nichts, weil offen­bar nichts gesagt wer­den woll­te. Um zu ver­ste­hen, was Papst Fran­zis­kus mit dem neu­en Motu pro­prio bezweckt, muß­te man einen Arti­kel des päpst­li­chen Hof­va­ti­ka­ni­sten Andrea Tor­ni­el­li bei Vati­can Insi­der lesen.

Tor­ni­el­li schrieb am ver­gan­ge­nen Sams­tag: „Die Güter­ver­wal­tung des Apo­sto­li­schen Stuhls (APSA) ver­wal­tet wie­der das gesam­te Vermögen.“

2014, als Papst Fran­zis­kus das neue vati­ka­ni­sche Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at schuf, soll­te es als „Super­mi­ni­ste­ri­um“ Ver­wal­tung und Kon­trol­le des gesam­ten Wirt­schafts- und Finanz­be­reichs aus­üben. Mit dem neu­en Motu pro­prio bleibt Kar­di­nal Pell nur mehr die Kon­trol­le. Papst Fran­zis­kus habe, so Tor­ni­el­li, eine „kla­re und unmiß­ver­ständ­li­che Tren­nung“ zwi­schen der Ver­mö­gens­ver­wal­tung und der Kon­troll­aus­übung über die Ver­wal­tung vor­ge­nom­men. Mit ande­ren Wor­ten: Kar­di­nal Pells Dik­aste­ri­um ist wie­der kaum mehr als ein Büro.

Die wich­tig­ste Aus­sa­ge fin­det sich im aller­letz­ten Satz von Tor­ni­el­lis Arti­kel: „Gleich­zei­tig wird die Macht über die Güter des Hei­li­gen Stuhls kol­le­gia­ler gemacht und kon­zen­triert sich weni­ger in den Hän­den einer ein­zi­gen Person.“

Kar­di­nal Pell hat­te kei­ne „Macht­kon­zen­tra­ti­on“ gesucht, son­dern ledig­lich das päpst­li­che Motu pro­prio zur Errich­tung des Wirt­schafts­se­kre­ta­ria­tes von 2014 wort­ge­treu umge­setzt. Ande­re Kuri­en­mit­ar­bei­ter haben mehr Gewicht für Papst Fran­zis­kus als Kar­di­nal Pell. Offen­bar hat­ten jene recht, die bereits 2014 ver­mu­te­ten, Kar­di­nal Pell wer­de nach Rom beru­fen, um ihn kaltzustellen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/Vatican.va/OR (Screen­shot)

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