(Rom) Die Evangelisch-Lutherische Kirche zeigte sich hocherfreut von den Worten von Papst Franziskus über Martin Luther, die das katholische Kirchenoberhaupt am 26. Juni auf dem Rückflug von Armenien nach Rom äußerte. Dekan Heiner Bludau von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien veröffentlichte am 27. Juni im Namen der Lutheraner eine offizielle Erklärung. Darin heißt es:
„Freude und Brüderlichkeit sind die Gefühle, mit denen wir die Worte des Papstes aufnehmen, die den Wert des ökumenischen Dialogs zwischen der Lutherischen Kirche und der Römisch-Katholischen Kirche bekräftigen. Wir hoffen, daß dieser Dialog weltweit und hier in Italien immer mehr wachse. Außerdem wurde mit dem Besuch in der Christuskirche unserer Gemeinschaft in Rom – den Papst Franziskus im vergangenen November machte und damit die bereits von seinen beiden Vorgängern vollzogene Geste der Öffnung wiederholte – der Wert unserer ökumenischen Beziehung bezeugt, bei der Dialog und Gebet zwei wesentliche Dimensionen sind. Wir hoffen nun, daß diese Beziehung 2017 mit Blick auf das Jubiläum der Reformation noch weiter vertieft wird als wirkliches, gemeinsam gelebtes Christus-Fest in der Überzeugung, daß die gemeinsamen Elemente zwischen unseren Kirchen eindeutig wichtiger sind, als die auch existierenden Unterschiede.“
Was aber hatte Papst Franziskus zu Martin Luther gesagt, das die lutherische Gemeinschaft zu solchen Gefühlen der „Freude und Brüderlichkeit“ veranlaßte? Der Vatikan veröffentlichte inzwischen die offizielle Abschrift der spontanen Antworten (siehe dazu auch Papst Franziskus wiederholt Kaspers-Skandalthese: „Martin Luther hatte recht“).
Der ARD-Journalist Tilmann Kleinjung hatte den Papst bei der fliegenden Pressekonferenz gefragt:
„Heiliger Vater, ich wollte Ihnen eine Frage stellen: „Sie haben heute von den Gaben gesprochen, die von den Kirchen geteilt werden, gemeinsam. Da Sie in vier Monaten nach Lund gehen werden, um den 500. Jahrestag der Reformation zu gedenken, denke ich, daß das vielleicht der richtige Augenblick ist, um nicht nur der Wunden auf beiden Seiten zu gedenken, sondern auch, um die Gaben der Reformation anzuerkennen, und vielleicht auch – und das ist eine häretische Frage –, um die Exkommunikation Martin Luthers aufzuheben oder zurückzunehmen oder für irgendeine Rehabilitierung. Danke.
Papst Franziskus antwortete darauf:
„Ich glaube, daß die Absichten Luthers nicht falsch waren. Er war ein Reformator. Vielleicht waren einige Methoden nicht richtig, aber zu jener Zeit, wenn wir die Geschichte von [Ludwig von] Pastor lesen – einem deutschen Lutheraner, der sich bekehrte und katholisch wurde, als er die Wirklichkeit jener Zeit erkannte – dann sehen wir, daß die Kirche nicht gerade ein nachahmenswertes Vorbild war: es gab Korruption, Weltlichkeit, Anhänglichkeit an Geld und Macht. Deshalb hat er protestiert. Er war intelligent und machte einen Schritt vorwärts, indem er rechtfertigte, was er tat.
Und heute sind wir Protestanten und Katholiken mit allen Protestanten uns einig über die Rechtfertigungslehre: zu diesem so wichtigen Punkt lag er nicht falsch. Er machte eine ‚Medizin‘ für die Kirche, dann hat sich diese Medizin konsolidiert in einem Status der Dinge, zu einer Disziplin, in eine Art, zu machen, zu glauben, in liturgischer Weise.
Aber es war nicht er allein: da war Zwingli, da war Calvin … Und hinter ihnen standen welche Prinzipien? Das Prinzip ‚cuius regio eius religio‘. Wir müssen uns in die Geschichte jener Zeit versetzen. Es ist eine nicht leicht zu verstehende Geschichte, nicht leicht. Dann sind die Dinge weitergegangen. Heute ist der Dialog sehr gut, und dieses Dokument über die Rechtfertigung ist, glaube ich, eines der reichsten ökumenischen Dokumente, der reichsten und tiefgehendsten. Stimmen Sie dem zu?
Es gibt Spaltungen, aber sie hängen auch von den Kirchen ab. In Buenos Aires gab es zwei lutherische Kirchen: eine dachte auf eine Weise und die andere auf eine andere. Auch in der lutherischen Kirche herrscht keine Einheit. Sie lieben sich, sie respektieren sich … Die Vielfalt ist das, was uns vielleicht allen so schlecht getan hat, und heute suchen wir den Weg, um uns nach 500 Jahren wieder zu treffen.
Ich glaube, daß wir beten müssen, miteinander, beten. Zweitens: für die Armen, die Verfolgten, viele Menschen arbeiten, die leiden, für die Flüchtlinge … Gemeinsam arbeiten und gemeinsam beten. Und daß die Theologen zusammen studieren auf der Suche … Aber das ist ein langer, sehr langer Weg. Einmal habe ich scherzhaft gesagt:
Ich weiß, wann der Tag der vollen Einheit sein wird‘. ‚Wann?‘ ‚Am Tag nach der Wiederkunft des Menschensohnes!‘ Warum, das weiß man nicht … Der Heilige Geist wird diese Gnade wirken. In der Zwischenzeit müssen wir beten, uns lieben und zusammen arbeiten, vor allem für die Armen, für die leidenden Menschen, für den Frieden und viele andere Dinge, gegen die Ausbeutung der Menschen … Viele Dinge, für die man gemeinsam arbeitet.“
Zum besseren Verständnis der Papst-Wort und der aktuellen Entwicklung in den katholisch-lutherischen Beziehungen: „Luther hatte recht“ – Wenn Kardinal Kasper bei Luther in die Schule geht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va