
(Moskau) Die russisch-orthodoxe Kirche droht damit, nicht am für den 18. Juni einberufenen Panorthodoxen Konzil aller kanonisch anerkannten orthodoxen Kirchen teilzunehmen.
Metropolit Hilarion, für die Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats zuständig, zeigte sich „erschüttert“, daß das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel ein Sondertreffen vor dem Konzil ablehnt, um die von den Einzelkirchen aufgeworfenen Fragen zu klären.
„Die Entscheidungen des Konzils müssen mit einstimmigem Konsens gefunden werden. Das ist nicht möglich, wenn einige Kirchen fehlen“, so Hilarion.
Nimmt man es genau, so wartet die Orthodoxie seit einem Jahrtausend auf die Durchführung eines allorthodoxen Konzis. Seit mehr als 50 Jahren wird konkret an den Vorbereitungen getroffen. Nun soll es vom 18.–27. Juni auf der Insel Kreta tagen. Wenige Tage vor Konzilsbeginn könnte alles wieder in Frage stehen.
Eilsitzung des Heiligen Synod der russischen Kirche
Die russisch-orthodoxe Kirche berief eine Eilsitzung des Heiligen Synod ein, um über die Teilnahme am panorthodoxen Konzil zu entscheiden, nachdem einige andere Kirchen ihre Teilnahme abgesagt haben.
„Wir haben immer gesagt, daß die Konzilsbeschlüsse im Konsens gefunden werden müssen. Wir sind der Meinung, daß dieser Konsens nicht nur jene meint, die anwesend sind, während andere abwesend sind. Der Konsens bedeutet Einstimmigkeit aller orthodoxen Kirchen. Wenn eine abwesend ist, bedeutet das, so denken wir, daß der Konsens nicht gegeben ist“, so Hilarion gegenüber der Nachrichtenagentur TASS.
Die bulgarisch-orthodoxe Kirche sagte ihre Teilnahme ab, ebenso das Patriarchat von Antiochien. „Das ist ein alarmierendes Zeichen, auf das wir reagieren müssen“, so Hilarion. „Wenn die Fragen nicht geklärt werden können, ist es besser, das Konzil zu verschieben.“
Bulgarien und Georgien haben Bedenken zu Konzilsdokumenten
Die bulgarische und die georgische Kirche hatten in den vergangenen Tagen eine erneute Überarbeitung einiger Dokumente gefordert, die das panorthodoxe Konzil auf Kreta verabschieden sollte. Knackpunkte sind die Dokumente über das Ehesakrament, das Verhältnis der orthodoxen Kirchen zur Welt und die Beziehungen zu anderen christlichen Kirchen.
Die beiden Kirchen stoßen sich an der „ökumenischen“ Sprache der Dokumente. Sie fordern, daß Protestanten und Katholiken als „Häretiker“ bezeichnet werden. Ebenso lehnen sie den Begriff „Kirche“ für nicht-orthodoxe Kirchen ab.
Auch das Patriarchat von Antiochien äußerte Bedenken, allerdings mehr wegen des Jurisdiktionsstreites mit dem Patriarchat von Jerusalem über die Orthodoxen im islamischen Emirat Katar.
Angesichts dieser Entwicklung hatte das Moskauer Patriarchat innerhalb des 10. Juni die Einberufung einer Sonderversammlung gefordert, um zu klären, ob die aufgeworfenen Fragen bereinigt werden können. Die Forderung wurde vom Patriarchat von Konstantinopel, das mit der Durchführung des Konzils beauftragt ist, jedoch abgelehnt.
„Konstantinopel hat wenig Interesse an dem, was die Ortskirchen sagen“
Konstantinopel war von Anfang bemüht, die Diskussion über die vorbereiteten Konzilsdokumente, auf die sich die 14 Kirchenoberhäupter im vergangenen Januar im Schweizerischen Chambésy verständigt hatten, so gering als möglich zu halten. „Wir sind entsetzt über das Verhalten Konstantinopels. Es bedeutet, daß das Ökumenische Patriarchat wenig Interesse an dem hat, was die Ortskirchen sagen.“
Nach mehr als tausend Jahren hatten sich die kanonisch anerkannten orthodoxen Kirchen 2014 auf die Einberufung eines allorthodoxen Konzils geeinigt. Ursprünglich sollte sie in der Irenen-Kirche von Konstantinopel stattfinden, in der 553 bereits das zweite ökumenische Konzil der noch ungeteilten Kirche getagt hatte.
Wegen der Spannungen zwischen der Türkei und Rußland, nach dem Abschuß eines russischen Bombers, kam die heute türkische Stadt für die russische Delegation nicht mehr in Frage. Daher wurde die griechische Insel Kreta als Austragungsort gewählt, die der Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel untersteht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews