
(Kuala Lumpur) Die Ende 2015 gegründete malaiische Fluggesellschaft Rayani Air war neben Royal Brunei Airlines, Iran Air und Saudi Arabian Airlines die vierte Fluggesellschaft, bei der die Scharia galt. Nach nur vier Monaten des Bestehens wurde sie nun von der zivilen malaiischen Flugaufsichtsbehörde gesperrt. Nach zwei mysteriösen Flugzeugkatastrophen erlebte der malaiische Flugmarkt einen radikalen Umbau. Die Gründung von Rayani Air war ein Teil davon.
Seit Aufnahme des Flugbetriebs am vergangenen 20. Dezember gab es Pannen über Pannen: ohne Vorankündigung gelöschte Flüge, keine Rückvergütungen für verspätete oder gelöschte Flüge, handgeschriebene Bordkarten, schwierige Verhältnisse des Unternehmens mit dem eigenen Personal, das unterbezahlt, verspätet oder gar nicht bezahlt wurde. Seit vergangenem Freitag befinden sich die Angestellten im Streik.
Die Fluggesellschaften, die die Scharia anwenden, haben für ihre Fluggäste und das Personal nur Halal-Essen. Alkohol wird nicht ausgeschenkt. Die weiblichen Angestellten müssen den Hidschab, eine islamische Kopfbedeckung tragen.
Vor dem Start und nach der Landung werden Koranverse rezitiert. Gründer von Rayani Air ist der indischstämmige Malaie Ravi Alagendrran. Die Idee zu seinem Unternehmen habe er von der berühmteren irischen Billig-Fluggesellschaft Ryan Aires übernommen. Daher wohl auch die Namensähnlichkeit.
Die Flugkatastrophen MH-370 und MH-17
Malaysia erlebte in den vergangenen zwei Jahren gleich zwei Flugzeugkatastrophen:
- Am 8. März 2014 verschwand der Flug MH-370 (Boeing 777) mit 227 Passagieren und 12 Besatzungsmitgliedern im Nichts. Bis heute wurde keine nachvollziehbare Erklärung dafür gegeben, wie ein so großes Passagierflugzeug trotz mehrfacher radar- und satellitengestützter Flugüberwachung einfach verschwinden kann.
- Am 17. Juli 2014 wurde der Flug MH-17 (Boeing 777) mit 298 Passagieren und 15 Besatzungsmitgliedern an der ukrainisch-russischen Grenze von einer Rakete abgeschossen. Wer die Rakete abgefeuert hatte, ist bis heute ungeklärt. Kiew und Moskau einschließlich der jeweiligen Verbündeten machen sich gegenseitig für die Katastrophe verantwortlich.
In beiden Fällen gab es keine Überlebenden, und in beiden Fällen handelte es sich um internationale Linienflüge der Malaysia Airlines.
Markteinstieg von Rayani Air mit Scharia
Der Aktienkurs von Malayia Airlines fiel in den Keller. Im Sommer 2014 wurde 6.000 Mitarbeitern gekündigt. Im Juni 2015 folgten weitere 6.000. Den verbleibenden 14.000 wurde die Übernahme in die Nachfolgegesellschaft Malaysia Airlines Berhad (MAB) angeboten. Gläubige Moslems machten den „Zorn Gottes“ für die Unglücke verantwortlich. Das öffnete Rayani Air den Weg ins malaiische Fluggeschäft. Die neue Gesellschaft betonte von Anfang die islamische Ausrichtung und die Anwendung der Scharia. Damit wollte man in Malaysia, einem fast zur Gänze islamischen Staat, Vertrauen und Kundschaft gewinnen.
Die gestern ausgesprochene Suspendierung durch die Flugaufsicht des Landes bedeutet einen unerwarteten Rückschlag. Die Sperre gilt vorerst für drei Monate. In Malaysia entbrannte gleichzeitig die Diskussion darüber, ob es für ein Land, das für sich einen „gemäßigten“ Islam in Anspruch nimmt, angemessen sei, eine Fluggesellschaft zu haben, bei der die Scharia gilt.
Seit Anfang April gestattet Air France übrigens seinem weiblichen Personal Flüge nach Teheran zu verweigern, da im Iran Schleierzwang gilt. Seit April 2015 fliegt die französische Fluggesellschaft nach vielen Jahren dreimal in der Woche wieder die iranische Hauptstadt an.
Text: Andreas Becker
Bild: Il Foglio (Screenshot)