
(Jersualem) Bei Aushubarbeiten für den Bau eines Einkaufszentrums im Gaza-Streifen wurden die Reste einer Kirche aus byzantinischer und damit vorislamischer Zeit entdeckt. Die Behörden des Gaza-Streifens ordneten die Fortsetzung der Bauarbeiten an und versuchten die Entdeckung zu vertuschen. Dagegen erhebt sich Protest auch in Jerusalem und im Westjordanland.
Vergangene Woche wurden die Überreste einer byzantinischen Kirche entdeckt, die mindestens 1.500 Jahre alt ist. Der Fund ist nicht nur für die Christen des Gaza-Streifens von Bedeutung, sondern insgesamt für die Geschichte und Kultur des Gebiets. Er dokumentiert die christliche Vergangenheit des schmalen, von Palästinensern bewohnten Streifens an der Mittelmeerküste.
Die Gegend der alten Philisterstädte spielte nicht nur im Alten Testament eine Rolle. In Tabatha bei Gaza wurde im Jahr 291 der heilige Hilarion geboren. Der Asket gilt als Begründer des anachoretischen Mönchtums im Heiligen Land und in Syrien. Bereits im Alter von 15 Jahren gründete er eine erste Eremitengemeinschaft. In der Stadt Gaza, die zur Römerzeit wegen ihrer Rednerschule bekannt war, wirkte er viele Wunder.
Die von Hamas kontrollierten Behörden des Gaza-Streifens zeigen jedoch kein Interesse am christlichen Kulturerbe. Die Bauarbeiten wurden auf deren Weisung hin fortgesetzt, die Fundstellen zugeschüttet und die Fundstücke fortgebracht. Wo sie sich seither befinden, ist unbekannt. Der Schaden an den Kirchenruinen läßt sich nicht abschätzen.
„Im ganzen Westjordanland erhebt sich Protest, sowohl von Christen als auch von Moslems, gegen diese Vorgangsweise“, berichtete Asianews.
Hamas-Minister: Archäologische Grabungen „zu teuer“
Laut Bauvorhaben soll an der Fundstelle eines der größten Einkaufszentren des Gaza-Streifens entstehen. Es gehe daher um viel Geld. „Deshalb können Regierungsbeamte doch nicht archäologische Funde von historischer Bedeutung verschwinden lassen“, zitiert Asianews einen namentlich nicht genannten Christen des Gaza-Streifens.
Abu Risa, der palästinensische Minister für Altertümer spricht von einem Gelände von 2.000 Quadratmetern. Die Funde seien in einer Tiefe von zehn Metern gemacht worden: „Für archäologische Grabungen bräuchte es Hunderte von Arbeitern und Millionen von Dollars.“
Mit anderen Worten: „Es fehlt am Geld und am Interesse für eine christliche Kirche. Das Einkaufszentrum hingegen bringt Geld“, so die von Asianews zitierte anonyme Quelle. „Wir wissen nicht, wo das byzantinische Kreuz, die Säule mit Gravuren und die anderen Funde hingekommen sind.“ Die christliche Gemeinschaft des Gaza-Streifens ist darüber aufgebracht.
Christen im Gaza-Streifen verschwindend kleine Minderheit
Im Gaza-Streifen, der in etwa so groß ist wie das Fürstentum Liechtenstein, leben 1,9 Millionen Palästinenser. Gaza-Stadt gilt als die am dichtesten besiedelte Stadt der Welt. Sie lag direkt am Karawanenweg nach Mekka, weshalb die Gegend stärker islamisiert war als andere Gebiete des Heiligen Landes. 1850 waren knapp fünf Prozent der Stadtbewohner Christen. In der Umgebung gab es auch Christendörfer. Heute leben im Gaza-Streifen 10.000 Christen. Das sind kaum 0,6 Prozent der Bevölkerung.
Der Gaza-Streifen wurde im UNO-Teilungsplan dem Staat Palästina zugesprochen. Von 1948–1967 war er von Ägypten besetzt, von 1967–2005 von Israel. Die Bewohner sind großteils Flüchtlinge aus anderen Teilen Palästinas. Der Anteil der Christen an der palästinensischen Bevölkerung verringerte sich während dieser Zeit im Verhältnis im Gaza-Streifen dramatisch. 1994 begann die Übergabe der Verwaltung an die Palästinensische Autonomiebehörde. Seit dem Abzug der Israelis wird der Gaza-Streifen von Hamas kontrolliert. Israel überwacht nach wie vor den Grenzbereich und jeden Grenzübertritt. Hamas ist der palästinensische Zweig der Muslimbruderschaft, die 2011–2013 kurzzeitig die Macht in Ägypten übernehmen konnte.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asinews