(Jersualem) Die Palästinenserbehörde hat das gesamte Westjordanland aufgefordert, alle öffentlichen Weihnachtsfestlichkeiten zu streichen. Es gebe nichts zu feiern, heißt es unter Verweis auf die seit Oktober anhaltende Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis, die bereits 147 Tote gefordert hat.
Palästinenserbehörde und Tanzim-Miliz: „Es gibt nichts zu feiern“
Auch Betlehem mußte sich dem politischen Druck beugen – zumindest teilweise. „Daß ausgerechnet in Betlehem, der Stadt, in der Jesus geboren wurde, Weihnachten nur gedämpft gefeiert wird, ist eine traurige Widersinnigkeit“, so das katholische Wochenmagazin Tempi.
Die Tanzim-Miliz, der bewaffnete Arm der Fatah, forderte von der Stadtverwaltung Betlehems, daß in auf dem Platz vor der Geburtskirche in diesem Jahr kein Christbaum und keine Krippe aufgerichtet, keine Weihnachtsbeleuchtung auf dem Platz und in den Straßen angebracht, keine Weihnachtskonzerte und auch nicht das traditionelle Feuerwerk entzündet werden werden sollen. Die Tanzim-Miliz war 1995 von Yassir Arafat als Gegengewicht zum sich unter palästinensischen Moslems ausbreitenden Islamismus der Hamas gegründet worden. Sie begründet ihre Forderung mit der neuen Intifada. Solange israelische Soldaten, Polizei und Spezialeinheiten Palästinenser töten, gebe es „nichts zu feiern“.
Betlehem hatte bis vor wenigen Jahrzehnten eine christliche Bevölkerungsmehrheit. Durch die Errichtung des Staates Israel und den jüdisch-palästinensischen Konflikts sowie einer unterschiedlichen demographischen Entwicklung befinden sich die Christen inzwischen in der Minderheit. Aufgrund einer innerpalästinensischen Vereinbarung zwischen Moslems und Christen hat Betlehem mit Vera Baboun dennoch eine christliche Bürgermeisterin. Dem hartnäckigen Widerstand Babouns ist es zu verdanken, daß trotz der Auflagen in Betlehem auch 2015 Weihnachten öffentlich gefeiert wird.
Das Feuerwerk und das Weihnachtskonzert des Tenors Andrea Bocelli wurden gestrichen. Die Weihnachtsbeleuchtung wird es nur reduziert geben. Nur die beiden Hauptstraßen werden beleuchtet. Baboun ließ aber am 5. Dezember den weitum sichtbaren Weihnachtsbaum (siehe Bild) aufrichten und auch die große Krippe aufrichten. Auch die traditionelle Prozession von Jerusalem nach Betlehem wird am 24. Dezember stattfinden.
Die Prozession wird wie gewohnt vom Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Fouad Twal, angeführt und quert auf ihrem Weg die von Israel errichtete Mauer. Die Weihnachtsprozession verbindet die beiden Städte, die in Sichtweite liegen und im Leben Jesu eine zentrale Rolle spielten. „Die Geburt Jesu erfolgte bereits mit Blick auf Jerusalem, wo er den Tod erlitt, aber auch auferstanden ist. Die beiden Städte sind untrennbar miteinander verbunden“, so Jamal Khader, der Rektor des Lateinischen Patriarchats in Betlehem.
„Es ist für Christen unmöglich, Weihnachten zu streichen“
„Wir befinden uns in einer kritischen Situation“, so Bürgermeisterin Baboun gegenüber der Presse. „Es ist für einen Christen aber unmöglich, Weihnachten zu streichen. Und es ist für Betlehem eine Pflicht, Weihnachten zu feiern.“ Auch Jamal Khader, selbst palästinensischer Christ und bekannter Friedensaktivist, betonte, daß es „undenkbar“ sei, Weihnachten nicht zu feiern. Khader zeigte jedoch Verständnis, daß es dieses Jahr öffentlich etwas gedämpft geschehen soll. „Wir können nicht ausblenden, was derzeit geschieht. Hier ist man dabei, die Hoffnung auf eine Zukunft in Frieden zu verlieren.“
Bürgermeisterin Vera Baboun kämpft hartnäckig für das Weihnachtsfest, stößt aufgrund der Mehrheitsverhältnisse aber an Grenzen. Ekram Juha, ihr Büroleiter, brachte die Stimmung gegenüber der Washington Post auf den Punkt: „Ich bin enttäuscht. Ich kann verstehen, wenn man irgendwo die Festlichkeiten einschränkt, aber nicht hier in Betlehem. Wenn man hier Weihnachten einschränkt, wo Jesus geboren wurde, hat das eine geistliche Dimension. Es betrifft das Heilige. Abgesehen davon leben wir seit vielen Jahren unter schwierigen Bedingungen und dennoch haben die Festlichkeiten immer stattgefunden.“
Ein „Wunder“, daß Christen in Betlehem ausharren
Das aktuelle „Wunder von Betlehem“, so La Repubblica, ist es, daß die Christen in Betlehem bleiben, in der Geburtsstadt Christi ausharren, obwohl sie von Banden jugendlicher Moslems schikaniert, bedroht und angegriffen werden. Und daß sie trotz gegenteiliger Anordnungen, dennoch Weihnachten feiern.“
Betlehem wurde 1948, als die UNO mit einem Teilungsplan den Staat Israel proklamierte, zu 85 Prozent von Christen bewohnt. Der Moslemanteil lag bei 12 Prozent. Die Geburtsstadt Jesu war ein durch alle Jahrhunderte von Christen behüteter Ort. Wegen der politischen Lage und der wirtschaftlichen Probleme wandern Christen ab und die Moslems haben mehr Kinder. 20 Jahre später, 1967, kippten die Mehrheitsverhältnisse. Heute gibt es nur mehr 12 Prozent Christen in der Stadt. Die Christen befürchten, in 20 Jahren ganz aus Betlehem verdrängt worden zu sein. Eine „Land-Mafia“ versucht durch kriminelle Methoden, Gewalt und behördliche Vernetzung die Christen von ihrem Landbesitz zu vertreiben. Seit den 90er Jahren findet zudem eine Islamisierung der palästinensischen Moslems statt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi