(Madrid) Am Christtag, den 25. Dezember 2013 brannte die Wallfahrtkirche des Marienheiligtums Virxe da Barca im äußersten Westen Spaniens aus. Mit Tränen in den Augen beklagen Gläubige des Ortes, daß die Restaurierung ihrer Marienkirche im „Ikea-Stil“ (Faro de Vigo) erfolgte.
Das Marienheiligtum liegt an der Costa da Morte, der Todesküste Galiciens, die vom Atlantik umspült wird. Während eines Sturmes schlug am Geburtsfest Jesu Christi am frühen Morgen ein Blitz in der Kirche ein.
Für viele Santiago de Compostela-Pilger bildet die Wallfahrtskirche noch eine weitere Etappe, um Finis terrae und den Atlantik zu erreichen. Die Wallfahrtskirche geht auf das 11. Jahrhundert zurück. Die Marienverehrung ist noch älteren Datums, weshalb Muxia zu den „ältesten und bedeutendsten Wallfahrtsorten Galiciens“ gezählt wird.
Wo die Gottesmutter dem Apostel Jakobus erschien
Laut der Volksfrömmigkeit sei die Gottesmutter hier dem Apostel Jakobus erschienen. Der Apostel habe sich hier am äußersten Ende der damals bekannten Welt zurückgezogen, um zu beten. Er sei in tiefe Traurigkeit verfallen wegen der Menschen, die ihr Heidentum nicht ablegen wollten. Da habe er in der Ferne im Meer ein Boot entdeckt, das immer näher kam. Schließlich konnte er auf dem Boot die Gottesmutter Maria erkennen, die ihm Trost brachte und ihn aufrichtete, sein Missionswerk fortzusetzen. Daher der Name „Jungfrau vom Boot“.
Es waren die Benediktinermönche der einstigen, nahegelegenen Abtei San Julián de Moraime, die der Gottesmutter und den Pilgern die heutige Kirche erbauten. Das Gnadenbild der Gottesmutter wird dem 15. Jahrhundert zugeschrieben. Um 1700 wurde das Heiligtum barockisiert.
Volksfrömmigkeit zeigt andere Bedürfnisse
Nun beklagen Gläubige den neuen „Look“, der der Kirche nach dem Brand verpaßt wurde. Das taten sie jüngst auch lautstark dem Generalvikar Victor Maroño der Erzdiözese Santiago de Compostela kund. Die Instandsetzung kostete rund 740.000 Euro. Auch Bürgermeister Felix Porto, selbst ein Kritiker der Restaurierung, konnte die Gemüter kaum beruhigen.
Die Gläubigen mögen die neue „Nüchternheit“ nicht. Die Volksfrömmigkeit zeigt andere Bedürfnisse. Der prächtige, 1717 errichtete Hochaltar von Miguel de Romay im Stil des spanischen Barock wurde beim Brand völlig zerstört. Einige Seitenaltäre konnten teilweise gerettet werden. Unversehrt blieb auch das Gnadenbild, das nur an Festtagen in feierlicher Prozession gezeigt wird, während sich auf dem Hochaltar eine Replik befand.
Die Gottesmutter wurde durch die Jahrhunderte von unzähligen Frauen mit Kinderwunsch aufgesucht.
Kirchenkrise mit ikonoklastischen Zügen?
Nur einen Monat vor dem Brand waren Renovierungsarbeiten abgeschlossen worden. Sie waren aus statischen Gründen notwendig geworden. Bei besonders stürmischer See umbranden die Wellen direkt die Wallfahrtskirche. Zuletzt geschah dies 2005 und wenige Tage nach dem Brand. Das Salzwasser habe tragendes Mauerwerk angegriffen, hieß es damals.
Über die „Nüchternheit“ gehen die Meinungen auseinander, nicht erst seit dem calvinistischen Bildersturm des 16. Jahrhunderts. Ikonoklastische Schübe gab es im Osten bereits im 8./9. Jahrhundert, die auch als Reaktion auf das Bilderverbot des Islam gedeutet werden. Volksfrömmigkeit unterscheidet sich zudem von Volk zu Volk. Was den einen schon zuviel ist, kann anderen noch zuwenig sein. Die Kirche hat diese Ausdrucksformen der unterschiedlichen Volksseelen respektiert.
Eine calvinistisch/baptistische Bilderverachtung hat auch in manchen Ordinariaten und Klöstern des deutschen Sprachraums Überhand gewonnen. Notwendige Restaurierungen sind eine beliebte Einfallspforte, um die Gläubigen vor überraschende und „nüchterne“ Tatsachen zu stellen. Der Kunst- und Kulturkritiker Francesco Colafemmina, der das Phänomen untersuchte, sieht in der modernen Entleerung von Kirchen eine Metapher für die innere Leere und damit einen Ausdruck der aktuellen Glaubens- und Kirchenkrise.
„Die Gottesmutter hat sich das nicht verdient“
„Die Gottesmutter hat sich das nicht verdient.“ Dies und noch viel mehr sagten die Gläubigen dem Generalvikar und den Architekten, die mit ihm nach Muxia gekommen waren. Bürgermeister Porto machte sich schließlich zum Sprachrohr der Bevölkerung: „Was wir wollen, ist ein Hochaltar, der unserer Mutter vom Boot würdig ist.“ Pfarrer Manuel Linero „leide am meisten“ unter der neuen Situation, so der Bürgermeister. Auch er sei nicht in das Restaurierungsprojekt einbezogen worden.
Die Wallfahrtskirche der Jungfrau und Gottesmutter „gehört der Kirche, aber sie gehört auch zu jedem Haus in Muxia und zu jedem einzelnen Menschen hier “, so der Bürgermeister. Generationen über Generationen von Einwohnern von Muxia und Tausende Pilger hätten im Lauf der Jahrhunderte diese Kirche mit ihren Spenden und Stiftungen bedacht. Das müsse respektiert werden, so Felix Porto.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Diario galego/Luisde-Panoramio