
(Rom) Beim Zweiten Vatikanischen Konzil wurde es vorexerziert. Nun wiederholt man das gleiche Spiel. Es gibt die wirkliche Synode drinnen und eine Mediensynode draußen. Benedikt XVI. wies während seines Pontifikats mehrfach darauf hin, daß es das wirkliche Konzil im Petersdom gab und ein davon unabhängiges Medienkonzil, das die öffentliche Meinung außerhalb der Konzilsaula informierte und lenkte. Ein Medienkonzil, das gemeinsame Sache mit der progressiven Konzilspartei machte. Durch Druck von außen sollte das Konzil drinnen beeinflußt und gleichzeitig die Deutungshoheit über das Konzil draußen gewonnen werden.
Drinnen zeigt sich die Synode deutlich verschieden von der, die über die großen Informationskanäle nach außen dringt. Die progressive Kasper-Partei versuchte bei den beiden drei Generalkongregationen numerisch zu trumpfen, um die Themenführerschaft an sich zu ziehen und andere Synodenteilnehmer zu überrumpeln. Dazu gehörte auch das von Kardinal Marx vorgelegte Papier, mit dem sich die deutschen Bischöfe auf die Seite Kaspers schlugen. Das kompakte Auftreten sollte Eindruck machen. Die kirchenrechtlich irrelevante Bischofskonferenz erweist sich als Disziplinierungsmittel des Episkopats eines Landes.
Inzwischen hat bereits die neunte Generalkongregation begonnen und das Bild hat sich deutlich verschoben. Eine große Mehrheit der Synodalen und Auditoren bekräftigte, daß die Glaubenslehre nicht veränderbar sei. „Die Glaubenslehre sei zum Thema Ehesakrament so eindeutig, daß es undenkbar sei, Hand anzulegen ohne verheerende Folgen zu provozieren“, faßt der Vatikanist Marco Tosatti die Stimmung in der Synodenaula zusammen.
Einigkeit in der Analyse, grundlegende Unterschiede in den Folgerungen
Faktisch in allen Wortmeldungen wird darauf hingewiesen, daß viele Menschen die Lehre der Kirche nicht verstehen würden. Während der progressive Teil deshalb eine faktische Änderung der Lehre vorschlägt, betonen die meisten Redner, daß vielmehr die Lehre den Menschen besser erklärt werden müsse, gründlicher, tiefergehend und mit einer geeigneten, verständlichen Sprache. Es sei aber unumstößlich die immerwährende Wahrheit der Kirche zu lehren. Das klingt weniger günstig für Kaspers Vorschlag, den ein italienischer Synodale scharf verurteilte, als es zunächst schien.
Die Entscheidung, die Wortmeldungen der Synodalen und Auditoren nicht zu veröffentlichen, trägt sicher nicht zu mehr Klarheit bei. Es ermöglicht vielmehr, den Informationsfluß zu lenken und zu filtern. Vor allem erlaubt es, ein falsches Bild zu zeichnen. Eine Gefahr, die beim Zweiten Vatikanischen Konzil besonders deutlich sichtbar wurde. Die Erwartungen eines bestimmten Teils der Welt wurden verstärkt durch die weltlichen Medien, die von einer Konzilspartei genährt wurden und die durch Zusammenarbeit und Wechselwirkung Einfluß nach innen und nach außen zu nehmen versuchten. Und das zum Teil durchaus erfolgreich. Der Historiker Roberto de Mattei stellte dieses Phänomen in seinem Buch Das Zweite Vatikanische Konzil: Eine bislang ungeschriebene Geschichte (deutsch 2011) ausführlich dar und erbrachte den Nachweis, daß es strategische Planungen der progressiven Konzilspartei gab, die Information der Medien im eigenen Sinn zu lenken.
„Nebulöse Atmosphäre“ läßt Raum für Lenkung und Mythenbildung
„Die Öffentlichkeit, die katholische, wie die nicht-katholische wird nicht auf klare und ausreichende Weise informiert“ über den Verlauf der Synode, so Tosatti. Das Bild, das sich jemand außerhalb der Synodenaula zu machen versucht, erscheint dadurch nach einem Viertel der vorgesehenen Generalkongregationen ziemlich unklar.
Diese „nebulöse Atmosphäre“ kritisiert der amerikanische Vatikan-Experte John Thavis. Das tägliche Briefing durch das Presseamt des Heiligen Stuhls sei unzulänglich: „Man listet einige der Themen auf, die von den Bischöfen aufgeworfen wurden. Man vermeidet sorgfältig eine detaillierte Zusammenfassung der Wortmeldungen und der Reaktionen der Aula. Man nennt keine Namen und sagt nicht, wer was gesagt hat“. Der Gesamteindruck müsse daher „wenig klar und fragmentarisch“ bleiben, so Thavis.
Die Bischofssynode in ihrer heutigen Form gibt es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Mit Ausnahme der ersten Synode, die noch im progressiven Sturm und Drang des vielbeschworenen, aber nie eingetretenen „neuen Frühlings“ stattfand, gab es bisher nie eine vergleichbare Situation wie jetzt. Marco Tosatti weist darauf hin, daß in diesen Jahrzehnten das mediale Interesse für eine Bischofssynode noch nie so groß war und daß im Vatikan eine Sorge in der Luft zu liegen scheint, daß Synodalen das Rampenlicht nützen könnten um weiß Gott was zu sagen oder zu tun. „Laßt mich dazu sagen, daß es sich um ein Verhalten größten Mißtrauens gegenüber den Seelenhirten und Verantwortlichen von Millionen Katholiken auf der ganzen Welt handeln würde. Wenn der Papst und seine Mitarbeiter kein Vertrauen in sie haben, wie sollten dann die einfachen Gläubigen es haben?“, so Tosatti.
Verschiedene Synoden nebeneinander – Kaspers weltweit angerichteter „großer Schaden“
Tatsache ist, daß es schon jetzt verschiedene Synoden nebeneinander gibt. Eine ist die Synode der offiziellen Briefings des vatikanischen Presseamtes, „die so allgemein gehalten sind, daß sie fast unbrauchbar sind, um Standpunkte und Dynamiken zu verstehen“, so Tosatti. Aus dem Inneren der Synodenaula hört man, daß es eine Mediensynode gebe, die mehr oder weniger direkt und gelenkt sei: „Was die Fernsehnachrichten berichten, ist irreführend“, zitiert Tosatti einen Synodalen. Es würden die Meinungen von drei oder vier weiterverbreitet, die aber nicht die Grundrichtung in der Aula wiedergeben. Der Informationsfluß erfolgt, wie beim Konzil, nicht über die schon damals unzulängliche Pressearbeit des Vatikans, sondern gezielt und direkt durch einen Teil der Aula. „Eine Art von Information – wie bereits vor Beginn der Arbeiten – in Richtung eines allgemeinen ‚Wandels‘. Dem von Kardinal Kasper vorgeschlagenen“, so Tosatti.
Ein Bischof beklagte in der Aula „freimütig“, wie vom Papst gewünscht, den „sehr großen pastoralen Schaden“, der von Kardinal Kasper durch die massive Propaganda für seine Ideen in der ganzen Welt angerichtet worden sei. Eine unmißverständliche Kritik an Kaspers Alterskampffeld, die Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene zu ertrotzen.
Vor allem die afrikanischen Bischöfe zeigen eine große Anhänglichkeit an die katholische Lehre und pastorale Praxis und auch die Entschlossenheit, diese zu verteidigen.
Gesamteindruck mit Unsicherheiten
Welcher Gesamteindruck läßt sich gewinnen? Einig ist sich die übergroße Mehrheit darin, daß die Lehre der Kirche nicht veränderbar ist. Mehr noch, daß sie in Sachen Ehesakrament so eindeutig ist, daß jede Änderung verheerende Folgen nach sich ziehen würde. Es sei aber notwendig, die Unterweisung der Menschen zu verstärken, um ihnen die Bedeutung dieses Sakraments verständlicher zu machen. Nichtbeachtung bedeute nicht automatisch Ablehnung, sondern häufig, daß den Betreffenden der Inhalt dieses Sakraments nie richtig erklärt wurde. Es bedarf daher einer klaren, verständlichen und liebevollen Unterweisung, wie ein asiatischer Bischof in der Aula sagte.
Insgesamt scheint Kaspers Vorschlag auf wenig Gegenliebe zu stoßen. „Warum scheint das Außenbild dann so anders?“, fragt Tosatti um die Frage selbst zu beantworten: „Jene die schlecht denken, sprechen von einer nicht zufälligen Technik, um eine öffentliche Meinung zu erzeugen und diese Botschaft an alle Bischöfe, Priester, Klöster und Seelsorger zu Hause dringen zu lassen, und sie dadurch in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Die gewünschte Richtung.“
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Die Bekräftigung der unveränderlichen Lehre ist nicht unbedingt ein Gradmesser für die Position eines Synodalen. Kardinal Kasper gehört zu jenen Synodenvätern die am kräftigsten die Unveränderlichkeit betonen, um gleichzeitig deren Änderung in der Praxis einzufordern. Gleichzeitig fordern fast alle Synodalen und Auditoren „Änderungen“: die einen allerdings eine Änderung der Praxis, einige auch eine Änderung der Lehre, die meisten aber „nur“ eine Änderung der Unterweisung, wo sie die eigentlichen „Defizite“ ausfindig machen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews