(Seoul) Papst Franziskus besuchte vor wenigen Tagen Südkorea. Wenn die Geburtenrate in diesem ostasiatischen Land in den kommenden fünf Jahren nicht deutlich ansteigt, wird das südkoreanische Volk innerhalb eines Jahrhunderts von derzeit 50 Millionen auf 10 Millionen Menschen schrumpfen. Nur wenig später wird es bei Beibehaltung der derzeitigen Geburtenarmut faktisch zur Gänze verschwunden sein. Die Südkoreaner werden das erste industrialisierte Volk sein, das aussterben wird. Das geht aus einer Studie des wissenschaftlichen Dienstes des südkoreanischen Parlaments hervor, die durch eine parlamentarische Anfrage zustande kam.
Westlich orientierte Völker vom Aussterben bedroht
Die Geburtenrate Südkoreas liegt bei 1,19 Kindern, die je gebärfähiger Frau geboren werden. Eine der geringsten weltweit. Bereits 2006 errechnete eine Oxforder Studie, daß bei diesem Schrumpfungsprozeß das südkoreanische Volk „das erste sein wird, das von der Bildfläche verschwindet“. Wenig Grund zur Freude in Europa, wo die Lage der meisten Völker nicht besser ist. Die Geburtenrate der Deutschen ohne „Migrationshintergrund“, also ohne Ausländer und eingebürgerte Ausländer und deren Nachkommen, liegt seit 40 Jahren im roten Bereich. Das deutsche Volk ist wie das französische, niederländische und andere Völker akut vom Aussterben bedroht. Der Einsatz deutscher Tierfreunde für vom Aussterben bedrohte Tierarten erscheint angesichts der Tatsache, selbst einer aussterbenden Volksspezies anzugehören, geradezu als rührige Form der Realitätsverweigerung.
Vor 2100 werden Südkoreaner zur Minderheit im eigenen Land
Bis 2200 werde es, laut der Oxford-Studie, nur mehr drei Millionen Südkoreaner geben, 2256 noch eine Million. Statistisch betrachtet wird der letzte Südkoreaner 2505 geboren werden. Das scheint noch fern, doch der Raum bleibt nicht leer und wartet, bis das letzte Exemplar eines Volkes ausgestorben ist. Ein Territorium wird von fruchtbareren Völkern okkupiert und übernommen. Lange bevor der letzte Südkoreaner, laut Projektion, geboren werden wird, wird Südkorea bereits von anderen Menschen aus anderen Völkern übernommen worden sein. Da zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftsstandards die Bevölkerung nicht sinken darf, müssen die Verluste durch Einwanderung kompensiert werden. Noch vor der nächsten Jahrhundertwende wird sich die Zahl der Südkoreaner halbiert haben. Was bedeutet, daß gleichzeitig eine andere Bevölkerungsmehrheit die Kontrolle Südkoreas übernommen haben wird.
Götze Wirtschaftswachstum, dem Ehe, Familie, Nachwuchs geopfert werden
Laut Parlamentsstudie ist Südkorea auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet. Diesem Ziel werde alles andere untergeordnet. Für eine künftig erwartete Belohnung verzichten die jungen Südkoreaner darauf zu heiraten. Und weil auch die Frauen ganz in das Ziel des wirtschaftlichen Wachstums eingebunden sind, verzichten diese für die Aussicht einer künftigen ökonomischen Belohnung auf ihren Kinderwunsch. Da sowohl junge südkoreanische Männer als auch Frauen die Gründung einer Familie für ein „Hindernis“ und einen „Zeitverlust“ erachten, pflanzen sie sich, zugunsten einer möglichen Berufskarriere und höherer Gehaltsaussichten nicht fort.
Viele verzichten auf ihr Ehe- und Familienglück für einen eventuellen künftigen ökonomischen Gewinn. Daß sich dieser einstellt, ist jedoch keineswegs sicher. Bis dies bewußt wird, ist es für die Fortpflanzung bei vielen zu spät.
Mentalitätswandel zugunsten von Kindern mit Abtreibungsgesetzgebung nicht vereinbar
Halbherzige Regierungsbemühungen zur Förderung der Geburten bei gleichzeitiger Beibehaltung einer liberalen Abtreibungsgesetzgebung und einer Vorrangstellung von Kapital und Konsum, blieben fruchtlos. Südkorea gehört zu den Staaten, in denen am meisten genetische Forschung betrieben wird und die ersten Versuche unternommen wurden, Tiere und auch den Menschen zu klonen. Inzwischen ist das gesamte Sozialsystem, vor allem Gesundheits- und Pensionswesen gefährdet. Die Katholische Kirche bemüht sich, die Bedeutung der Familie und der Fortpflanzung zu fördern.
Im Juli 2012 forderte das Koreanische Institut für Gesundheit und Soziales von der Regierung dringende Maßnahmen zur Förderung von Ehe und Fortpflanzung. Das Institut wies auf die Notwendigkeit eines „Mentalitätswandels“ hin, wenn das südkoreanische Volk nicht absehbar aussterben soll. Dieser Mentalitätswandel aber erfordert einen Paradigmenwechsel, zu dem Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien noch nicht bereit scheinen.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews