(Bagdad) Nach zehn Tagen haben die islamistischen Kämpfer des Islamischen Staates im Irak und der Levante (ISIS) die Kontrolle über die wichtigste irakische Raffinerie übernommen. In der Anlage von Baiji nördlich von Bagdad wird ein Drittel des Erdöls raffiniert. Die USA bekräftigen ihre „fortgesetzte Unterstützung“ für die irakische Regierung, verlangen aber ein Köpferollen an der Spitze des Irak. Unterdessen betont Kurdistan das Selbstbestimmungsrecht und befindet sich auf dem Weg in die Unabhängigkeit.
Die sunnitischen Milizen des Irak, die von den ISIS-Verbänden angeführt werden, haben die wichtigste Erdölraffinerie des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Sie versorgt den gesamten Raum von Mosul. Die Regierungstruppen konnten die Angriffe mehrfach abwehren. Nach zehntägigen Kämpfen mußten sie jedoch den Rückzug antreten. Mehr als ein Drittel des im Irak verbrauchten Erdöls wird in der Anlage von Baiji in der Provinz Salahuddin raffiniert. Bereits während der Kämpfe mußte das Erdöl rationiert werden. Die weiteren Folgen der islamistischen Kontrolle sind noch nicht absehbar. Die ISIS-Verbände kontrollieren inzwischen den strategisch wichtigen Raum nördlich und westlich von Bagdad, darunter mit Mosul die zweitgrößte Stadt des Landes.
Islamisten belagern für Wasserversorgung lebenswichtigen Staudamm Haditha
Im Augenblick belagern die Islamisten den Staudamm von Haditha, der für die Wasserversorgung des Landes von lebensnotwendiger Bedeutung ist. Die gesamte Grenze einschließlich aller Grenzübergänge zu Syrien und Jordanien befindet sich unter islamistischer Kontrolle. Wie ein ISIS-Sprecher bekanntgab, wird die Kontrolle der eroberten Gebiete und Einrichtungen jeweils den örtlichen sunnitischen Stämmen übertragen, mit denen sich die Islamistenmiliz verbündet hat.
Beim gestrigen Blitzbesuch von US-Außenminister John Kerry bekräftigte er die weitere „Unterstützung“ für die irakische Regierung durch die USA. Gleichzeitig scheinen die USA auf den Rücktritt von Ministerpräsident Nuri al-Maliki zu drängen, der für den Zerfall des Landes verantwortlich gemacht wird. Kerry forderte zur Bildung einer neuen Regierung auf, die alle Gruppen des Landes umfaßt und damit neben Schiiten auch Kurden und Sunniten. Die Christen spielen zehn Jahre nach der US-Militärintervention im Irak faktisch keine Rolle mehr. Konkret waren die Worte Kerrys eine Aufforderung an Al-Maliki, zurückzutreten.
Kurden stellen Antrag auf Unabhängigkeit vom Irak
Die Kurden nützen unterdessen den sunnitischen Aufstand im Mittelirak, um sich aus dem Irak zu verabschieden und den Weg in die schon lange angestrebte Unabhängigkeit zu beschreiten. Kurden-Präsident Masud Barzani sagte in einem CNN-Interview, daß in den nächsten Tagen offiziell der Antrag auf Unabhängigkeit Kurdistans gestellt werde. Der kurdische Norden will sich vom zerfallenden Irak loslösen. „Für das Volk von Kurdistan ist die Zeit gekommen, die eigene Zukunft zu bestimmen, und wir unterstützen die Entscheidung des Volkes.“
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews