(Rom) Die jüngste, in 40 Staaten durchgeführte Studie des Pew Research Center, was weltweit als moralisch akzeptabel und was als inakzeptabel gilt, zeigt die moralischen Standards in einigen westlichen Staaten auf historischem Minimum. Die Bundesrepublik Deutschland, die stellvertretend für den deutschen Sprachraum abgefragt wurde, wirkt wie eine moralische Wüste. Lediglich Ehebruch wird von einer Mehrheit der Deutschen abgelehnt. Ansonsten wird lediglich Glücksspiel zumindest von einem Drittel der Deutschen moralisch nicht akzeptiert. Der Vatikanist Sandro Magister zieht daraus den Schluß, daß angesichts der Bevölkerungsverhältnisse und Größenordnungen „offensichtlich“ sei, daß nicht Deutschland und auch nicht die deutschen Katholiken die universalen Moralmaßstäbe der Katholischen Kirche bestimmen können. Genau das aber werde gerade versucht. Die Katholiken des deutschen Sprachraums machen aber nicht einmal drei Prozent aller Katholiken aus.
Ist Moral zum Fremdwort für die Deutschen geworden? Die aus Kroatien stammende Ordensfrau Theresia Zukic von der Kleinen Kommunität der Geschwister Jesu spricht über den Unterschied zwischen Sünden und Fehlern. Während erstere bewußte und willentliche Akte gegen die Liebe sind, sind letztere einfach alles, was irgendwie schiefläuft. Dabei macht die Ordensfrau eine Fehlentwicklung aus, die zu einer Schieflage führt. Während heute Sünden allgemein als entschuldbar gelten, werden Fehler immer seltener entschuldigt. Eine Entwicklung, die mit den zunehmend auf den Kopf gestellten Moralvorstellungen zusammenzuhängen scheint.
Wenn die Kirche sich „Rändern“ öffnen will, können nicht Deutschland und Frankreich die moralischen Wertmaßstäbe bestimmen
„Papst Franziskus drängt darauf, sich gegenüber den ‚Rändern‘ des Globus zu öffnen. Dann aber kann es nicht sein, daß Deutschland und Frankreich die Lehre und die Praxis der Kirche zur Homo-Ehe und zur Kommunion für die wiederverheiratet Geschiedenen bestimmen“, so der Vatikanist Sandro Magister, nachdem er die Pew-Studie gelesen hatte.
Auf dem „Marsch zur Synode über die Familie“, so Magister, sei eines der Elemente, das am meisten für Aufsehen sorgte, der Fragebogen gewesen, „um konkrete und reale Angaben zum Thema der Synode zu erhalten“.
“Weder die Formulierung der 39 Fragen noch die Art der Antwortsammlung waren so angelegt, daß sie die Herausarbeitung statistischer Ergebnisse erlauben würden. Die Antworten sollten vielmehr geheim bleiben“, so Magister. Doch „einige Bischöfe, vor allem jene deutscher Sprache, in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sie publik gemacht, um damit die große Distanz in ihren Ländern zwischen der Morallehre der Kirche und der Meinung und Haltung vieler Gläubigen sichtbar zu machen“. Hintergedanke dabei sei es gewesen, damit Druck auf Rom auszuüben.
Sekretariat der Bischofssynode erstellt Zusammenfassung der Fragebogen-Antworten
Das Sekretariat der Bischofssynode, deren Spitze von Papst Franziskus mit Sekretär Lorenzo Baldisseri im September 2013 und Untersekretär Fabio Fabene im Februar 2014 eingesetzt wurde, und ersterer als Kardinal und letzterer als Kurienbischof rangmäßig aufgewertet wurden, stellt gerade einen zusammenfassenden Bericht über die eingegangenen Antworten auf den Fragebogen zusammen.
Die am 15. April veröffentlichte Pew-Studie Global Views on Morality, so Magister bietet einen nützlichen Einblick über die Moralvorstellungen im frühen 21. Jahrhundert auf allen fünf Kontinenten. Für Europa wurden Erhebungen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Griechenland, der Tschechischen Republik und in Rußland durchgeführt.
Gegensatz zwischen Westeuropa und anderen Teilen der Erde
Die beiden Gegensätze bilden auf der einen Seite die sogenannten westlichen Staaten Europas sowie Kanada und auf der anderen Seite die afrikanischen und mehrheitlich moslemischen Staaten. In Lateinamerika ist Argentinien das Land, das sich am meisten westlichen, europäischen Maßstäben annähert.
„Die Erhebung des Pew Research Center“, so Sandro Magister, „macht auch die Natur des Unterschieds deutlich: zwischen der Mehrheitsmeinung einiger europäischer und nordamerikanischer Gegenden, wo bezüglich Abtreibung, Auflösung der Ehe und der Gender-Ideologie Gleichgültigkeit herrscht und einer entgegengesetzten Sensibilität anderer, einwohnermäßig weit gewichtigere Teile der Welt, vor allem in Afrika und Asien“, wenn es dort auch andere ernste Probleme gebe wie kombinierte Ehen oder Polygamie.
Deutsche Kirche kann nicht Parameter für wiederverheiratet Geschiedene bestimmen
„Wenn es Aufgabe der Kirche ist, wie Papst Franziskus unermüdlich predigt, sich nicht in ihre alten geographischen und kulturellen Parameter einzuschließen, sondern sich für die ‚Ränder‘ der Erde zu öffnen, dann ist offensichtlich, daß nicht die Katholizität Deutschlands – wie es hingegen zu geschehen scheint – der Maßstab für die universale Moral der Kirche sein kann, weder in der Lehre noch in der Praxis, weder zur Familie, noch zur Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zur Kommunion noch zur gleichgeschlechtichen Ehe“, so Sandro Magister.
Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi
Bild: Radio Vaticana