(Amsterdam) Heftige Polemiken lösten in den Niederlanden Worte des katholischen Erzbischofs von Utrecht, Willem Jacobus Kardinal Eijk aus. Dabei hatte der Kardinal lediglich an Selbstverständliches erinnert. Er sagte in einem Interview während der Gebetswoche für die Einheit der Christen, daß das Konzil von Trient nach wie vor vollständige Gültigkeit hat. Weil diese Selbstverständlichkeit in den vergangenen Jahrzehnten kaum mehr ausgesprochen wurde, konnte es zum Skandal kommen, der heftige Reaktionen auf protestantischer aber auch katholisch-ökumenischer Seite auslöste.
„Verurteilung jener, die Lehren des Konzils ablehnen, haben volle Gültigkeit“
Während der Gebetswoche für die Einheit der Christen veröffentlichte das calvinistische Reformatorisch Dagblad ein Interview mit Kardinal Eijk, das von der Tageszeitung Trouw am 20. Januar übernommen wurde. Darin sagte der Erzbischof von Utrecht, daß „die Lehre und die Verurteilungen des Konzils von Trient noch vollständig in Kraft sind“. Die Zeitung schrieb dazu: „Kardinal Eijk ist diesbezüglich eindeutig: Die Lehren des Konzils von Trient sind noch vollkommen gültig. Das gilt auch für die Verurteilungen, die das Konzil gegen jene erlassen hat, die diese Lehren ablehnen. Wie die Protestanten.“
Der Titel und der redaktionelle Teil des Interviews waren nicht vom Kardinal vorher gesehen und genehmigt worden. Das Interview selbst hatte der Erzbischof hingegen zum Abdruck freigegeben. Es wurde auch auf der Internetseite der Niederländischen Bischofskonferenz veröffentlicht.
„Konzil von Trient beweist Fähigkeit zur Selbstreinigung der Kirche“
Kardinal Eijk betonte im Interview, daß das Konzil von Trient ein Zeichen für „die Fähigkeit der römisch-katholischen Kirche zur Selbstreinigung ist“, dank der „Führung durch den Heiligen Geist“. Das Konzil von Trient, so der Utrechter Erzbischof, setzte vielen Mißbräuchen, die sich im späten Mittelalter in die Kirche eingeschlichen hatten, ein Ende, so zum Beispiel der Simonie, einem Verständnis des Hirtenamtes, das dem biblischen Verständnis widersprach. Ein Ende gesetzt wurde aber auch grundsätzlich der Disziplinlosigkeit im Klerus und in den Klöstern: „Als alle Dekrete [des Konzils] umgesetzt wurden, kehrte wieder Ordnung in die Kirche ein“, so der Kardinal wörtlich.
Das Konzil von Trient trug zudem dazu bei, einige „Glaubenswahrheiten“ genauer zu definieren, die Irrtümer der Reformation betrafen. Der Kardinal bekräftigte, daß diese Bestimmungen nach wie vor vollkommene Gültigkeit haben „wie zum Beispiel die Transsubstantiation und die Essenz des eucharistischen Altarsakraments“.
„Viele haben falsches Bild von Katholischer Kirche und falsches Gottesbild“
Kardinal Eijk sagte, daß die Verurteilungen und Exkommunikationen für jene gelten, die die Lehre der Kirche „wissentlich und aus freiem Willen“ ablehnen. „In gewisser Hinsicht handelt es sich um eine theoretische Frage. Viele Menschen haben ein falsches Bild von der Katholischen Kirche, weil sie so erzogen wurden. Oder sie haben ein falsches Gottesbild. Dafür können sie nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Verurteilungen von Trient bedeuten nicht, daß jemand für alle Ewigkeit von Gott verurteilt ist. Gott urteilt über jeden Einzelnen, ein Mensch kann das nicht tun“.
Rehabilitierung Luthers nicht möglich
Schließlich lehnte Kardinal Eijk die von lutherischer Seite gewünschte „Rehabilitierung“ Martin Luthers ab: „Zu wichtigen Fragen hatte er von der Lehre der Kirche abweichende Ideen. Und diese Lehre bleibt wie sie ist.“ Aus diesem Grunde seien die Differenzen unverändert gegeben, was eine „Rehabilitierung“ unmöglich mache.
Der Kardinal nützte das Interview für eine positive Bewertung der kirchlichen Erneuerungsleistung durch die Gegenreformation, der vom Heiligen Geist gewirkten Selbstreinigung der Kirche durch das Konzil von Trient und seine Dekrete, die völlige Gültigkeit der Lehre des Konzils von Trient vor allem was die Eucharistie betrifft. Auch was die Verurteilungen anbelangt, erinnerte er daran, daß sie in der Sache gelten, aber die Anwendung auf die einzelne Person nicht automatisch sei. Sie setze eine bewußte Ablehnung der katholischen Lehre voraus.
Kritik von Protestanten und katholischen Ökumenikern
Das Interview löste einen Sturm negativer Reaktionen aus, die vor allem aus dem ökumenischen Bereich kamen. Auch von Katholiken. Grundtenor war, daß es als „unpassend“ betrachtet wurde, daß der Kardinal ausgerechnet in der Gebetswoche für die Einheit Dinge in Erinnerung rief, die „trennen und nicht einen“. Dabei wurden dem Kardinal eine Reihe von Aussagen in den Mund gelegt, die er so gar nicht getätigt hatte.
Arjen Plaisier, der Sprecher der Synode der Protestantischen Kirche in den Niederlanden richtete einen offenen Brief an Kardinal Eijk. In seiner Reaktion sagte der Erzbischof von Utrecht, daß über bestimmte Formulierungen des Konzils von Trient im Rahmen des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen gesprochen werden könne. Er stehe zum ökumenischen Weg und unterstütze alle Anstrengungen des Papstes in diese Richtung.
Interview korrekt wiedergegeben
Emiel Hakkenes, der Redaktionsleiter Religion und Philosophie der Tageszeitung Trouw bestätigte gegenüber Vatican Insider, daß der Inhalt des Interviews von Kardinal Eijk völlig korrekt wiedergegeben wurde. Die Redaktion habe dazu protestantische Vertreter um ihre Stellungnahme gebeten. Der Chefredakteur des Reformatorisch Dagblad teilte mit, daß das Interview vor der Veröffentlichung dem Kardinal vorgelegt und von diesem ausdrücklich genehmigt wurde.
Zu den von Kardinal Eijk aufgeworfenen Frage nahm die Kongregation für die Glaubenslehre im Jahr 2000 klärend mit der Erklärung Dominus Iesus über die Einzigartigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche verbindlich Stellung. Eine Präzisierung zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die 1999 am Reformationstag vom damaligen Vorsitzenden des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen und den Vorsitzenden des Lutherischen Weltbundes und des Weltrats methodistischer Kirchen unterzeichnet worden war.
Die Reaktionen auf das Interview von Kardinal Eijk legten offen, wie wenig die katholische Lehre öffentlich und auch bei den protestantischen Gesprächspartnern bekannt ist. Nicht zuletzt darum, weil sie von katholischer Seite wenig betont wurde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons