(Wien) In Österreich gab es 2013 mehr Kirchenaustritte als im Jahr 2012. Fast 55.000 Katholiken haben die Katholische Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts verlassen. Damit traten mehr Österreicher im ersten Jahr des Pontifikats von Papst Franziskus aus der Kirche aus, als im letzten Jahr des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. Die Kirchenverantwortlichen rätseln über dieses Phänomen, mit dem sie nicht gerechnet hatten.
„Wir hätten uns bessere Zahlen erwartet“, kommentierte der Linzer Bischofsvikar Wilhelm Viehböck. Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. war in nicht wenigen offiziellen kirchlichen Stellen Österreichs Erleichterung zu hören. Die Gründe sind im unterschiedlichen Kirchenverständnis zu suchen. Die Wahl von Papst Franziskus wurde mit Jubel begrüßt. Seither werde alles „anders“ und „besser“. Doch die harte Realität hat nun die Diözesen eingeholt.
Kein „Bergoglio-Effekt“ – Kirchenverantwortliche rätseln
Nach der Wahl des neuen Papstes sei ein „Stimmungsumschwung spürbar“ geworden, so Viehböck. Der „Stimmungsumschwung“ scheint jedoch nicht von der gewünschten Art zu sein. Eine „Stimmung“ scheint für die Kirche keine solide Grundlage zu sein. Auf der Führungsebene versucht man sich in Zweckoptimismus und verschiebt den „Bergoglio-Effekt“ auf das nächste Jahr. Negative Ereignisse würden eben „schneller“ wirken als positive, tröstet sich auch Bischofsvikar Viehböck.
Die Zunahme der Kirchenaustritte paßt nicht in das Bild. Es dämpft den behaupteten „Stimmungsumschwung“. Mit den Kirchenaustrittszahlen wurde in den vergangenen Jahren regelmäßig progressive Kirchenpolitik betrieben. Die Austritte wurden echten und fiktiven Skandalen zugeschrieben oder den „Konservativen“ in die Schuhe geschoben. Einmal lag die Schuld daran, daß Bischof Kurt Krenn zum Bischof von Sankt Pölten ernannt wurde, dann am angeblichen „Mißbrauchsskandal“ von Wiens Erzbischof Hans Hermann Kardinal Groer oder weil Papst Benedikt XVI. den „Hardliner“ Pfarrer Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof von Linz ernennen wollte.
Kirchenaustrittszahlen in Vergangenheit für progressive Kirchenpolitik mißbraucht
Die neuen Zahlen widerlegen diese durchsichtige, aber dank medialer Unterstützung verbreitete Schwarz-Weiß-Malerei. Wurden in den vergangenen Jahren die Kirchenaustritte von „berufener“ Seite als „Aufschrei“ gegen „Reformstau“ und „Rückwärtsgewandtheit“ interpretiert, herrscht derzeit auffälliges Schweigen. Glaubentreue Kirchenkreise fordern seit Jahren eine faktenbezogene Analyse. Die Individualisierung und Lösung der Kirchenbindung werde durch die progressive Agenda mit Zertrümmerung der Liturgie, verkürzter Glaubensverkündigung und ein nicht mehr wirklich katholisches Personal, das aber im Namen der Kirche in der Öffentlichkeit spreche, nur weiter gefördert statt gebremst.
Die Zunahme der Austritte beträgt 4,8 Prozent. Der Anteil der Katholiken an Österreichs Bevölkerung sank damit auf ein Rekordtief. Aus kirchlicher Sicht ist ein Austritt aus der Kirche nicht möglich. Durch eine schwerwiegende Tat, die gegen die kirchliche Lehre und Ordnung verstößt, können sich Gläubige die Exkommunikation zuziehen und damit den Ausschluß aus der kirchlichen Gemeinschaft. Diese muß nicht ausdrücklich verhängt werden, sondern tritt durch die Tat automatisch ein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Katholische Kirche in Österreich