von Klaus Obenauer
Vorwort
Meine jüngst hier veröffentlichten theologischen Einlassungen zum Thema sind, für sich genommen, doch sehr geeignet, den Eindruck einer kalten, wenn nicht zynischen Sachlichkeit zu hinterlassen. Es ist dies einerseits die Kehrseite des Bemühens, auf dem Boden der geltenden Doktrin, der ich mich verpflichtet weiß (um sie als irreformabel einzustufen), in argumentativer Stringenz (so gut es freilich ad hoc geht) der gegnerischen Position nachzuweisen, daß sie auf tönernen Füßen steht. Aber das soll nicht alles sein. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, es würde versucht, ein ganzes Arsenal von Argumenten aufzubieten, nur um recht zu behalten, mit dem Preis oder gar Ziel, daß eine bestimmte Personengruppe in der Kirche in der Marginalisierung bleiben muß. Deshalb nachstehend ein Versuch, sich dem Thema noch etwas vertiefter, sozusagen geistlicher anzunähern.
Hintergrund I: Allgemeine Umkehrbedürftigkeit
Der Eindruck eines Zynismus hat damit zu tun, daß man die Diskussion um die Sakramentenpastoral in bezug auf Wiederverheiratet-Geschiedene entkontextualisiert. Und so muß derjenige, der den Forderungen nach „Reform“ entgegenhalten will, fast zwangsläufig als jener wahrgenommen werden, der zynisch dafür plädiert, daß für eine Personengruppe, die unter ihrer Marginalisierung leidet, alles beim Alten bleibt. – Dabei ist jedoch eine Hintergrundfrage virulent, die uns alle betrifft, nämlich die nach der Umkehr, nach dem Preis konsequenter Umkehr. Die Wiederverheirateten haben sozusagen nur das Pech, daß der Preis ihrer Umkehr, der die erneute Zulassung zu den Sakramenten erlauben würde wie nach sich ziehen müßte, öffentlich greifbar geworden ist: von der Zweitehe wäre zu lassen, zumindest als gelebter Geschlechtsgemeinschaft.
Umkehr, Buße hat jedoch immer, je einschneidender sie sein muß (und sie muß es nicht immer in gleichem Maße), um so mehr damit zu tun, daß von etwas zu lassen ist. Und bisweilen kann dies sehr in die Lebensführung eingreifen; auch wenn das Vergehen, das Beschreiten des falschen Weges nie öffentlich geworden ist. Konkretes Beispiel: Was macht ein Lehrer, der, obwohl anscheinend im Recht, aus einer Animosität heraus mit einer gravierenden Fehlbeurteilung einem Schüler den ganzen Lebensweg „versaut“ hat (um durch seinen Beruf eine Familie zu ernähren)? Oder: Ein Journalist wird für seine gründliche Recherche gelobt – und dabei hat er in Wahrheit fahrlässig investigiert und in Folge davon eine Existenz kaputtgeschrieben. Hier ist das berühmte Problem der Restitution berührt. Als konkret realisierte Reue (ohne welche Realisierung die Reue keine ist) ist sie wie jedes einschneidende Lassen vom Bösen das vielleicht Schwierigste am Bußsakrament (zu dem ja konstitutiv die Reue als „Quasi-Materie“ gehört). Von daher könnte die Beichtkrise vielleicht doch zutiefst eine Krise der Reue sein; denn die Institution der Beichte hat es an sich, daß man, wenn man ehrlich sein will, sehr konkret werden muß; entsprechend hat man sich auch den Anforderungen konkreter Reue zu stellen. Und da die „modernen Lebensverhältnisse“ es sehr nahelegen, sog. Kompromisse einzugehen, faule Kompromisse, die auf dem Gewissen lasten, …
Also, mehr oder weniger intensiv und weittragend: das Problem betrifft uns alle; wohl nicht allzu viele von uns haben noch keinen größeren Schaden angerichtet. Wie gesagt: Das einzige Pech der Wiederverheiratet-Geschieden ist, daß der Schaden ihres Treuebruchs öffentlich und regelrecht institutionalisiert ist (so daß auch der Rückzug entschieden schwerer fällt). Von daher hat ein aufrichtiger Umgang mit dem Problem anzusetzen bei der allgemeinen Umkehrbedürftigkeit, die ins Bewußtsein zu rufen ist und über die der je einzelne sich Rechenschaft zu geben hat. Und sie muß gerade als dringlich und indispensabel begriffen werden (nicht: „wir sind ja sowieso alle“; „und wenn wir sowieso alle …“). – Es sind zwei Sorten von Pharisäertum, die dabei zu meiden, ja zu fürchten sind:
- die sozusagen klassische Variante; das wäre hier die moralische Selbststabilisierung durch das Bewußtsein, daß man selber ja kein öffentlicher Sünder ist;
- die raffiniert-moderne, die etwa so denkt: wenn ich liberal über die einschlägigen Fallgruppen denke, dann darf ich auch zu mir selber etwas großzügiger sein (ich „zahle“, indem ich meine Selbstdispens großzügig auf die anderen ausweite); und zugleich entschädigt man sich noch einmal für seine Großzügigkeit damit, daß man sich erhaben dünkt über die scheinheiligen Rigoristen, denen ja schon unser Herr und Heiland ordentlich die Leviten gelesen hat. Und vielleicht hätte ja auch so mancher als liberal beleumundete Pfarrherr Grund zur Rechenschaft darüber, was ihn warum mit dieser Kategorie numero zwo verbindet.
Es soll hier nicht herumgepredigt sein; vielmehr bin ich der festen Überzeugung, daß die Sache einen ganz anderen Anstrich bekommt, wenn diese Hintergründe aufgedeckt werden und wir uns ihnen stellen. Und vielleicht wird da auch so manches hehre Motiv zugunsten einer großzügigeren Praxis fragwürdig.
Hintergrund II: Privatisierung des Geistlichen
Ein weiteres Hintergrundproblem, dessen Fokussierung einen Schlüssel zur Entschärfung in die Hand geben mag, ist die Privatisierung des Geistlichen. Die christliche Gemeinde und der einzelne in ihr haben inzwischen so gut wie keinen Sensus, kein geistliches Gespür mehr dafür, daß diese Privatisierung ein Unding ist, daß es halt nicht „jedermanns Sache“ ist, wie er oder sie es damit hält, ob er oder sie in den Lebensverhältnissen mit Gottes Gebot und den Weisungen der Kirche im reinen ist oder nicht. „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“ (1 Kor 12,26): dieser Satz des heiligen Paulus hat so gut wie keinen Sitz im Leben bei uns. Und er gilt gerade auch vom geistlichen Gebrechen der Glieder. Natürlich kann dies nicht heißen, daß wir die bürgerliche Diskretion aufgeben, ein schieres Unding. Aber es heißt: es reicht nicht, daß ich mit mir im reinen bin; daß die anderen es nicht sind, sollte auch je mir unter den Nägeln brennen, und zwar um so mehr, als sich jemand dem Herzen der Gemeinde zugehörig weiß. Zu äußern hat sich dies z.B. im Gebetsleben, auch im öffentlichen (gemeinschaftlicher Rosenkranz etc.). Und es muß, auf der Ebene der Pfarrei und wohl noch mehr darüber hinaus (Dekanat, Diözese), ein entsprechendes Angebot konkret greifbar werden; ein Angebot, dabei unterstützt zu werden, den Ausweg zu finden: „Sie sind in einer kirchlich-irregulären Lebenssituation und wollen den Ausstieg? – Wir unterstützen Sie dabei.“ Natürlich ist das, einfach so dahingeschrieben, Bla-bla, wenn man so will. Der Eindruck wohlfeilen Postulierens verflüchtigt sich aber doch rasch, wenn man in Gedanken das Szenario durchspielt, man wollte so etwas auf einer Diözesanversammlung o.ä. vorschlagen. Und da drängt sich alsbald die Frage auf: Was ist der Grund, daß man solche oder ähnliche Vorschläge für entlegen erachtet und statt dessen für die offene Kirche plädiert, in der auch die „gebrochenen Biographien“ aufgehoben sind? – Jedenfalls scheint hier so eine Art geistlicher Bourgeoisismus am Werk, der, ganz parallel zum oben angesprochenen Pharisäismus, in zwei Varianten auftritt: in der konservativ-bürgerlichen, wonach man sich damit begnügt, denjenigen, die sich in eine irreguläre Situation gebracht haben, zu attestieren, daß sie ja „selbst schuld“ sind; und in der des Neo-Bürgertums, welches das Interieur der eigenen Gewissensentscheidung und des eigenen Lebensentwurfs regelrecht fetischisiert: die Kirche hat da keine Vorschriften zu machen. – Natürlich: Die Betroffenen müßten sich auf solch konkrete Hilfsangebote, die nolens-volens auf eine einschneidende Änderung der Lebensverhältnisse samt Selbstbeschränkung abstellen, einlassen. Und freilich denken sehr viele gar nicht daran. Trotzdem: Daß der Weg der konkreten Umkehr angepeilt wird, dies wird um so realistischer, je realistischer eine ausgestreckte Hand zu konkreter Hilfe diese Alternative auch vor Augen führt.
Hintergrund III: Geistliche Trägheit
Daß man sich ernste Gedanken über eine solche Entprivatisierung macht und in eins damit darüber, wie mit Hilfe tatkräftiger Solidarität mit denen, die unter ihrer irregulären Situation leiden, Abhilfe geschaffen werden könnte, setzt natürlich geistliche Sensibilität voraus. Die Sensibilität für den Anruf, der von der Unheilssituation des anderen ausgeht. „Unheilssituation“ im strengen Sinne des Glaubens: hier ist ein Leben vor Gott nicht in Ordnung und wird, nach menschlichem Ermessen, gegebenenfalls so vor Gott nicht bestehen können. Und da erneut ein (wohl besser: das) Hintergrundproblem: Warum brennen die letzten Dinge so wenig bis gar nicht unter den Nägeln? Gottes Ehre in der Rettung des verlorenen Menschen: wahrscheinlich ist hier ein wirklich fundamentales Versagen zu beklagen, was sie geistlich-aszetische Formung des Priesternachwuchses angeht. – Was hier um sich gegriffen hat, ist wohl eine schwer lasterhafte Verfassung, nämlich im ganz klassischen Sinne der Acidia, der geistlichen Trägheit: man kann sich gar nicht mehr dazu aufraffen, das Leben von seinem letzten Ernst, dem Ernst Gottes her zu sehen. Das Entschieden-und-ganz-ernst-wollen-Können: das ist das Problem, und da muß wohl die Gnade übergroß werden (cf. Röm 5,20).
„Wachheit“ ist eine Schlüsselvokabel in Oswald Spenglers berühmter Kulturmorphologie, gerade unter religionsphänomenologischem Gesichtspunkt. Ich brauche nicht zu erläutern, daß Spengler kein Ge-währs-Mann für uns sein kann. Aber seine religionsphänomenologischen Beobachtungen haben in ihrer gegen den Strich lesenden Hintergründigkeit auch für uns noch enormes zeitdiagnostisches Potential. Die „Wachheit“: Damit meint Spengler jene religiöse Aufgewecktheit, die im Stande ist, alles unter dem unbedingten Ernst der letzten Wahrheiten und Dinge zu beurteilen; die damit einhergehende radikal-leidenschaftliche Offenheit für alle theoretischen und praktischen Fragen, die sich daran heften. – „Wachheit“ ist auch eine Schlüsselvokabel des Neuen Testaments: Mt 25,13parall.: „Wachet also, denn ihr habt keine Kenntnis des Tages und der Stunde.“ Oder man denke an die Ölbergsszene. Schließlich in der Briefliteratur des NT: „Seid nüchtern und wacht (1 Petr 5,8).“ – Also: Gerade gemessen am Anforderungsprofil des NT, ist die Auf-ge-weckt-heit jene Grundhaltung, an der sich alles entscheidet. Es ist die Ergriffenheit vom Bewußtsein, daß der Bräutigam „bald“ kommt. Und daß es gilt, sich bereit zu halten und möglichst viele mitzunehmen. Und gar keiner wird „einfach so“ eingelassen (vgl. Mt 22,11–14). „Achtet aber auf euch, daß nicht vielleicht eure Herzen beschwert werden in Rausch und Trunkenheit und von den Sorgen dieses Lebens und jener Tag urplötzlich euch überkomme.“ (Lk 21,34) Die „Sorgen dieses Lebens“, die Sorgen dieser „Weltzeit“ / „sollicitudo saeculi (Mt 13,22). Die geistlich wirksame Ent-Säkularisierung, „Ent-Weltlichung“: Das inzwischen berühmte Stichwort von Papst Benedikt, der Kirche in Deutschland auf den Weg gegeben, ist programmatisch treffsicherer; zielt es doch mit Bestimmtheit ab auf ein konkretes spirituell-aszetisches Anforderungsprofil, das zwecks geistlicher Fruchtbarkeit wiederzugewinnen unumgänglich ist. Treffsicherer als „Arme Kirche für die Armen“: Wie nämlich jüngste Entwicklungen gerade in Deutschland zeigen, birgt dieses Stichwort die Gefahr in sich, ein sozialromantizistisches Fluidum zu erzeugen, in dem sich revolutionäre Forderungen gut unterbringen lassen. Über die Schwesterphrase von der „Zuwendung zu denen am Rande“ etc. bringt man es fertig, das Wasser dieses „franziska-nischen“ Wahlspruchs auf die Mühlen der liberalen Bürgerkirche in Deutschland umzuleiten: Willkommen in der Neo-Bourgeoisie! (Geschickt gemacht von den Schlaubergern in Freiburg, muß man schon sagen.)
Hintergrund IV: Progressismus und Leiden an der Endlichkeit
Die Wachheit als Gegenmittel zum geistlichen Schlaf der Acidia, der geistlichen Trägheit. Damit ist mir noch ein letztes Stichwort gegeben. Die Forderung nach einer anderen Sakramentenpastoral für Wiederverheiratet-Geschiedene ist ja nicht umsonst eingebettet in die permanente Beschwerde von einem „Reformstau“. Da ist der Frust darüber, daß sich „nichts mehr bewegt“. Und der nächstliegende Ansatz dafür, wieder etwas in Bewegung zu bringen, wäre eben die Sache mit den Wiederverheirateten.
Es ist nicht ganz unbezeichnend, daß man dadurch neuen Fahrtwind zu erhaschen hofft, daß man (neutral gesprochen) Standards aufgibt, das Anforderungsprofil entschärft. Schon in dieser Paradoxie liegt eine Indikation für ein weiteres und letztes Hintergrundproblem, vielleicht das Problem der Kirche heute. Und so geht sicher vom Erbe unserer großen Vergangenheit, wie es sich artikuliert in unzähligen Glaubenssätzen, Normen, Riten, Frömmigkeitsformen etc., der Eindruck des Schwerlastigen aus. (Und schon von daher scheint ja der Schluß nahezuliegen, es gälte „Ballast abzuwerfen“.) Allein: Zum Kern ist man damit noch nicht vorgedrungen. Was dem Erbe den Anschein des Schwerlastigen gibt, ist, daß es aus eben endlichen Gestalten der Vermittlung besteht, in der die Wirklichkeit des sich mitteilenden und offenbarenden Gottes an uns herangetragen ist; tragen wir unseren Schatz nun einmal „in irdischen Gefäßen“ (2 Kor 4,7). Wir leiden an der Endlichkeit, wie sie auch für die institutionellen Elemente der Kirche konstitutiv ist, jene Elemente, wie sie vom göttlichen Stifter für seine Kirche vorgesehen sind. Wir müssen die ewigen Wahrheiten in begrenzten Worten sagen; und mehr oder weniger sind es immer dieselben endlichen Worte, können es nur immer dieselben sein (wie jeder noch so klugen „Übersetzung“ anzumerken ist). In der Wiederholung desselben Endlichen liegt jedoch die Gefahr des Überdrusses. „Gefahr“: Auf jeden Fall muß es zur Krise kommen, wenn nach der anfänglichen Begeisterung die Differenz ins Bewußtsein tritt, die zwischen dem vermittelten Unendlichen und der endlichen Vermittlung aufklafft. Im geistlichen Leben des einzelnen ist dies etwa das, was der hl. Johannes vom Kreuz als die dunkle Nacht beschrieben hat, die auf verschiedenen Ebenen durchlebt wird: als Krise des Anschaulichen und Emotionalen („dunkle Nacht der Sinne“); und als Krise der geistigen Bezugnahme auf Gott selbst (mittels von Begriffen etc.; „dunkle Nacht der Geistes“). Was wir gegenwärtig und schon seit einiger Zeit zunehmend erleben, ist wohl das Erfahren solch einer Krise auf kollektiver Ebene, wo sie freilich ungleich weniger das Versprechen bei sich hat, ebenso generell bestanden zu werden. – Geschichtstheologisch entspricht dem das alte Problem der Parusieverzögerung (vgl. 2 Petr 3): der Bräutigam läßt auf sich warten (vgl. Mt 25,5). Von daher macht unsere Krise jenes Herrenwort im Ohr klingen, das nicht umsonst eines der „skeptischsten“ ist: „Allerdings, des Menschen Sohn, wenn er kommt: meinst du, er wird auf der Erde (noch) Glauben finden?“ (Lk 18,8). Klar: Wer als Theologe etwas auf seine Nüchternheit hält, wird sich vor Verquickungen von zeitdiagnostischen Erwägungen mit apokalyptischen Spekulationen hüten. Aber das zitierte Herrenwort kann Anlaß sein, in der Krise der Gegenwart erneut das Drängen wahrzunehmen, das davon ausgeht, daß der Herr wiederkommen muß, „bald“, weil allerletzte Zeit ist (gleich, wie lange deren Erstreckung ist). Und dies um so mehr, als Lukas 18,8 gerade ein Wort für unsere Zeit ist.
Für die praktische Nutzanwendung: Die Krise wird nicht bestanden, da diagnostisch verfehlt, wenn man der Tradierung des unveräußerlichen Erbes (und sei es nur partiell) untreu werden will, um statt dessen, mehr oder weniger offen eingestanden, das Alte durch Neues zu ersetzen. Man bleibt aber gerade darin einem simplen Denkschema der Progression verhaftet (vielleicht nicht umsonst in einer gewissen Parallele zum ökonomischen Wachstumsparadigma): linearer Fortschritt in Theorie und Praxis – und wenn dieser zum Stehen kommt, muß an den Inhalten manipuliert werden, weil wir sonst „nicht vorankommen“. Daß dies seinerseits kein leeres Pathos eines konservativen Kulturpessimisten ist, beweist, daß so gut wie alle Innovationsversuche in den letzten vierzig bis fünfzig Jahren, welche die Inhalte selbst zur Disposition stellten, sich als fruchtlos erwiesen haben: teils handelt es sich um eine Sukzession von Eintagsfliegen, teils hat sich die Progression in Wahrheit als Regression erwiesen (die geistliche Spannkraft hat abgenommen: das aszetisch-moralische Niveau ist total verflacht, die Verkündigung banal). – Ich will mir damit nicht anmaßen, ein gültiges Sittengemälde des ganzen kirchlichen Lebens des letzten halben Jahrhunderts weltweit zu skizzieren. Ich schreibe nun einmal aus der Sicht des Mitteleuropäers, in dessen Kontext einschlägige Reformforderungen lautstark erhoben werden. Und daß wir, schon sprichwörtlich, massive Degenerierungserscheinungen haben, kann nur der Blinde bestreiten. – „Regression“: Die meisten Forderungen, die zum „Kanon der Kritik“ (Joseph Ratzinger) gehören, wollen ja der weithin empfundenen sexuellen Bedürftigkeit entgegenkommen oder die sexuelle Prägung dort negieren, wo sie in konkrete Rollen einweist (und so beschneidet). Mag sein, daß ein hier und dort stereotyp vorgetragenes Moralisieren zusätzlichen Überdruß geschaffen hat und auch nur eine Sackgasse ist. (Aber vielleicht wäre hier auch einmal mehr das Risiko eines Selbstzeugnisses von Geistlichen gefragt, die ihren Zölibat gelingend leben, um so auch originär die geistliche Fruchtbarkeit der Keuschheit ins Wort zu bringen, statt abgestandene Phrasen des kirchenoffiziösen Jargons zu wiederholen.) Desungeachtet ist es aber befremdlich, wenn man glaubt, durch Zugeständnisse an den regressiven Zeitgeist Fortschritte erzielen zu wollen. Regressiv: Es geht tatsächlich weithin nur noch um Unlustvermeidung und um die Organisation des kleinen Glücks („man hat sein Gelüstchen für den Tag …“). Dagegen gehört zum ewig neuen Wein in den neuen Schläuchen des NT (vgl. Lukas 5,37sq.) die Distanz zum Fleisch; das Mark des Christentums ist hier betroffen: wir lassen uns nicht mehr vom Fleische leiten, sondern vom Geist (vgl. Röm 8,12–15; Gal 5,16–26). Hier steht ganz klar der Gegensatz von alt und jung, von Tod und Leben auf dem Spiel. Die reifsten Früchte jenes Fortschrittes, der in der Öffnung für die „diversesten Lebensstile“ bestehen soll, werden zur Zeit in der Evangelischen Kirche Deutschlands geerntet: die müssen sich nur noch entscheiden, welchen Opa oder welche Oma sie ins Rennen schicken wollen. Dafür haben die ja auch ganz viel Synodalität!
Was die Alternative angeht: Es liegt in der Natur der Sache, daß sie nur vage angedeutet werden kann. Wenn also Verabschiedung vom Progressionsparadigma, das stetige Hebung des Niveaus sozusagen auf derselben Linie, in derselben Dimension postuliert (um deshalb am Ende an die substantiellen Inhalte zu gehen), dann muß die „Lösung“ in einer „Kehre“ gesucht werden. Ich greife gerne diese Heideggersche Vokabel (!) auf, um damit jene programmatische „Kehrtwende“ zu konnotieren, die auf Progression in einer eindimensional gedachten Bewegungsrichtung verzichtet. Ein wenig konkreter: Die Innovation muß in einem eigens eingeübten, wenn man so will: „schöpferischen“, Umgang mit der Endlichkeit bestehen. Wir müssen sozusagen mit der Spannung des kostbaren Schatzes des Unendlichen in eben doch irdischen Gefäßen der Endlichkeit zu „jonglieren“ lernen. Eine geistliche Kultur, die das Bewußtsein pflegt, daß es das Un-aus-Sagbare ist, das wir, und zwar dennoch gültig, ins Wort bringen (vg. DS 3001).
Und dabei dürfen wir auf eine reiche Ernte zurückblicken: Nach dem ersten üppigen Wuchs in der Väterzeit hatten wir im Abendland drei große Epochen methodisch gedrängten Theologietreibens: die mittelalterliche Scholastik, die nachtridentinische (jeweils mit einer Früh‑, Hoch- und Spätphase), und schließlich – nicht umsonst zeitlich knapper – nach Napoleon bis ca. 1965 (plus oder minus). Und damit auch drei Blüten intensiver Frömmigkeit; und gerade die letzte zeichnete sich durch eine besondere Breitenpräsenz ins katholische Volk hinein aus. – Ich verbreite mich darüber eigentlich nur, um zu erwähnen, daß es die Erfahrung der Vergeblichkeit, des Strohernen in unseren Bemühungen, zumal den theologischen, schon in früheren Zeiten gab, die sich doch im Rückblick als regelrechte Glanzzeiten darstellen: Der heilige Bonaventura verglich die hochscholastischen (!!) Anstrengungen in Sachen Trinitätstheologie in deren Verhältnis zur Vorgabe des heiligen Augustinus, also zum Zeitalter der Kirchenväter, mit der agresten Beschäftigung Ruths im Alten Testament, die hinter den Aberntern herging, um die verbliebenen Ähren einzusammeln (Ruth 2,7): „Aber wir wollen mit Ruth die [verbliebenen] Ähren den Aberntern hinterher einsammeln nach Maßgabe unserer Lehrer.“ (Col. In Hex. XI,4: Op omnia Quarrachi V, 381a)
Ich wage einen Sprung zum amtierenden Papst Franziskus: Ich nehme, dankbar, zur Kenntnis, wenn sich viele Menschen von ihm ehrlich angerührt wissen: Es gibt offensichtlich bei Zahlreichen geistliche Früchte, die echt sind (vermehrter Sakramentenempfang in manchen Ländern, einschließlich Beichte!). Und ich akzeptiere, daß er viele Menschen (nicht nur bei uns!) ungleich mehr anspricht, da er sozusagen für sie dokumentiert, daß die Kirche eben auch keine deutsche Akademie ist. Darüber hinaus habe ich ja bereits in unmißverständlich deutlicher Zuspitzung eine kritische Anfrage formuliert, und zwar in einem sehr konkreten Punkt, um den ja auch dieser Beitrag kreist, so daß ich sonst nichts dazu sagen will. – Im Gegenzug glaube ich jedoch, daß Papst Benedikt das Charisma hatte, dem Kairos unserer Zeit besonders nahe zu sein. Wie vielleicht kaum ein zweiter hatte er Sinn für die Notwendigkeit, das Erbe nicht zu veräußern, sondern zu behüten, um zugleich – jenseits aller modischen Eintagsfliegen etc. – den Sinn wachzuhalten dafür, daß es um die bleibende Aktualität des neuen Weines in den neuen Schläuchen geht: Ihm verdanken wir eine eigens von ihm dazu geschaffene Sprachkultur, die etwas vom Canticum novum spüren ließ. In nicht wenigen Details sicher auch frag-würdig (subjektive Eigenwilligkeiten, problematische Einseitigkeiten und Einzelaussagen etc.) – jedoch zukunftsweisend, was das Gesamtkonzept angeht: Traditionstreue ohne Abstriche jenseits von Repetitionismus. Man sollte darauf zurückkommen, gerade auch bei uns und ziemlich bald!
Das führte jetzt weit weg vom sehr konkreten Thema „Wiederverheiratete-Geschiedene“. Aber ich wollte das mit den Hintergründen etwas eingehender ausloten, den Hintergründen all dieser Forderungen nach „Reform“, weil dort wohl eigentlich die Musik spielt. Und um zu einem geistlichen Abschluß zu kommen, greife ich noch einmal das Thema „Wachheit“ auf: Die Gestalt der klugen Jungfrauen aus Mt 25,1–13 scheint mir wegweisend. Wiederum am Ende (Vers 13) die Forderung, wachsam zu bleiben; paradoxerweise schlafen im Gleichnis aber alle ein, auch die klugen. Will natürlich sagen: Wir entrinnen nicht dem Tod; und in freierer Anverwandlung: auch nicht der Krisis jener Zeit, deren Signatur die Ermüdung ist. Das Entscheidende ist jedoch das Öl in den Krügen, das die klugen Jungfrauen von den törichten unterscheidet.
„Es seien eure Lenden umgürtet und eure Lampen brennend!“ (Lk 12,35)
Dr. theol. Klaus Obenauer ist Privatdozent an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn.
Die Sache ist ganz einfach. Die Zerstörung des Sakramentes der Ehe ist das Ziel der Tränen der wiederverheiratenen Geschiedenen. Sie selber haben eh keine Ahnung was auf dem Spiel steht. Die Typen die den Vater, die Mutter und das Kind angreifen tun haben säckeweise Kreide gefressen und ein dickes Schafsfell auf ihrem Wolfsnacken. Sie wollen das Christus ihnen gehorcht und nach ihren Bedingungen. Sie wollen ihm nicht gehorchen weil er nicht mehr zeitgemäß ist. Aber diese Zeit ist eine gottlose Zeit und sie haben nur einen Gesprächspartner und der hat natürlich viel Verständnis für dem Ehebruch. Und er heißt Luzifer. Er haßt die Familie die in Treue zu Christus steht.
Per Mariam ad Christum.
Achso das wichtigste hatte ich natürlich vergessen. Ich bin selber geschieden und weiß ganz genau worüber ich rede.
Per Mariam ad Christum.
Und ich gehe noch weiter. Wo waren die Hirten in den 70ziger Jahren die mich schützen sollten. Außer das ihr die Kommunionbänke abgesägt habt bleibt mir nichts in Erinnerung. Sollte dieses Konzil meine Seele in Gefahr gebracht haben dann gnade euch ihr Verführer. Wie schrieb doch unser vorletzter Papst in einem seiner Bücher. „Das Konzil hat die 68ziger befeuert“.
Und er hat natürlich recht.
Per Mariam ad Christum.
Guter Artikel aber er geht zumindest in meinen Augen leider völlig am Istzustand des Glaubens im deutschsprachigen Raum, und wie es zu dem gewaltigen Glaubens- Gottesabfall gekommen ist vorbei , es wurde vom deutschsprachigen Klerus und Episkopat ein kleiner Verrat nach dem anderen an Gott dem Herrn und seiner Kirche begangen. Und alles begann mit der Mariatroster – Königssteiner Erklärung, der stehenden Handkommunion mit fasst gleichzeitigen Entfernen der Kniebänke und der Einführung des Volksaltares, und diese innerkirchliche Unterhöllung wurde im Jahre 1995 für alle offensichtlich, siehe das Kirchenvolksbegehren. Und zu all dem hat sich der Vatikan (vermutlich des Götzen Mammons Willen) Blind, Taub und Stumm gestellt. Denn nur so ist die fortwährende Duldung des Ungehorsam den der deutschsprachige Klerus und das Episkopat (Gott dem Herrn sei es gedankt nicht alle) liefern zu erklären. Man wehrte sich nicht gegen die Anfänge und steht nun vor dem Problem einen Augiasstall auszumisten, der tagtäglich von neuen Dreck gefüllt wird. Und daher gibt es zumindest in meinen Augen nur eine Chance um den Glauben an Gott dem Herrn und das Vertrauen in seine Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche wiederherzustellen. Aus dem geistigen Schisma muss ein körperliches werden, und die nicht sofort weggelaufene Laien, Theologen, Religionslehrer/innen Klerus und Episkopat usw. müssten ein Treuegelübde an Gott dem Herrn, seinen Heiligen Willen, der Glaubenslehre und der Heiligen Tradition seiner Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche ablegen. I
Ich weis, hart, aber „LIEBER EINE ENDE IN SCHRECKEN; ALS EIN SCHRECKEN OHNE ENDE“
Gottes und Mariens Segen auf allen Wegen
Es wäre eigentlich ganz einfach, wie in Matthäus 5,31–32 geschrieben steht:
Von der Ehescheidung
„31 Ferner ist gesagt worden: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt, muss ihr eine Scheidungsurkunde geben. 32 Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.“
Besonders der letzte Satz wird heute gerne ignoriert und dem Zeitgeist geopfert. Man hat ja genug progressiven Rückenwind heutzutage und wer die Wahrheit sagt, kann schnell einmal diskreditiert werden, als ob er damit Unrecht tun würde.
Da man die Kommunion nicht mit schwerer Sünde empfangen darf und der Ehebruch eine solche ist und zu Lebzeiten leider nicht vergeben werden kann, bleibt all jenen die Kommunion verwehrt. Und wenn man in der ersten Ehe mit jemandem Wiederverheirateten ist gilt das solange diese Ehe andauert. Das ist im Katechismus nachlesbar.
Ich denke, man tut denjenigen für die Ewigkeit keinen Gefallen, wenn man sie dennoch unwürdig die Kommunion empfangen lässt.
Hinzufügen möchte ich, dass niemand Betroffener das als Angriff auf sich selbst auslegen soll, so ist es nämlich keineswegs gedacht. Es sind einfach die Regeln des Katechismus, an die wir uns so gut wir es wissen und können, halten sollten. Ich persönlich finde es schon als nicht Verheirateter oftmals schwierig genug, die Kommunion würdig zu empfangen. Es heißt in der Heiligen Schrift(1. Korinther 11,27–30):
27 Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. 28 Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. 29 Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt. 30 Deswegen sind unter euch viele schwach und krank und nicht wenige sind schon entschlafen.
Und eines möge man sich bitte insbesondere vor Augen halten:
Wenn Wiederverheiratete zur Kommunion zugelassen werden, gibt es doch keinen Grund mehr die Ehe überhaupt zu halten. Man könnte dann also 7 Mal heiraten und trotzdem noch(unwürdig) den Leib des Herrn empfangen, was eine schwere Sünde wäre. Die völlige gesellschaftliche Zerrüttung und Chaos wäre die Folge, weil die Familie das Fundament einer funktionierenden Gesellschaft ist.
Das Gleiche gilt für das Zölibat:
Wenn Priester heiraten dürften, wären Scheidungen ebenso vorprogrammiert. Das würde deren Wirken als Priester ad absurdum führen. Nur reine, gottgeweihte Hände sollen ja den Leib des Herrn berühren und die Kommunion spenden.
Am 1. September 1910 hat der hl. Papst Pius X.den Anti-Modernisteneid geleistet.
Wohl auch vorausahnend, was an liberal modernistischen Unterminierungen der Heiligen Mutter Kirche bevorstehen würden.
Heute ist dieser ad acta gelegte Eid vielfach von einem „zeitgemäss“ freigeistig angehauchten profanen „solidarisch brüderlichen Gemeinschaftsdenken“ gleichsam verpulverisiert worden.
Hier ein kurzer Auszug aus genannten dem Anti-Modernisteneid, der gerade auch heute mehr denn je angebracht wäre, um die Glaubensverkündigung aus der Lethargie des glaubensverwässernden „Dauerdiaolges“ herauszuführen:
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[….]
„So halte ich denn fest und bis zum letzten Hauch meines Lebens
werde ich festhalten den Glauben der Väter an die sichere Gnadengabe der Wahrheit,
die in der Nachfolge des bischöflichen Amtes seit den Aposteln ist,
war und immer sein wird,so dass nicht das Glaubensgegenstand ist, was entsprechend der Kultur eines jeden Zeitabschnittes besser und passender scheinen könnte,
sondern
daß niemals in verschiedener Weise geglaubt,
nie anders verstanden wurde
die absolute, unabänderliche Wahrheit,
die seit Anfang von den Aposteln gepredigt wurde.
Ich gelobe, daß ich das alles getreu, unversehrt
und rein beobachten und unverletzt bewahren,
daß ich in der Lehre oder in jeder Art von Wort und Schrift nie davon abweichen werde.
So gelobe ich, so schwöre ich,
so helfe mir Gott und dieses heilige Evangelium Gottes.“
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