(Rom) Die Heimat des neuen Staatssekretärs ist Venetien. Um genau zu sein der Ort Schiavon am Fuß der südlichen Voralpen kaum 18 Kilometer nordöstlich der Stadt Vicenza. Das Gebiet gehörte zum Festlandbesitz der einstigen Seerepublik Venedig. Vor Erzbischof Pietro Parolin, bisheriger Apostolischer Nuntius in Venezuela, den Papst Franziskus am vergangenen Samstag zum neuen Staatssekretär des Heiligen Stuhls ernannte, hatte bereits ein anderer Landsmann von ihm das höchste Amt an der Römischen Kurie hinter dem Papst inne. Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden venetianischen Staatssekretären der Kirchengeschichte stöberte der Vatikanist Sandro Magister nach.
Der einzige Venetianer, der vor Msgr. Parolin die Nummer Zwei im Vatikan war, hieß Giambattista Rubini. Der Kardinal war ein Neffe von Papst Alexander VIII. „Beide standen im Mittelpunkt von Vorsätzen zur Reform der Kurie, allerdings auf entgegengesetzten Positionen“, so Magister. Die Amtszeit von Kardinalstaatssekretär Rubini liegt bereits mehr als drei Jahrhunderte zurück.
Der engste Mitarbeiter des Papstes in der Leitung der Kirche wurde 1642 in Venedig geboren. Im Oktober 1689 wurde er in sein Amt nach Rom berufen, das er allerdings keine zwei Jahre innehatte. Msgr. Rubini war von 1684 bis 1702 zudem Bischof von Vicenza, der Heimatdiözese von Msgr. Parolin. Für die damalige Zeit keine Seltenheit, behielt Bischof Rubini das Bistum Vicenza auch während seiner Zeit als Staatssekretär bei. Seit Papst Innozenz X. ist das Amt des Staatssekretärs des Heiligen Stuhls ununterbrochen mit der Kardinalswürde verbunden.
Beachtet man nur die geographische und kulturelle Herkunft der beiden Staatssekretäre, scheinen die Gemeinsamkeiten bereits zu enden.
Rubini wurde von Papst Alexander VIII. zum Staatssekretär ernannt und zum Kardinal erhoben. Die Berufung erfolgte sofort, nachdem Pietro Kardinal Ottoboni, so der weltliche Name von Alexander VIII., 1689 im Konklave zum Papst gewählt wurde. Auch Alexander VIII. stammte aus Venetien, oder um genau zu sein, wie Msgr. Rubini aus Venedig. Er war ein Bruder von Cristina Ottoboni, der Mutter (manche Quellen sagen, der Großmutter) von Giambattista Rubini. „Es handelte sich letztlich um einen klassischen Fall von Nepotismus“, so Magister.
„Das Pontifikat von Alexander VIII.“, so das Papst-Lexikon von Treccani, „erlebte ein üppiges Wiederaufleben des Nepotismus. Man kann sagen, daß Alexander VIII. der letzte große Papst der Vetternwirtschaft war.“
Rubini, der Neffe Alexanders VIII. behielt die einflußreiche und prestigeträchtige Stellung allerdings keine zwei Jahre, genau die Dauer des Pontifikats seines Onkels, der am 1. Februar 1691 starb. Der Nachfolger Innozenz XII., gewählt am 12. Juli desselben Jahres, ersetzte den geförderten Venezianer umgehend. Neuer Kardinalstaatssekretär wurde der Römer Fabrizio Spada.
Papst Innozenz XII. setzte sofort eine gründliche Reinigungsaktion ins Werk. Mit konsequenter Härte bekämpfte er den Nepotismus. Eine Erneuerung der Römischen Kurie, die in der Bulle Romanum decet pontificem vom 22. Juni 1692 ihren Höhepunkt erreichte. Es galt „die Ehre der Römischen Kurie zu verteidigen, indem jene Übel, die auch der antikatholischen und antirömischen Polemik in die Hände spielten, an der Wurzel ausgerissen wurden“, so Treccani.
Magister sieht auch hier eine gewisse Analogie, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Nicht zwischen den beiden Staatssekretären Rubini und Parolin, sondern zwischen Parolin und Spada und dem Wunsch, einer Erneuerung der Römischen Kurie.
Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons