(Rom) Nachdem sich Vatican Insider als Sprachrohr der Rebellengruppe im Orden der Franziskaner der Immakulata exponiert hatte, ist man korrekterweise um Schadensbegrenzung durch Ausgewogenheit bemüht. Dazu gehört ein Interview mit dem einzigen offiziellen Sprecher des Ordens, Generalprokurator Pater Alessandro Maria Apollonio. Pater Apollonio widerspricht ausdrücklich den Versuchen, die kommissarische Verwaltung des Ordens durch die Ordenskongregation auf „interne Spannungen“ zu reduzieren, die mit dem überlieferten Römischen Ritus nichts zu tun hätten.
Aus dem Gespräch geht hervor, daß es im Orden eine kleine Minderheit gibt, die bekanntlich von Pater Alfonso M. Bruno angeführt wird, daß diese allein aber nichts bewegen hätte können. Die Eingabe von sechs Brüdern bei der Ordenskongregation bot aber anderen im Vatikan einen offensichtlich willkommenen Vorwand, um wider besseres Wissen gegen den Orden vorgehen zu können.
Aus dem Interview geht zudem eine gewisse Schwäche der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei hervor, deren Gewicht begrenzt scheint. Die Kommission hatte die Vorgehensweise des Generalrats des Ordens bei der Einführung des Vetus Ordo vorab gutgeheißen. Dennoch hatte diese offizielle Bestätigung für die Ordenskongregation keinerlei Relevanz.
Manches in der Angelegenheit der Franziskaner der Immakulata, so grundverschieden die beiden Fragen sind, erinnert an die Endphase der offiziell eingefrorenen Einigungsgespräche zwischen der Priesterbruderschaft St. Pius X. und dem Heiligen Stuhl. Der Generalobere der Piusbruderschaft, Bischof Bernard Fellay sprach im Herbst 2012 davon, daß aus Rom „Signale“ gekommen seien, die eine Einigung möglich erscheinen ließen. Tatsächlich galt eine solche um Ostern 2012 bereits als so gut wie sicher. Doch dann kam alles anders. Die „widersprüchlichen Signale“ deuten als Synonym für einen Machtkampf in Rom hin (siehe eigenen Bericht).
Einiges legt den Gedanken nahe, daß am Orden der Franziskaner der Immakulata ein Exempel statuiert werden soll, das gegen die Alte Messe gerichtet ist. Noch unklar sind die genauen Zusammenhänge, etwa ob dadurch andere Orden abgeschreckt werden sollen, ebenfalls die überlieferte Form des Römischen Ritus für sich zu entdecken oder ob sich das Exempel sogar gegen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften richtet. Von traditionsverbundenen Kreisen wurde die Tragweite des Angriffs erkannt und schnell organisierter Protest erhoben, der Rom nicht unbeeindruckt zu lassen scheint.
Das Interview führte der Vatikanist Andrea Tornielli.
Warum wurde von den vatikanischen Behörden eine apostolische Visitation des Instituts beschlossen?
Weil sie von einer Minderheit unter den Brüdern gefordert wurde, die den Führungsstil des Gründervaters und Generalminister und den Willen zur Förderung des Vetus Ordo neben dem Novus Ordo im Institut, wie es das Motu proprio Summorum Pontificum und die Instruktion Universae Ecclesiae vorsehen, nicht mehr teilten.
Wie wichtig war die Frage des alten Missale im Zusammenhang mit der apostolischen Visitation?
Sie hatte eine große Bedeutung, weil die genannte Gruppe von Mitbrüdern den Gründervater beschuldigte, den Vetus Ordo dem ganzen Institut aufgezwungen zu haben. Die Anschuldigung ist absolut falsch, aber ihr wurde geglaubt, und alle unsere Versuche, die zuständigen Stellen davon zu überzeugen, daß sie falsch ist, nützten nichts. Inzwischen wurde die Falschbehauptung durch verschiedene Medien und Presseagenturen zum schweren Schaden für den guten Ruf unseres Gründervaters und des Instituts weiterverbreitet.
Traditionsverbundene Internetseiten interpretierten die Nachricht der kommissarischen Verwaltung und der Entscheidung, den Gebrauch des alten Missale an eine Genehmigung zu binden, als Unterminierung des Motu proprio von Benedikt XVI. Teilen Sie diese Einschätzung? Wie kommentieren Sie die entsprechende Entscheidung?
Pater Lombardi hat geklärt, daß die Maßnahmen uns gegenüber das Motu proprio nicht unterminieren. Dennoch warten wir auf eine authentische Interpretation dieser liturgischen Bestimmungen des Heiligen Stuhls, die uns betreffen. Es ist nämlich zum Beispiel nicht klar, wer die „zuständigen Autoritäten“ sind, von denen die erwähnten Genehmigungen erteilt werden können: der Kommissar, die Ordenskongregation, die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei, der Ortsbischof, der eine oder der andere oder alle zusammen?
Wir hoffen, daß es sich um zeitlich begrenzte Disziplinarmaßnahmen handelt, und daß uns so bald als möglich wieder erlaubt wird, im Vetus Ordo zu zelebrieren, wie wir es immer getan haben, und das ohne die derzeitigen Einschränkungen, die uns dessen berauben, obwohl das Motu proprio Summorum Pontificum und die Instruktion Universae Ecclesiae höhere universale Rechtskraft besitzen.
In den Richtigstellungen zu unseren Artikeln haben Sie stets betont, daß der Gebrauch des alten Missale nicht exklusiv war und daß alle Entscheidungen gemäß den Bestimmungen des Motu proprio getroffen wurden. Stimmt es, daß die Kommission Ecclesia Dei vor der Apostolischen Visitation die Franziskaner der Immakulata zur Klugheit aufgefordert hat, bezüglich der Weise, wie der Gebrauch des alten Missale erfolgt?
Ja, und wir haben mit größter Klugkeit und Zurückhaltung gehandelt im völligen Respekt unseres Partikularrechts, das dem Generalkapitel „die höchste Autorität im Institut“ (Konstitutionen § 81) zuerkennt. Es war genau das jüngste Generalkapitel im Jahr 2008, das festlegte, daß der Generalrat (also Pater Stefano M. Manelli und seine fünf Berater) ein Durchführungsprotokoll zur Einführung des Vetus Ordo in unseren Gemeinschaften zu erstellen hat. Diese Einführung erfolgte mit dem Brief vom 21. November 2011. Die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei wurde vorsichtshalber vorab ersucht, den Brief zu prüfen, und sie stellte fest, daß er der mens des Heiligen Vaters Benedikt XVI. entspricht. Diese offizielle Beurteilung wurde jedoch in keiner Weise bei der weiteren Entwicklung unserer Angelegenheit berücksichtigt. Die Sache scheint uns unerklärlich und sie schmerzt uns sehr. Wir vertrauen unsere Sache der himmlischen Fürsprecherin, der Königin des Seraphischen Ordens an.
Interview: Vatican Insider
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corsiadeiservi