(New York) Der spanische Blog Germinas germinabit erinnert an den bereits 2012 im The Wall Street Journal erschienenen Artikel Traditional Catholicism Is Winning (Traditioneller Katholizismus gewinnt). Mit gutem Grund soll der Artikel in Erinnerung gerufen werden.
Die katholische Kirche in den USA erlebte vor wenigen Jahren die schwerste Krise ihrer Geschichte. Weitgehend als Folge und Altlast eines „radikalen Progressismus, der sich ihrer bemächtigt hatte“, so der Kirchenhistoriker und katholische Blogger Francisco de la Cigoña, explodierte 2002 der Skandal des sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger in einem erschreckenden Ausmaß. Ein Skandal, der auch Bischöfe mitriß und für die Diözesen einen teils verheerenden finanziellen Schaden anrichtete.
Nicht wenige Journalisten und Kommentatoren sahen bereits den völligen Zusammenbruch der Kirche voraus, in der sich so viel Abstoßendes angesammelt hatte, das nun an die Öffentlichkeit gelangte und das Bild einer inneren Fäulnis ans Licht förderte. Progressive Christen, anstatt sich selbstkritisch mit der eigenen Verantwortung am Skandal auseinanderzusetzen, sagten mit eifernder Genugtuung das baldige Ende des Zölibats voraus, so mit Büchern wie Full Pews and Empty Altars (Volle Bänke und leere Altäre) und The Death of Priesthood (Der Tod des Priestertums).
Doch die Kirche ist nicht zusammengebrochen, wie das Wall Street Journal staunend feststellte. Vielmehr präsentiert sich die katholische Kirche zehn Jahre nach Ausbruch des Skandals „wie neugeboren“, so de la Cigoña. „Und das ist wie ein Wunder“, so der Kirchenhistoriker. Entgegen allen Unkenrufen von damals erleben die Diözesen in den USA seit einigen Jahren steigende Zahlen an Priesterweihen und an Neueintritten in die Priesterseminare, so das Wall Street Journal, das gleich einige Beispiel anführte: Bei Charlotte in Nord-Carolina wird ein neues Priesterseminar gebaut; die Erzdiözese Washington hat das Priesterseminar erweitert, um Platz für die vielen Seminaristen zu schaffen; dem Erzbischof von Boston Sean Patrick Kardinal O’Malley wurde 2003 als er in seine neue Diözese kam, geraten, das Priesterseminar zu schließen, heute bereiten sich dort 70 Seminaristen auf die Priesterweihe vor und Kandidaten mußten bereits wegen Platzmangel abgewiesen werden.
„Die Zukunft ist ermutigend“, so das Wall Street Journal. Die Priesterberufungen, so die Zeitung, „boomen“ nicht nur in den „klassischen katholischen Hochburgen“, sondern auch in Erzdiözesen wie Washington (18 Neupriester im Vorjahr) und Chicago (26 Neupriester). Ein anderes Beispiel ist Lincoln in Nebraska, wo nur 16 Prozent der Bevölkerung Katholiken sind, aber 10 Neupriester geweiht wurden.
Ein entscheidender Faktor für die Erneuerung seien die Bischofsernennungen gewesen. Bereits 2010 erklärte Pater Joseph Fessio, der Gründer von Ignatius Press, daß schon unter Johannes Paul II. viele gute Bischöfe ernannt wurden, wenn auch nicht alle, und unter Benedikt XVI. „nur gute“ Bischofsernennungen für die USA erfolgten. Durch die Berufung „exzellenter oder zumindest würdiger Oberhirten“, so de la Cigoña, wurde der US-amerikanische Episkopat in beachtlichem Umfang erneuert.
Die Autoren des Wall Street Journal bestätigen einen direkten Zusammenhang zwischen einem „mutigen Bischof“, der „ohne Zweideutigkeiten“ das zölibatäre Priestertum verteidigt und der Zahl an Priesterkandidaten. So hob sich gerade die kleine Diözese Lincoln durch ihren Bischof Fabian Bruskewitz (1992–2012) ab, der sich durch Führungsstärke und treue Anhänglichkeit an die katholische Glaubenslehre auszeichnete. Die überdurchschnittlich hohe Zahl an Priesterberufungen in seiner Diözese spreche eine klare Sprache. 1996 sorgte er landesweit für Aufsehen, als er erklärte, daß Katholiken, die von der katholischen Lehre abweichenden Gruppen angehören, also zum Beispiel Abtreibung unterstützen, automatisch aus der Kirche ausgeschlossen sind.
Francis Kardinal George, der Erzbischof von Chicago (seit 1997), wird vom Wallstreet Journal mit einer Predigt zitiert, in der er vom „liberalen Katholizismus“ als einem parasitären Projekt sprach, „das sich erschöpft“ habe, weil „nichts mehr existiert“, wovon es „parasitär“ leben könnte. Von Kardinal George stammt der Ausspruch: „Ich selber erwarte, im Bett zu sterben. Mein Nachfolger wird im Gefängnis sterben, und sein Nachfolger wird als Märtyrer in aller Öffentlichkeit hingerichtet werden.“
Das Wall Street Journal zitierte ihn nicht damit, aber mit der Aussage, daß es Aufgabe der Bischöfe ist, „den apostolischen Glauben zu prüfen“ und bei Bedarf einzuschreiten.
Eine solche Verteidigung von Glauben und Lehre stelle einen deutlichen Unterschied zu dem dar, was die Generation vorher vertreten hatte, so das Wirtschaftsblatt, als viele in der Kirche ständig von einem „nicht erfüllten“ Zweiten Vatikanischen Konzils sprachen und einer nicht ausreichenden Umarmung der Moderne durch die Kirche. Eine Generation, die der Meinung war, die „Rettung“ der Kirche liege im Frauenpriestertum, der Zölibatsabschaffung und einer Stärkung der Laien, denen viele Aufgaben übertragen werden sollten.
Diese „gealterte Generation von Progressiven“, so das Wall Street Journal, versucht noch immer Lobbying in der Kirche zu betreiben, um „reproduktive Rechte [1]Gemeint sind ein „Recht“ zur Tötung ungeborener Kinder und auf künstliche Verhütungsmittel., Homo-Ehe und Frauenordination“ durchzusetzen. „Doch sie werden von jüngeren Männern und Frauen ersetzt, die von der Kirche wegen der Zeitlosigkeit ihrer Lehre angezogen werden“, so die Tageszeitung. Eine neue Generation, die gerade von der Kirche als Alternative zur vorherrschenden Kultur angezogen wird, von dem, was in Philosophie, Kunst, Literatur und der Theologie den Katholizismus „gegenkulturell“ macht. Eine neue Generation, die das „ganz andere“ in der Kirche wahrnimmt und die von der Schönheit der Liturgie und der katholischen Lehre von der unveräußerlichen Menschenwürde eines jeden Einzelnen angezogen ist. Und die zuverlässige und mutige Bischöfe will und bereit ist, diesen zu folgen und „dafür auch Opfer zu bringen“, so das New Yorker Wirtschaftsblatt.
Francisco de la Cigoña stellt sich in Zusammenhang mit der Lage der Kirche in den USA eine Frage. Wenn das „Erfolgsrezept“ darin bestehe, gute Bischöfe zu ernennen: „Warum wird es dann nicht einfach in anderen Ländern wiederholt?“ Am Beispiel Spaniens versucht de la Cigoña, eine Antwort zu geben: „In Spanien können wir uns über die jüngsten Bischofsernennungen nicht beklagen. Und das kann man in vielen Diözesen auch sehen. Sie haben uns allerdings auch einige geschickt, die imstande sind, auch noch das wenige zu erledigen, das von ihrem Bistum noch übrig war. In Frankreich ist die Lage noch schwieriger.“
Generell sei festzustellen: „Wo sie einen guten Bischof hinschicken, erlebt die katholische Kirche eine Erneuerung, wo sie einen schlechten hinschicken, liegt die Kirche im Sterben“, so de la Cigoña. Mit Blick auf Papst Franziskus äußert der aufmerksame Beobachter der katholischen Kirche die Hoffnung weiterer guter Bischofsernennungen: „Das ist eine seiner größten Verantwortungen, weil der Papst die Bischöfe ernennt. Mit guten Bischöfen blüht die Kirche wieder auf. Mit schlechten erlischt sie. Eine fürchterliche Verantwortung für jeden Papst, über die er einmal vor dem Gottesgericht Rechenschaft ablegen muß.“
Autoren des Artikels im Wallstreet Journal sind Anne Hendershott und Christopher White. Die Soziologin Hendershott ist Professorin am King’s College in New York, White war von 2010–2012 Internationaler Direktor der World Youth Alliance.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
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↑1 | Gemeint sind ein „Recht“ zur Tötung ungeborener Kinder und auf künstliche Verhütungsmittel. |
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Nun, die hohe Zahl an Weihen in Nebraska ist vermutlich dadurch bedingt, daß sich das Seminar der Petrusbruderschaft dort befindet. Insofern wird das Bild sicher etwas verfälscht. Wie hoch ist die Anzahl der Weihen von Priestern dort, die nicht zur FSSP gehören?
Die genannte Zahl 10 bezieht sich nur auf die Weihen der Diözese, die Weihen der FSSP sind nicht mitgerechnet.
Nebraska hat die höchste Rate Priesterweihen / Katholiken der ganzen USA. Es ist auch die einzige verbliebende Diözese, die keine Mädchen als Ministranten zuläßt. Die Diözese mit der momentan noch zweithöchsten Rate hatte das Mädchenminiverbot bis vor ca. 5 Jahren, als der neu ernannte Bischof es als so ziemlich erste Amtshandlung aufhob. Man wird sehen, wie sich die Rate mit der Zeit dem Durchschnitt angleichen wird.
Können die Bischöfe in den USA unabhängig vom Staat ernannt werden? In Deutschland ist eine freie Auswahl seitens des Hl. Vaters nicht möglich (div. Verträge, Konkordat). Wäre die Autonomie größer, wenn es die Kirchensteuer nicht gäbe? Vertraglich hängt wahrscheinlich alles zusammen, aber ich habe keine großen Kenntnisse von der rechtlichen Situation.
Ich lebe seit langer Zeit in den USA und verfolge deshalb die Situation aus der Nähe. Mir ist unverständlich, wie der Autor des Artikels von den Bischofsernennungen auf eine Blüte der Kirche in den USA schließen will. Das Gegenteil ist richtig! Gerade in den letzten Jahren haben Bischofsernennungen zu schweren Auseinandersetzungen in der Kirche geführt und der Einheit großen Schaden zugefügt. Unzählige Katholiken wenden sich ab, weil die Bischöfe nicht als Hirten erkenntlich sind, sondern polarisieren. Diese Entwicklung kann man besonders anschaulich im Nordosten beobachten. Statistisch gesehen weisen diese Bundesstaaten den höchsten Anteil an Katholiken auf, zugleich ist dieser Teil des Landes aber auch der mit Abstand liberalste. Im Übrigen pfeifen es hier die Spatzen von den Dächern, dass keine Kirche in den USA so viele Mitglieder verliert wie die katholische. Und zwar aus dem Bereich der Anglo-Amerikaner. Zum Schluss möchte ich noch davor warnen, eine steigende Zahl von Priesterweihen als eine Trendwende zu interpretieren. Auch in diesem Fall gilt: Masse ist nicht immer gleich Klasse. Ob die hohe Zahl auch mit einer höheren Qualität einhergeht, werden kommende Generationen zu beurteilen haben.
Was meinen Sie mit „die Bischöfe polarisieren“? Haben Sie eventuell ein Beispiel? Vielen Dank!
Gern komme ich Ihrer Bitte um ein Beispiel nach. Kürzlich haben einige Bischöfe alle Katholiken, die die gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen, dazu aufgefordert, auf den Empfang der Kommunion zu verzichten, weil sie der kirchlichen Lehre widersprechen. Dies hat bei unzähligen Katholiken Empörung ausgelöst. Sie haben die Frage gestellt, warum die Bischöfe mit zweierlei Maß messen: Bisher hat noch kein Bischof bei einer anderen Frage zu einem Kommunionverzicht aufgefordert, obwohl auch hier viele mit der offiziellen Lehrmeinung nicht übereinstimmen. Zahlreiche Katholiken unterstützen die Todesstrafe – was klar der Lehrmeinung widerspricht. Dürfen sie weiter zur Kommunion gehen? Nur hinweisen will ich auf Katholiken, die nicht den Nächsten lieben, für ihre Feinde nicht beten oder keine Vergebung gewähren. Dürfen sie weiter zu Kommunion gehen? In keiner dieser Fragen haben Bischöfe Stellung genommen. Diese Tatsache hat für erheblichen Wirbel gesorgt und polarisiert.