(Rom) Adoptieren die Legionäre Christi Papst Benedikt XVI. als ihren „neuen Vater“? Diese Frage stellt die katholische Seite Cantuale Antonianum. Vor wenigen Tagen erstattete Velasio Kardinal De Paolis Papst Franziskus Bericht über die Entwicklung des katholischen Ordens und zog dabei eine positive Bilanz (wir berichteten darüber). Kardinal Velasio war von Benedikt XVI. als Apostolischer Delegat eingesetzt worden, als der Papst den Orden unter kommissarische Verwaltung des Heiligen Stuhls stellte. Für den Herbst wird ein Generalkapitel des Ordens einberufen, das eine neue Ordensleitung wählen soll. Damit endet das Mandat des Kardinals und der Orden wird endgültig einen erneuerten, selbständigen Weg gehen.
Der Neubeginn des Ordens wirft noch eine letzte wichtige Frage für den Orden auf, der einer der dynamischsten der katholischen Kirche ist. Die Frage, wer der neue „Gründer“ des Ordens ist, die Gründer- und Vaterfigur, die den Platz jenes Mannes einnehmen kann, der am Ende seines Lebens von allen Ämtern entbunden sich in Gebet und Buße zurückziehen mußte. Jener Mann, der mit seinem Doppelleben sogar Papst Johannes Paul II. getäuscht hatte, während Benedikt XVI. kaum zum Papst gewählt mit Strenge eingriff.
Die Geschichte kann nicht geändert werden: Marcial Maciel Degollado (1920–2008) ist der Gründer des Ordens, aber er ist nicht mehr dessen geistlicher Vater und charismatische Bezugsfigur. Um den Erneuerungsprozeß abzuschließen und diese Lücke zu schließen, bedürfe der Orden einer neuen geistlichen Vaterfigur, so Cantuale Antonianum: „Es gäbe einen, der diesen Platz einnehmen könnte. Der einzige, der sich wirklich als Vater für die Legionäre erwiesen hat. Es ist (der heute emeritierte) Papst Benedikt XVI.“
Es seien „sehr viele“ gewesen, die in der Empörung über den bekanntgewordenen Skandal rund um Maciel dem Papst die Auflösung der Legion nahelegten. Gerade Benedikt XVI., der mit der ganzen nötigen Strenge gegen Maciel, den er als „falschen Propheten“ bezeichnete, vorgegangen war und einen Akt der Reinigung einleitete, folgte diesen Ratgebern nicht. „Als wirklicher Vater, der zurechtzuweisen weiß, aber seine Kinder nicht vernichten will, ernannte er statt dessen einen Delegaten und unterwarf die ganze Legion Jahre der qualvollen Reinigung und grundlegenden Erneuerung, mit der Entfernung der vom Gründer ausgewählten Oberen, der Offenlegung des Finanzgebarens, der Überarbeitung der Ordensregeln“, so Cantuale Antonianum.
Papst Benedikt XVI. ist bereits jetzt als Neugründer und Erneuerer der Legionäre Christi in die Ordensgeschichte eingegangen. „Ihn als Vater zu adoptieren“ wäre eine logische Folgerung, so der katholische Blog.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Cantuale Antonianum
Eine großartige Idee. Viele junge Menschen aus der Generation Benedikt könnten sich dem Orden anschließen, deren geistiger Vater der Namensgeber ihrer Bewegung ist. Aber ob das so einfach geht? Benedikt hat sich, zu Recht, denn es darf niemals der Eindruck entstehen, dass er dem amtierenden Papst „dreinredet“, aus dem öffentlichen kirchlichen Leben zurückgezogen. Das müsste einer Adoption zum Vater des Ordens, der sich aber nicht in seine Belange einmischt, meiner Meinung nach nicht entgegenstehen. Die Risiken (etwa einer Instrumentalisierung des Pontifex em.) sind doch weitaus geringer, als die Chancen, die eine solche Wahl beinhaltet. Das beste wäre, dass, falls der Vorschlag konkreter wird, also von den Ordensoberen aufgegriffen würde, Franziskus, dem ja wohl die letzte Entscheidungsgewalt zusteht, auch wenn er sie, gemäß dem Subsidaritätsprinzips dem Orden lassen würde, und Benedikt, der ja auch sein Einverständnis geben müsste, sich darüber beraten würden. Ich könnte mir zwar vorstellen, dass die progressistischen Seilschaften in der Kurie enormen Druck ausüben könnten, um das Vorhaben zu stoppen. Ich hoffe aber, dass diese Idee Wirklichkeit wird: die Argumente von Cantuale Antonianum sind jedenfalls überzeugend.
Danke, Jean-Louis.