Stichwörter der Geschichte – Kardinal Siri über Deckungsgleichheit von Progressismus und Relativismus


Kardinal Siri 1975 über die Deckungsgleichheit von Progressismus und Relativismus(Genua) 1975 ver­öf­fent­lich­te Giu­sep­pe Kar­di­nal Siri, der Erz­bi­schof von Genua (1946–1987) in der Kir­chen­zei­tung sei­ner Diö­ze­se eini­ge Gedan­ken zur kirch­li­chen Ent­wick­lung. Der damals 52jährige Kar­di­nal galt 1958 als Favo­rit und Wunsch­nach­fol­ger Pius XII. auf dem Papst­thron. Im Kon­kla­ve von 1963 war er der Gegen­spie­ler von Kar­di­nal Mon­ti­ni, dem spä­te­ren Papst Paul VI.
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„[…] man liest Zeit­schrif­ten und Bücher, die unge­niert dem wider­spre­chen, was das Kon­zil von Tri­ent defi­niert hat; akzep­tiert For­men des Den­kens, die aus­drück­lich in der Enzy­kli­ka Pas­cen­di des hl. Pius X. wie eben­so in sei­nem Dekret Lamen­ta­bi­li ver­ur­teilt wer­den; reha­bi­li­tiert Loi­sy; zieht den histo­ri­schen Wert der Geschichts­bü­cher der Hei­li­gen Schrift in Zwei­fel; erhebt die zer­stö­re­ri­schen Theo­rien des Pro­te­stan­ten Bult­mann zum Maß­stab; lauscht gleich­gül­tig den Sät­zen von Autoren jen­seits der Alpen, selbst wenn sie das Zen­trum der gött­li­chen Offen­ba­rung, die Gott­heit Chri­sti angrei­fen. Wenn man mit den Grund­sät­zen zügel­los umgeht, bekommt man natür­lich die kirch­li­che Moral und Dis­zi­plin, die man will. Unter die­sem grund­sätz­li­chen Blick­win­kel betrach­tet, besteht der Pro­gres­sis­mus dar­in, die offen­bar­te Wahr­heit als rela­tiv zu behan­deln, sie so schnell als mög­lich zu ändern und den Men­schen eine Frei­heit zu ver­schaf­fen, mit der sie inner­halb kur­zer Zeit nicht mehr wis­sen, was sie damit anfan­gen könn­ten, und das im Ange­sicht des Abso­lu­ten. Ein­mal auf die­ser Linie ange­kom­men, ist der „Pro­gres­sis­mus“ mit dem „Rela­ti­vis­mus“ deckungs­gleich und dem „ange­be­te­ten“ Men­schen beläßt man nichts mehr, nicht ein­mal mehr sei­ne Hoff­nun­gen! Natür­lich wis­sen nicht alle Men­schen, die als Pro­gres­si­sten gel­ten, von die­sen Zusam­men­hän­gen. Aber auch sie akzep­tie­ren die Fol­gen und die logi­schen Schluß­fol­ge­run­gen des­sen, wovon sie nichts wis­sen. Wenn sie eine Schuld haben – Gott wird das beur­tei­len! – dann besteht sie dar­in, nicht nach dem War­um des­sen zu fra­gen, wofür sie fana­tisch Par­tei ergreifen.“

Giu­sep­pe Kar­di­nal Siri in der Rivi­sta Dio­ce­s­a­na Geno­ve­se vom Janu­ar 1975.

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Text: Cordialiter/​Giuseppe Nardi
Bild: Cordialiter

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9 Kommentare

  1. Pro­phe­ti­sche Wor­te! Dass so ein pia­ni­scher Nest­be­schmut­zer natür­lich nie­mals Papst wer­den durf­te, liegt klar auf der Hand… soviel zum Wir­ken oder Nicht-Wir­ken des Hei­li­gen Gei­stes im Konklave.

  2. Das stimmt. Kar­di­nal Siri konn­te nie­mals Papst wer­den. Der Hei­li­ge Geist zwingt Men­schen, auch Kar­di­nä­le im Kon­kla­ve nicht, sich für sein Wir­ken zu öffnen.
    Lei­der fällt auch auf die­sen gro­ßen Kar­di­nal und Theo­lo­gen ein Schat­ten. Damals, vor dem Assi­si-Skan­dal, appel­lier­te Erz­bi­schof Lefeb­v­re an meh­re­re kon­ser­va­ti­ve hohe kirch­li­che Wür­den­trä­ger, beim Papst zu pro­te­stie­ren, sich gegen die­ses Tref­fen, das den Gott­men­schen Jesus Chri­stus auf eine Stu­fe mit ande­ren Reli­gi­ons­stif­tern stell­te, auszusprechen.
    Der muti­ge, glau­bens­treue Erz­bi­schof bekam noch nicht mal eine Ant­wort. Nur von Kar­di­nal Siri. Lei­der ableh­nend. War­um nur? Wie den­ken hohe Wür­den­trä­ger? Ist der Gehor­sam unse­rem Herrn gegen­über weni­ger wich­tig als der Gehor­sam dem Papst gegenüber?
    Kar­di­nal Siri hat­te nichts mehr zu ver­lie­ren. Er war alt, Johan­nes Paul II. hät­te ihn nicht mehr bestra­fen kön­nen, ohne sein Gesicht zu verlieren.
    Die­ser Ein­wurf ändert nichts an mei­ner Hoch­ach­tung vor Kar­di­nal Siri, des­sen Buch „Geth­se­ma­ni“ für mich von unschätz­ba­rem Wert ist.

  3. Viel­leicht eig­nen sich Kar­di­nal Siri und Erz­bi­schof Lefeb­v­re in beson­de­rer Wei­se, den schmerz­li­chen Kon­flikt dar­zu­stel­len, in dem sich gera­de tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Katho­li­ken befin­den: Die inne­re Ver­bun­den­heit mit dem Papst steht auf dem Spiel.
    Kar­di­nal Siri dach­te weni­ge Jah­re vor sei­nem Tod ver­mut­lich nicht mehr an sei­ne kirch­li­che Kar­rie­re, in der Hin­sicht hat­te er nichts mehr zu ver­lie­ren. Katho­lisch sein heißt, mit dem Papst ver­bun­den sein, theo­lo­gisch und emo­tio­nal. Ich ver­mu­te, dass er des­halb nicht bereit war, auf die Bit­te von Erz­bi­schof Lefeb­v­re einzugehen.
    Doch Erz­bi­schof Lefeb­v­re war nicht weni­ger mit dem Papst ver­bun­den. Ich sehe sei­ne Grö­ße auch dar­in, dass er aus Lie­be zum Papst­tum an sich den Gehor­sam ver­wei­gern muss­te. Das ist eine äußerst schmerz­li­che Situa­ti­on. Doch wäre der Erz­bi­schof die­ser Situa­ti­on aus­ge­wi­chen, hät­ten wir noch wirk­lich ‚klas­si­sche römisch-katho­li­sche Prie­ster‘, die die Mes­se aller Zei­ten zele­brie­ren, die die Sakra­men­te spen­den im „klas­sisch-römisch-katho­li­schen Sinn“?
    Ich weiß, die­se Aus­drucks­wei­se wirkt theo­lo­gisch angreif­bar. Sie beruht jedoch auf Erfah­rung, erhebt nicht den Anspruch auf begriff­li­che Klarheit.
    „Wir tra­gen die Kir­che im Exil“, pre­dig­te Bischof Tis­sier de Mal­ler­ais am Pfingst­fest. Die­se Pre­digt, die nach mei­nem Emp­fin­den die Lage tref­fend beschreibt, kann man nach­le­sen auf dem Blog von POSchenker.
    Man kann die­je­ni­gen nicht angrei­fen, den­ke ich, die nicht ins Exil gehen wol­len. Man soll­te aber auch den­je­ni­gen, die glau­ben, nur im Exil den katho­li­schen Glau­ben bewah­ren, schüt­zen und leben zu kön­nen, den Respekt nicht ver­sa­gen. Sedis­va­kan­tis­mus ist die Tren­nung, im Exil leben bedeu­tet, war­ten zu kön­nen, bis die Rück­kehr mög­lich ist. Auch wenn die Zeit schwer erträg­lich lang wird.

    • @cuppa
      „.….….….….….…. Exil leben bedeu­tet, war­ten zu kön­nen, bis die Rück­kehr mög­lich ist. Auch wenn die Zeit schwer erträg­lich lang wird.“

      Aber das War­ten lohnt sich, denn das was nach dem Kon­zil und der Lit­ur­gie­zer­stö­rung mit der Kir­che pas­siert ist, wird bald sein trau­ri­ges Ende fin­den in Spal­tung und Zerstörung.
      FSSPX hat ein Gegen­kon­zept mit funk­tio­nie­ren­der Infra­struk­tur und wesent­lich wicht­ger, hoch­mo­ti­vier­ten Kle­ri­kern und Gläubigen.
      Wenn ich dort zur hl. Mes­se gehe ist es wirk­lich, wie in einer ande­ren Welt zu sein, so wie es ja eigent­lich sein müß­te, nicht der ermü­den­de Brei aus Gut­men­schen­tum und Sich-selbst-fei­ern mit Gequat­sche und viel Gesang, bei mög­lich kei­nen ver­bind­li­chen Aus­sa­gen mehr, täg­lich und wöchent­lich hier­zu­lan­de in der DBK Kir­che zu erleben.

      Die­se NOM Kar­ten­haus fällt in sich zusam­men, denn noch eine wei­te­re Schwatz­bu­de braucht nun wirk­lich kei­ner mehr.

      Wie gesagt, das War­ten lohnt sich.
      Bischof Leb­fe­v­re ist einer der wich­tig­sten Hei­li­gen des 20. Jhdt. da er als EINZIGER abso­lut strin­gent und nach­hal­tig den sata­ni­schen Ver­su­chen, nach Vat.II und Lit­ur­gie­re­vo­lu­ti­on, erfolg­reich wider­stan­den hat.
      SANTO SUBITO !

    • „Doch Erz­bi­schof Lefeb­v­re war nicht weni­ger mit dem Papst ver­bun­den. Ich sehe sei­ne Grö­ße auch dar­in, dass er aus Lie­be zum Papst­tum an sich den Gehor­sam ver­wei­gern musste.“
      Die Lie­be zum Papst­tum *an sich* kann einen nie­mals in Gegen­satz zum jeweils kon­kre­ten Papst set­zen. Das Papst­tum mani­fe­stiert sich in dem, der jetzt gera­de Nach­fol­ger des Hl. Petrus ist; IHN soll ich lie­ben, nicht ein lee­res Amt. Das war der gro­ße Feh­ler von Erz­bi­schof Lefeb­v­re, und es schränkt sei­ne (beson­ders hier sehr oft und gern beschwo­re­ne) Grö­ße und Hei­lig­keit deut­lich ein.

      • @Victor
        Im Prin­zip Ja, aber fin­den Sie nicht das die Lit­ur­gie­zer­stö­rung durch Papst.Paul 6. rich­tig war ?
        Hier hat ein Papst sich strikt amts­wid­rig ver­hal­ten, der hei­li­ge Wider­stand war und ist in solch gra­vie­ren­den Momen­ten abso­lu­te Pflicht.
        Ich bin auch ein Anhän­ger der Treue zum Amts­trä­ger, auch glau­be ich an Chri­sti beson­de­ren Ruf an die­sen Men­schen, das heisst aber nicht das man bei schwe­ren Irr­tü­mern durch die Per­son nicht Wider­stand lesi­ten darf.
        Ich fin­de genau das hat Bischof Leb­fe­v­re getan.
        Es sind immer nur Ein­zel­ne, die wirk­lich etwas bewe­gen kön­nen, die amor­phe Mas­se der Jasa­ger ist nicht wirk­lich wichtig.

  4. Erz­bi­schof Lefeb­v­re war zutiefst geprägt von sei­ner Ver­eh­rung zu den Päp­sten bis zu Papst Pius XII.
    Bis dahin hat sich der katho­li­sche Glau­be kon­ti­nu­ier­lich ent­fal­tet, die­se Ent­fal­tung war nie gegen die Ver­gan­gen­heit, gegen die Tra­di­ti­on der Kir­che gerichtet.
    Mit Johan­nes XXIII., mit dem Kon­zil 1962 – 1965, sind Päp­ste auf den Stuhl Petri gelangt, die teil­wei­se den Glau­ben so ver­kün­den, dass er im Wider­spruch zur Tra­di­ti­on steht.
    Ich gebe Ihnen ein Bei­spiel: Bis zu Pius XII. gin­gen alle Päp­ste davon aus, dass es nur eine RÜCKKEHRÖKUMENE geben kann. Die Kon­zil­s­päp­ste gehen mehr oder weni­ger davon aus, dass die Rück­keh­r­ö­ku­me­ne über­holt ist, dass es eine Ein­heit geben kann ohne Rück­kehr zur katho­li­schen Kir­che. Die­se Öku­me­neauf­fas­sun­gen sind so unter­schied­lich, dass sie logisch nicht zu ver­ein­ba­ren sind. Ent­we­der haben die Vor­kon­zil­s­päp­ste recht oder die Kon­zils- und Nachkonzilspäpste.
    Das ist nur ein Bei­spiel. Erz­bi­schof Lefeb­v­re hat sich unmiss­ver­ständ­lich für die Vor­kon­zil­s­päp­ste ent­schie­den, für den über­lie­fer­ten Glau­ben. Sei­ne Prie­ster­bru­der­schaft hat den Schutz­pa­tron Pius X. Der Name ist ein Programm.
    Die Lie­be zum Petrus­amt, das von Jesus Chri­stus selbst gegrün­det wur­de, hat ihm ver­bo­ten, sich von den Päp­sten der Kon­zils- und Nach­kon­zil­s­ära zu tren­nen. Aber er hat ihnen nicht mehr gehorcht, wenn sie gegen die Tra­di­ti­on, gegen den über­lie­fer­ten Glau­ben gehan­delt haben.

    Wir wis­sen doch aus der Kir­chen­ge­schich­te, dass es hei­li­ge, gute, mit­tel­mä­ßi­ge und schlech­te Päp­ste gege­ben hat. Sie kön­nen nicht alle den glei­chen Gehor­sam ver­lan­gen. Wie man das nicht ein­se­hen kann, erschließt sich mir nicht. Logisch ist es jeden­falls nicht.
    Es ist grund­sätz­lich katho­lisch, am von Jesus Chri­stus ein­ge­setz­ten Petrus­amt fest­zu­hal­ten, auch wenn ein ein­zel­ner Papst nur teil­wei­se Gehor­sam ver­dient. Das Amt ist wich­ti­ger, als der ein­zel­ne Papst. Das Kri­te­ri­um ist die katho­li­sche Tra­di­ti­on, der GLAUBE ALLER ZEITEN, dem jeder Papst zu DIENEN hat.

  5. Noch ein Wort in eige­ner Sache: Ich habe oben den Blog von POSchen­ker erwähnt. Dass er kri­tisch gegen­über der Lei­tung der FSSPX ist, dürf­te bekannt sein. Doch ich habe zuerst bei pius​.info geklickt. Dort war die Pre­digt von Bischof Tis­sier de Mal­ler­ais nur in weni­gen Sät­zen wie­der­ge­ge­ben. Lei­der. So war ich gezwun­gen, auf POSchen­ker zurückzugreifen.
    Ich hal­te die Pfingst­pre­digt des „Pius-Bischofs“ in der jet­zi­gen Situa­ti­on, in der die Tra­di­ti­on des­ori­en­tiert wirkt, für enorm wich­tig. Sie kann den Unter­schied deut­lich machen, der zwi­schen der ursprüng­li­chen Tra­di­ti­on, der ‚Lefeb­v­re-Tra­di­ti­on‘ und der ‚Eccle­sia-Die-Tra­di­ti­on‘ besteht. Bischof Tis­sier de Mal­ler­ais ist kein Rebell. Er hat sich immer aus­ge­zeich­net durch sei­ne beson­de­re Treue zu Erz­bi­schof Lefeb­v­re. Und hat sich dem Gene­ral­obe­ren immer unter­ge­ord­net, so weit es mir bekannt ist.

  6. Berich­ti­gung: ‚Eccle­sia- Dei-Tra­di­ti­on‘ muss es natür­lich hei­ßen. Die deut­lich zu unter­schei­den ist zwi­schen der ‚Lefeb­v­re-Tra­di­ti­on‘. Es gibt kei­ne ein­heit­li­che Tra­di­ti­on. Ich ver­mag nicht aus­zu­schlie­ßen, dass jedes Ent­ge­gen­kom­men Roms letzt­lich dem Zweck dient, die ‚Lefeb­v­re-Tra­di­ti­on‘, die das 2. Vat. Kon­zil grund­sätz­lich ablehnt, zu schwächen.

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