(Innsbruck) Wie das Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. seine Wirkung entfaltet, soll am Beispiel der Diözese Bozen-Brixen im schönen Südtirol nachgezeichnet werden.
Als die nachkonziliare Liturgiereform durchgesetzt wurde, blieben in den katholischen Ländern nur vereinzelte Priester, die an der Zelebration in der überlieferten Form, der sogenannten Messe Pius V. festhielten. Man konnte sie da und dort finden als Einzelkämpfer. Rückblickend erscheinen diese Punkte wie ein kleines, kaum sichtbares Netzwerk katholischen Beharrungsvermögens. Ein „Netzwerk“, das – so unwahrscheinlich es in den 70er Jahren scheinen mochte – für die Zukunft angelegt war. Es waren diese Priester, die unter Anfeindungen und großen persönlichen Opfern Meßorte im „Alten Ritus“ am Leben erhielten, auf die später aufgebaut werden konnte. Sie sicherten das ununterbrochene Fortleben der Feier des heiligen Meßopfers in der überlieferten Form.
Fast unsichtbares Netz von Priestern hielt unter großen Opfern an „alter Messe“ fest
In Venedig war Don Siro Cisilino (1903–1987) dieser Beharrer und Bewahrer des kostbaren Schatzes. Er war ein gemaßregelter, persönlich zurückgesetzter Fackelträger. Er ist längst verstorben und selbst bei seiner Beerdigung verweigerte ihm sein Bischof die überlieferte Form des Ritus. An „seiner“ Kirche San Simone Piccolo am berühmten Canal Grande ist heute die Petrusbruderschaft tätig und führt das Erbe fort. Konnte es Don Cisilino kaum geduldet in einer Art Semiklandestinität tun, ist die Petrusbruderschaft heute offiziell vom Patriarchen mit der Seelsorge für die Gläubigen der Tradition beauftragt.
Ein anderes Beispiel findet sich in der wegen ihrer Disziplinlosigkeit skandalgeschüttelten Diözese Linz. Rebellierende, modernistische, im Konkubinat lebende Priester neben einem aufgeblasenen Laienapparat linkskatholisch-grüner Färbung prägen nach außen das Bild an Donau, Inn und Enns. Der Priester Josef Kronsteiner (1910–1988), 38 Jahre Domkapellmeister in Linz, verweigerte sich der Liturgiereform und hielt an der Meßfeier im „tridentinischen“ Ritus fest. Allein wegen seines Ansehens in der Diözese ließ man den mit Joseph und Georg Ratzinger befreundeten Kirchenmusiker an der Minoritenkirche gewähren. In ihm wurde ein Auslaufmodell gesehen, auf das aus persönlichen Gründen Rücksicht genommen wurde. Es sollte ganz anders kommen. Auch in Linz konnte die Fackel weitergegeben werden. Heute wirkt an „seiner“ Minoritenkirche die 1988 im Jahr von Kronsteiners Tod gegründete Petrusbruderschaft und zelebriert dort offiziell im Auftrag des Bischofs das Meßopfer in der überlieferten Form.
Zieglauers „Karriere“ von der Gregoriana in die Verbannung – „Geistliches Refugium“
In Brixen inmitten der Tiroler Berge ist es der Priester Josef von Zieglauer, der ohne Unterbrechung an der Zelebration der „Alten Messe“ festhielt. Dafür hatte er „Ärger, Isolation, öffentliche Anfeindungen, Demütigungen und Bitternisse zu ertragen“ [1]Einsicht 32/2002, Nr. 4, S. 102f. 1925 als Sohn eines Arztes in Bozen geboren (seine Vorfahren sind im geistlichen Hochstift Brixen seit dem 16. Jahrhundert als Gerichtsanwälte nachweisbar und wurden 1805 von Kaiser Franz II. als Edle von Blumenthal geadelt), studierte von Zieglauer Theologie und wurde 1952 für die Diözese Brixen zum Priester geweiht.
Zum Studium an die Gregoriana nach Rom gesandt, wo er den späteren Kirchenrebellen Hans Küng kennenlernte, ist der Tiroler Priester eigentlich für höhere Aufgaben in seiner Diözese ausersehen und befähigt. Durch die große geistige Erschütterung, die er in der Liturgiereform sieht, und sein Beharren auf dem überlieferten Ritus wird er jedoch von seinen Mitbrüdern als „rückständig“ ausgegrenzt bis hin zur Ächtung. Seine Schreiben an die Diözesanleitung blieben unbeantwortet, seine Argumente wurden mit Schweigen ignoriert. Seine „Karriere“ endete mit der Strafversetzung in kleine, hochgelegene Bergdörfer, die selbst Außenstehende als Verbannungsorte erkennen. So hatte es die Diözesanleitung auch gemeint.
Er selbst spricht von einem „geistlichen Refugium“ in dürrer Zeit. Leidenschaftlich und mit wissenschaftlicher Akribie warnte er schriftlich vor einer Psychologisierung der Religion. Nach mehreren Stationen wird er schließlich 1983 zum Pfarrer von Spinges ernannt, einem kleinen Ort auf einem Hochplateau auf 1100 Metern Meereshöhe und mit 280 Einwohnern. Von hoch droben kann er seither auf die alte Bischofsstadt hinunterblicken. Die Pfarrei übernimmt er von Pfarrer Engelbert Pedevilla, seinem Freund, der wie er in Treue dem überlieferten Ritus verbunden war. Spinges wurde durch die beiden Priester zum Inbegriff eines altrituellen Horts, wie ein Adlernest hoch in den Bergen verborgen, ein Rückzugsort aber auch Ausgangspunkt für andere, günstigere Zeiten.
Vom relikthaften Fremdkörper zum Samen für neue Früchte
Hatte ihn „sein“ Bischof Joseph Gargitter (1952–1986), der Josef von Zieglauer 1952 die Priesterweihe spendete, gewissermaßen ignorierend und verbannend geduldet, änderte sich das unter dessen Nachfolger. Bischof Wilhelm Egger (1986–2008) ließ Anfang der 90er Jahre die Entfernung aus dem priesterlichen Dienst prüfen. Von Zieglauer darf letztlich bleiben. Der Priestermangel kommt ihm zuhilfe.
Der Bischof verbietet ihm jedoch, Religionsunterricht an der Schule zu halten. Von Zieglauer erteilt ihn seither privat in seinem Pfarrhaus. 2005 wird er pensioniert, und seine Pfarre von einem progressiven Mitbruder der Nachbarschaft mitbetreut. Dieser hat für Zieglauers Positionen und den alten Ritus wenig Verständnis und noch weniger freundliche Worte übrig. Der alte Priester darf aber (auf eigene Kosten) in Spinges wohnen bleiben. Er darf nicht mehr in der Pfarrkirche, aber immerhin in einer kleinen Kapelle die Heilige Messe weiterhin in der überlieferten Form zelebrieren.
Cisilino, Kronsteiner und von Zieglauer, um bei den drei Beispielen zu bleiben, ist als Diözesanpriestern gemeinsam, daß sie in keiner direkten Beziehung zu Erzbischof Marcel Lefebvre und dessen Priesterbruderschaft St. Pius X. standen, was allen dennoch immer wieder unterstellt wurde. Jeder hat seine Entscheidung unabhängig und für sich, aber aus denselben Beweggründen getroffen.
War von Zieglauer lange ein einsamer Streiter, der vielen in der Diözese wie ein relikthafter Fremdkörper erschien, brachte sein Wirken unerwartete Frucht.
Bischof Wilhelm Eggers Ablehnung der Tradition
Bischof Wilhelm Eggers Amtszeit wurde zur Durststrecke der Tradition. Konnte dessen Vorgänger das Thema „Traditionalisten“ als etwas Sektenhaftes abtun, das „außerhalb der Kirche“ steht, änderte sich die Situation ab 1988 mit der Errichtung der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei und der Anerkennung der Tradition innerhalb der Kirche. 2004 besuchte Pater Florian Grafl von der Petrusbruderschaft für eine Woche Südtirol und zelebrierte an verschiedenen Orten, darunter auch bei Pfarrer von Zieglauer in Spinges, die „tridentinische“ Messe. Noch im selben Jahr ersuchte eine zahlenmäßig starke Una Voce-Gruppe von Gläubigen mit einer Petition Bischof Wilhelm Egger um die Gewährung einer regelmäßigen Messe im „Alten Ritus“ in Bozen. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Diözese faßte den Beschluß, daß es in der Diözese keinen regelmäßigen Meßort im alten Ritus geben dürfe, daß jeder Priester für seine Pfarrei selbst entscheiden könne, ob er einen Petrusbruder eine Messe im Alten Ritus zelebrieren läßt, und daß Studenten, die am Priesterseminar der Petrusbruderschaft in Wigratzbad ausgebildet wurden, in der Diözese Bozen-Brixen „nicht inkardiniert“ werden. [2]Folium Dioecesanum Bauzanense-Brixinense XLI/2005, Nr. 1, Protokoll der Dekanekonferenz vom 9. November 2004, S. 32–33, 66
Pater Martin Ramm von der Petrusbruderschaft zelebrierte wegen des wachsenden Interesses noch 2004 an verschiedenen Meßorten, in denen er von den dortigen Priestern Willkommen geheißen wurde. Der Antrag auf einen ständigen Meßort wurde erneut gestellt, da Papst Benedikt XVI. der Una Voce-Bozen schriftlich seine Genugtuung über das Bemühen und seinen Apostolischen Segen übermittelte. Bischof Egger lehnte dennoch, davon ungerührt, den Antrag erneut ab und weigerte sich ausdrücklich, mit den Antragstellern zusammenzutreffen, um deren Anliegen anzuhören. An einigen Orten konnten mit Hilfe der Petrusbruderschaft regelmäßige Einkehrtage organisiert werden.
2006 weihte der österreichische Distrikt der Piusbruderschaft ohne Genehmigung der Diözese in Brixen eine Kapelle. Die Bischofsstadt gehört seither zu einem ständigen Meßort der Piusbruderschaft, an dem jeden Sonntag die heilige Messe zelebriert wird.
Bischof Wilhelm Egger war es, der kurz darauf dem traditionsverbundenen Orden der Franziskaner der Immakulata die Niederlassung in der Diözese verweigerte. Der Orden hatte Interesse bekundet, das aufgelassene Franziskanerkloster von Innichen zu übernehmen.
Seit dem Inkrafttreten des Motu proprio Summorum Pontificum zelebriert der Pfarrer von Gratsch bei Meran, ein Zisterzienser der Abtei Stams, regelmäßig an einem Werktag die Heilige Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus und manchmal auch an Sonntagen.
2008 starb Bischof Egger unerwartet im Alter von erst 68 Jahren an einem Herzinfarkt. Das war in der Nacht nach dem letzten Besuch von Papst Benedikt XVI. in seinem geliebten Brixen, aus dessen unmittelbarer Umgebung seine Großmutter mütterlicherseits stammte. Die Amtszeit von Eggers Nachfolger Bischof Karl Golser (2009–2011) war nur kurz und von einer schweren, bösartigen Krankheit geprägt. In dieser Zeit wurde 2010, allerdings abseits der Diözese, Elias Stolz aus Brixen für die Piusbruderschaft zum Priester geweiht. Stolz entstammt einer Familie, die bei Pfarrer von Zieglauer die Heilige Messe besuchte.
Neuer Bischof genehmigt 2013 regelmäßige Meßorte in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus
Unter dem neuen Bischof Ivo Muser (seit 2011) wurde erstmals offiziell auch für die Diözese Bozen-Brixen die regelmäßige Zelebration der Heiligen Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus an Sonntagen gestattet. Die Meßorte befinden sich in den beiden Bischofsstädten Bozen und Brixen.
Ab 16. Juni wird die Heilige Messe in der überlieferten Form jeden 3. Sonntag im Monat um 18 Uhr in der Deutschordenskirche St. Georg in Bozen zelebriert.
Ab. 23. Juni jeden 4. Sonntag im Monat um 18 Uhr auch in der Wallfahrtskirche Maria Hilf in Zinggen (Brixen). Beide Meßorte werden von der Petrusbruderschaft betreut.
War Pfarrer von Zieglauer im entlegenen Spinges für Jahrzehnte der einzige regelmäßige Meßorte im tridentinischen Ritus, sind es nun innerhalb weniger Jahre fünf Meßorte geworden, wenn auch mit unterschiedlicher Regelmäßigkeit und kanonischem Status.
Die Meßorte in der Diözese Bozen-Brixen
Spinges (Mühlbach), Heilig-Grab-Kapelle (neben der Pfarrkirche von Spinges):
Pfarrer i.R. Josef von Zieglauer
Sonn- und Feiertag um 7.00 Uhr
Werktag um 7.00 Uhr
Brixen, Kapelle zur Heiligen Familie (Fischzuchtweg 12A)
Piusbruderschaft
Sonntag um 17.00 Uhr
Brixen, Wallfahrtskirche Maria Hilf in Zinggen (Brennerstraße 37)
Verschiedene Ordens- und Weltpriester
4. Sonntag im Monat um 18.00 Uhr
Bozen, Deutschordenskirche St. Georg (Weggensteinstraße 14)
Petrusbruderschaft
3. Sonntag im Monat um 18.00 Uhr
Gratsch (Meran), St. Magdalena-Kirche (Laurinstraße 94)
Pater Michael Glink, Zisterzienser, Pfarrer von Gratsch und St. Peter in Meran
Montag um 19.40 Uhr
gelegentlich Sonntag
[Update] Wie uns freundlicherweise mitgeteilt wurde, wird der neue Meßort in Bozen von der Petrusbruderschaft betreut, während der Meßort an der Wallfahrtskirche Maria Hilf in Zinggen (Brixen) bereits seit dem Vorjahr aktiv ist. Das heilige Meßopfer wird dort von verschiedenen Priestern zelebriert, darunter auch von Priestern der Petrusbruderschaft. Die Wahlfahrtskirche in der das Gnadenbild der Gottesmutter von der immerwährenden Hilfe verehrt wird, wurde 1650 erbaut und 1769 in der heutigen Form umgestaltet.
Die Heilige Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus findet im Juni ausnahmsweise am 30. Juni statt, ansonsten immer am 4. Sonntag des Monats.
Text: Johannes Thiel
Bilder: Wikicommons
Ein vortreffliche Aussage eines Priesters
– Hw Dr. Guido Rodheudt -
im Netzwerk Katholischer Priester
über die heilige Messe im tridentinischen Ritus:
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„Die „Alte Messe“ ist eben keine alte Messe, so etwas wie unser „Alter Kaiser Wilhelm“, der mit Pickelhaube über dem Gründerzeitsofa der Nostalgiker hängt und aus einer verschollenen Zeit auf Laptops und MP-3-Player herabschaut.
*Die „Alte Messe“ ist nötig zur Gesundung der Kirche*.
Allein, *sie braucht eine Avantgarde, die sie auf den Leuchter zurückstellt*.
Sie ist die Messe von morgen,
*weil es ohne sie kein Morgen geben wird*“ “
Gott, der Herr allein weiß, wie viele Opfer hinter dem Wirken dieser Priester standen. Ein Buch über diese Priestergestalten, die es in jedem Land gab, wäre sehr interessant. Vielleicht findet sich jemand, um dies zu schreiben und noch lebende Zeitzeugen zu befragen und evtl. vorhandene Dokumente zu sichten.
Guter und wichtiger Vorschlag!
Gott vergelte allen treuen Priestern ihren Mut und ihre Opferbereitschaft!
Ja, solchen Priestern wie dem Pfarrer von Spinges wurde und wird das Leben oft schwer gemacht. Als Pfarrer von Zieglauer in den „Ruhestand“ geschickt wurde, musste er unterschreiben, keine priesterliche „Funktion“ mehr in der Pfarrkirche zu Spinges auszuüben; dafür durfte er im Pfarrhaus wohnen bleiben. Er hat unbeirrt an der Tradition festgehalten und ist ein wirklich menschlicher Priester. Öfters, wenn ich in Spinges war, hatte ich auch die Möglichkeit mich mit dem H. H. Pfarrer von Zielgauer zu unterhalten und habe einen herzlichen und menschlichen Priester dabei kennengelernt.
Vielen Dank für diesen wichtigen historischen Rückblick und die aktuelle Information. Es ist gar keine Frage, daß die „Alte Messe“ die Messe der Zukunft ist.