(Rom) „Der Rückgang der Priesterberufungen, der auf das Zweite Vatikanische Konzil folgte, ist in keiner Weise dem Konzil zuzuschreiben noch seiner, teilweise zweifelhaften Rezeption. Es ist notwendig, zu erkennen, daß die Krise bereits vorher war, daß sie tiefere und ältere Wurzeln hatte“, und daß die Konzilsreformen, wahrscheinlich, die zerstörerischen Folgen eingedämmt haben. Dies schreibt Mauro Kardinal Piacenza, der Präfekt der Kleruskongregation in dem neuen Buch Presbyterorum ordinis. 50 Jahre danach. Es bildet den ersten Band einer neuen Buchreihe zu den Konzilsdokumenten, die im traditionsreichen katholischen Verlag Cantagalli (Italien) anläßlich der 50 Jahre seit Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils erscheint.
Der wieder genesene Kardinal greift damit jenen Widerspruch zwischen „realem“ und „virtuellem“ Konzil auf, den Papst Benedikt XVI. noch kurz vor seinem Amtsverzicht betonte. Das reale Konzil als Ausdruck der Kirche ist in den Konzilsdokumenten greifbar und nur dort, das virtuelle Konzil hingegen in einer Art Scheinwelt aus Erwartungen, Interpretationen und Projektionen eigenen Denkens der Menschen von damals und der Nachkonzilszeit. Laut Kardinal Piacenza habe diese Parallelwahrnehmung des Konzils während und nach dem Konzil die Krise des Priestertums, durch Zehntausende von Priestern, die ihr Priestertum aufgaben und durch den anhaltenden Mangel an Berufungen sichtbar gemacht, deren Ursachen jedoch schon auf die Zeit vor das Konzil zurückreichen.
In neuer Buchreihe stellen Kardinäle Konzilsdokumente vor – Auftakt Priesterdekret durch Kardinal Piacenza
Jeder Band der neuen Buchreihe widmet sich einem Dokument des Konzils und wird von einem Kardinal herausgegeben. Jener von Kardinal Piacenza (216 Seiten) enthält das Konzilsdokument zum Weihepriestertum in lateinischer und italienischer Sprache, das vom Herausgeber kommentiert und dargelegt wird. Die Buchreihe wendet sich nicht an ein Fachpublikum, sondern an eine breite Leserschaft. Der Verlag schreibt, daß man damit „auf die Lehren der Konzilsdokumente selbst schauen will, indem auf ideologische oder Sonderinterpretationen verzichtet wird“. Man hofft, so der Verlag, „den Jüngeren zu helfen“, das „große Ereignis zu entdecken, das die Geschichte der Kirche des 20. Jahrhunderts geprägt hat“ und „das Erbe ohne einseitige Vermittlung anzunehmen“. Mit Blick auf die „weniger Jungen“ hofft der Verlag, daß diese „die Freude, den Enthusiasmus und den missionarischen Eifer der Konzilsjahre neu erleben“.
Soweit der Verlag. In seinem Kommentar zum Konzilsdokument, das sich mit dem Priestertum befaßt, schreibt Kardinal Piacenza: „Wenn Soziologen und Religionshistoriker betonen, daß der Verlust an Priestern und der Rückgang an Priesterberufungen, die auf das Ökumenische Zweite Vatikanische Konzil folgten, in der Kirchengeschichte nichts Vergleichbares kenne, nicht einmal wenn man es mit der lutherischen „Reformation“ vergleicht, dann ist dies in keiner Weise dem Konzil zuzuschreiben, noch seiner teilweise zweideutigen Rezeption.“ Die Wurzeln der Berufungskrise und damit der Krise des Priestertums seien älter. „Die Reformen des Konzils und auch Presbyterorum ordinis haben die zerstörerischen Auswirkungen eingedämmt“, so der Kardinal.
Konzilsdekret „in völliger Übereinstimmung mit der gesamten kirchlichen Tradition“
Der Präfekt der Kleruskongregation merkt dann an, daß bei einer Analyse des Konzilsdekrets klar wird, „daß die dort präsentierte Lehre sowohl vom sakramentalen als auch vom pastoralen Gesichtspunkt in völliger Übereinstimmung mit der gesamten kirchlichen Tradition und mit den dogmatisch bedeutendsten Konzilen, darunter jenem von Trient, stehen und ein Profil der priesterlichen Identität bietet, das vollkommen im Weihesakrament verwurzelt ist und vollständig von diesem abhängt, auch was den Auftrag betrifft.“
Piacenza schreibt in seiner Analyse, daß „vor allem in den ersten Jahrzehnten unmittelbar nach der Veröffentlichung von Presbyterorum ordinis, neue Formen der Ausübung des priesterlichen Amtes gesucht wurden, die mehr den Bedürfnissen der zeitgenössischen Kultur entsprechen würden und vom missionarischen Gesichtspunkt aus effizienter seien. Diese Suche hatte jedoch nicht wenig Einseitigkeiten zur Folge, die Köpfe und Herzen jener vereinnahmten, die es zuließen, daß weltliche Maßstäbe in den Glaubenshorizont eindringen, und sich dadurch statt mit einer neuevangelisierten Welt mit einem völlig verweltlichten Glauben wiederfanden, oft sogar ganzer Gemeinschaften.“
Bei jeder Reform „muß als Maßstab ein Kriterium über allen anderen stehen: das Heil der Seelen“
Der Kardinal bekräftigt, daß „jede authentische Erneuerung in der Kirche nicht ohne den fundamentalen Beitrag der Priester möglich ist. So wahr es ist, daß der Heilige Geist frei ist, in jeder Epoche das Antlitz der Braut Christi neu zu gestalten, vor allem indem er Heilige, Frauen und Männer erweckt, die völlig von Christus erfüllt und daher imstande sind durch ihr eigenes Leben zu evangelisieren und die Kirche und die Welt zu erneuern, so gilt nicht minder, daß die Priester in ihrer täglichen und konkreten Ausübung ihres Hirtenamtes für das heilige Volk Gottes deklinieren, was die Weltkirche und in ihr die höchste Autorität als Weg der notwendigen Erneuerung aufzeigt.“ In dieser nicht leichten Aufgabe, so Kardinal Piacenza, „muß als Maßstab ein Kriterium immer über allen anderen stehen: das Heil der Seelen. Bei jedweder Reform und ihrer Umsetzung muß immer und eindeutig eine entscheidende Frage bestimmend sein: Hilft es dem Glauben? Fördert es eine größere Anhänglichkeit an Christus?“
Und Kardinal Piacenza weiter: „Wenn dieses einfache und unmittelbare Kriterium immer angewandt worden wäre, gäbe es weder gefährliche unbegründete Verdrehungen der Glaubenslehre noch nostalgische Verhärtungen von zweifelhaftem missionarischen Nutzen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Opus Dei