(Washington) Am 7. Januar gab der Oberste Gerichtshof der USA grünes Licht für die öffentliche Finanzierung der embryonalen Stammzellforschung. Es handelt sich um die ersten Zellbildungen des Embryos in seiner Frühphase. Diese Stammzellen sind noch nicht „spezialisiert“ und haben daher ein enormes Potential in sich, da sie die Informationen für den gesamten Menschen in sich bergen und aus denen sich alle Körperteile und Organe entwickeln. Die embryonale Stammzellforschung besteht darin, diese wenigen vorhandenen Zellen für Forschungszwecke zu nützen, was in den allermeisten Fällen den Tod des Embryos zur Folge hat und billigend in Kauf genommen wird. Dies geschieht hingegen nicht bei den anderen Formen der Stammzellforschung, die nicht so früh ansetzen.
Staat darf embryonale Stammzellforschung finanzieren
Die neun Höchstrichter der USA haben nun auch die Stammzellforschung freigegeben, obwohl sie um deren „verbrauchende“, sprich tötende Wirkung wissen. Die Angelegenheit geht auf das Jahr 2006 zurück, als der damals amtierende Präsident Geroge W. Bush ein Gesetz blockierte, das öffentliche Gelder für die embryonale Stammzellforschung zur Verfügung vorsah. Barack Obama, 2009 kaum ins Weiße Haus eingezogen, setzte das Gesetz hingegen in Kraft.
2010 entschied das Gericht von Washington D.C., daß das Gesetz rechtswidrig ist. Bundesrichter Royce Lamberth begründete seine Entscheidung mit der damit verbundenen Zerstörung von menschlichen Embryonen.
Obama setzte 2009 Gesetz in Kraft, das Bush blockiert hatte
2011 wurde das Urteil jedoch durch die Berufungsinstanz aufgehoben. So gelangte das Gesetz schließlich vor das Höchstgericht. Zwei Wissenschaftler hatten den Obersten Gerichtshof angerufen. Sie machten darauf aufmerksam, daß das Gesetz im Widerspruch zum Dickey-Wicker-Amendment von 1996 steht, das es ausdrücklich untersagt, öffentliche Gelder für Forschungszwecke dieser Art einzusetzen.
Der Gerichtshof entschied nun, daß der Einspruch der beiden Wissenschaftler nicht zulässig ist. Zur Begründung dieser Entscheidung mußten die Richter allerdings rechtliche Verrenkungen der besonderen Art vornehmen. Die Richter erklärten, daß die Gelder nur zur Finanzierung der Forschungen für die Entwicklung der Vorbereitungsstufe dienen würden, nicht aber zur embryonalen Stammzellforschung selbst.
Höchstrichterliche Rabulistik
Die Entscheidung des Höchstgerichts hinkt sachlich und das gewaltig. In der Vorbereitungsstufe zur eigentlichen embryonalen Stammzellforschung werden die für die Forschung notwendigen Stammzellen aus den Embyronen gewonnen. In dieser Frühphase besteht der Embryo lediglich aus acht Zellen. Die Entnahme auch nur eines Teils, verursacht den Tod des Menschen, der sich äußerlich in seiner frühesten Phase zeigt, aber bereits alles an Informationen birgt, wie wir ihm später begegnen würden, sein Aussehen, seine Augenfarbe, sein Geschlecht, seine Haarfarbe, seine Stimme, seine Intelligenz und seine Seele. Es ist also diese Vorbereitungs- oder Gewinnungsstufe, die den Tod des Embyros herbeiführt.
Übrigens, an welchen Embyronen sollte die Stammzellforschung erfolgen? An erster Stelle jenen, die in Flüssigstickstoff bei Minus 196 Grad konserviert werden, weil ihre Eltern durch künstliche Befruchtung ein Kind bekamen, sich aber nicht um die „überschüssigen“ Embryonen kümmern, die durch „Überproduktion“ als „Vorrat“ entstanden sind, falls die Befruchtungsversuche der Frau gescheitert wären.
Künstliche Befruchtung führt zu „Überproduktion“ und Einfrierung von Embryos
An dieser Stelle wird häufig eingewandt, daß es sich „nur“ um diese „herrenlosen“ Embryonen in den Kühlzellen der Fachpraxen für künstliche Befruchtung handle, mit denen man ohnehin nicht wisse, was anfangen. Tatsächlich ist die Tatsache schwerwiegend, daß sich die Wissenschaft soweit vorangetrieben hat, Menschen, und sei es in diesem frühesten Lebensstadium, in der Tiefkühltruhe zu halten. Die entscheidende Frage ist jedoch nicht deren Aufbewahrungsort: Entweder ist der Embryo „jemand“ oder „etwas“. Ist er nur ein „Etwas“, so der nächste Argumentationsschritt, dann wäre auch nichts dabei, gezielt Embryonen für Forschungszwecke zu „produzieren“. Handelt es sich auch dort im Flüssigstickstoff um einen Menschen, dann kann diese Person nie das Objekt willkürlicher Forschung sein.
Erfolgreiche adulte Stammzellforschung hat embryonale längst überrundet
Wegen der verbrauchenden Wirkung der embryonalen Stammzellforschung wurde in den vergangenen 15 Jahren intensiv und mit großem Erfolg die adulte Stammzellforschung vorangetrieben. Sie erfolgt ohne jedes Risiko für den Spender. Die Zellen stehen in weit größerem Ausmaß zur Verfügung. Sie sind zwar bis zu einem bestimmten Grad spezialisiert, doch das ihnen innewohnende Potenzial ist für die Forschung umfassend nutzbar und vielversprechend. Vor allem ist diese Forschungsmethode ethisch unbedenklich.
Die Wissenschaft konnte mit den adulten Stammzellen bessere Ergebnisse erzielen als mit den embryonalen Stammzellen. Die adulten Stammzellen verursachen nicht die Abstoßung durch den Patienten und provozieren keine Krebserkrankungen, wie sie hingegen bei embryonalen Stammzellen erfolgen.
Nobelpreisträger Yamanaka machte verbrauchende Stammzellgewinnung überflüssig
Letztlich völlig überflüssig ist die Stammzellgewinnung aus Embryonen seit es Shinya Yamanaka, dem Nobelpreisträger für Medizin 2012, gelungen ist, eine adulte Stammzelle in eine embryonale umzuwandeln. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Er „produzierte“ nicht aus einer adulten Stammzelle einen Embryo. Ihm gelang es, eine „adulte“ Stammzelle sich wie eine embryonale Stammzelle verhalten zu lassen. Er drehte gewissermaßen die biologische Uhr zurück.
So drängt sich die Frage auf, warum weiterhin auf der embryonalen Stammzellforschung beharrt wird. In erster Linie offensichtlich aus ideologischen Gründen. Auf die embryonale Stammzellforschung zu verzichten, hieße indirekt anzuerkennen, daß es sich beim Embryo um einen Menschen handelt.
Ein Teil der Wissenschaft ist vom positivistischen Fortschrittsvirus angekränkelt: Die Forschung muß kategorisch frei von jeder Einschränkung ethischer Art sein, sie muß schrankenlos sein. Hinzu kommt ein utilitaristischer Zug: Was nützlich und machbar ist, muß immer erlaubt sein und ist zu tun.
Ideologische und wirtschaftliche Gründe lassen an embryonaler Stammzellforschung festhalten
Nicht zu unterschätzen sind schließlich persönliche Motive. Wissenschaftler, die Jahre oder Jahrzehnte ihrer Forschung der embryonalen Stammzellforschung gewidmet und vielleicht ihre ganze Karriere darauf aufgebaut haben, tun sich schwer mit einer Umstellung, mit der Suche eines neuen Forschungsfeldes, verbunden mit dem Risiko, Ansehen und Prestige einzubüßen. Aus einem Anwalt für Strafrecht wird nicht über Nacht ein Anwalt für Zivilrecht.
Und schließlich gibt es nicht zuletzt wirtschaftliche Interessen. Vor einiger Zeit, als man noch nicht wußte, welcher Weg der zielführendere ist, ob die embryonale oder die adulte Stammzellforschung, hatten sich die großen Pharmakonzerne für die embryonale Stammzellforschung entschieden und enorme Summen investiert. Obwohl sie inzwischen wissen, daß es sich wissenschaftlich nicht um den ersten Weg handelt und große ethische Hindernisse bestehen, wollen sie ihren finanziellen Einsatz zurückholen und drängen ihre Forscher, vorwärtszumachen, ebenso wie sie die Politik drängen, keine Schranken aufzurichten. Zumindest das ausgegebene Geld sollte ohne Verluste, möglichst jedoch mit Gewinnen zurückfließen.
Text: Nuova Bussola Quotidiana/Giuseppe Nardi
Bild: Fotomontage katholisches.info: LifeSiteNews/Divine Life