(Kairo) Unerwartet schnell hat die koptisch-orthodoxe Kirche Ägyptens die langwierigen Vorbereitungen für die Wahl des nächsten Patriarchen von Alexandria und aller orthodoxen Kopten abgeschlossen. Am 4. November wird der Nachfolger des am 17. März verstorbenen Patriarchen Shenouda III. gewählt werden. Am 4. Oktober hatte die letzte Sichtung der Kandidaten begonnen. Gestern wurden die fünf Bewerber um den Patriarchenstuhl festgelegt.
Politische Instabilität führt zu schneller Wahl des neuen Kirchenoberhauptes
Die ungewöhnliche Eile, die von den Vorbereitungsgremien an den Tag gelegt wurde, hängt mit der für die Christen Ägyptens höchst gespannten Lage zusammen. Die koptisch-orthodoxe Kirche soll, so der Wunsch, so schnell wie möglich wieder ein Oberhaupt erhalten. Die politische Ungewißheit, der die christlichen Gemeinschaften am Nil entgegensehen, wurde durch die Sedisvakanz des Patriarchenstuhls verstärkt.
Am 28. Oktober werden 2405 bereits bestimmte Vertreter der koptisch-orthodoxen Kirche aus dem Fünfer-Vorschlag drei Namen wählen. Jene drei Bewerber, die die meisten Stimmen erhalten, kommen als Dreiervorschlag in die Schlußwahl. Der Schlußakt der Wahlzeremonie wird dann am 2. Dezember in der Markuskathedrale von Alexandria erfolgen. Ein neunjähriger Junge wird durch Los einen der drei verbliebenen Namen ziehen, der neues Oberhaupt der orthodoxen Kopten sein wird.
Wahl des Patriarchen erfolgt durch 9jährigen Jungen
Der Wahlmodus folgt der Überlieferung, laut der die elf Apostel, den Nachfolger des Verräters Judas Iskariot bestimmten. Die gläubigen Kopten versammeln sich mit ihren Söhnen in der Markuskathedrale von Abbasiya in Alexandria. Der Älteste unter den Bischöfen steht dem Schlußakt des Wahlvorgangs vor. Er fordert einen in der Kirche anwesenden Jungen auf, an den Altar heranzutreten. Der Junge, der nicht älter als neun Jahre sein darf, wird zufällig bestimmt. Nachdem ihm die Augen verbunden wurden, hat er aus einer auf dem Altar stehenden Urne einen von vier Zetteln zu ziehen. Auf drei Zetteln steht jeweils der Name eines der drei verbliebenen Bewerber. Der vierte Zettel ist weiß. Der Name des Bewerbers, der auf dem gezogenen Zettel steht, ist der nächste Patriarch. Alle Anwesenden sind Zeugen der Wahl. Sollte der Junge den weißen Zettel ziehen, muß der gesamte Wahlvorgang von vorne neu beginnen.
Die Termine für die beiden letzten Wahlakte wurden gestern von Bischof Amba Pakhomios, dem Vorsitzender Wahlkommission bekanntgegeben, der interimistisch auch die Aufgaben des Patriarchen wahrnimmt. Unter sieben Bischöfen und zehn Mönchen, die in der engeren Auswahl waren, wurden von der Kommission im Kloster Amba Bishoi in Wadi Natroun, fünf Bewerber ausgewählt. Die Kommission tagte in der ehemaligen Wüstenresidenz von Patriarch Shenouda III. zwischen Kairo und Alexandria.
Zwei Bischöfe und drei Mönche stehen noch zur Wahl
Dem Fünfervorschlag gehören zwei Bischöfe und drei Mönche an. Es sind: Amba Raphael (52), Bischof der Pfarreien im Zentrum von Kairo; Amba Tawadraus (60), Bischof von Behaira im Nordwesten des Nildeltas; Higoumen Rouphail Afa Mina (70), Mönch des Kloster Mina Mari und Schüler von Patriarch Kyrillos VI.; Serafini al-Souryani (53), Mönch des syrischen Klosters Dayr al-Souryan, aus dem auch Patriarch Shenouda III. stammte. Aus demselben Kloster stammt mit 49 Jahren auch der jüngste unter den Bewerbern, der Mönch Pakhomios.
Der Fünfervorschlag erregte einiges Aufsehen, da bekannte Namen unter den Bewerbern unberücksichtigt blieben, darunter Amba Bishoi (70), der Sekretär des Heiligen Synod und Bischof von Damietta und Kafr al-Shaykh, der lange als möglicher Nachfolger Shenoudas III. galt; ebenso Bischof Amba Yohannes (52), der langjährige Sekretär des verstorbenen Patriarchen, der von allen Bischöfen Oberägyptens, Lateinamerikas und Europas unterstützt wurde; oder Erzbischof Amba Boutros (63), seinerzeit der erste Sekretär von Shenouda III. und Direktor des koptischen Fernsehsenders Aghapi.
Gemäß Tradition hat die Wahlkommission die Fähigkeiten und Beschränkungen eines Bewerbers zu prüfen. Zu den Gesichtspunkten gehören das Alter, die Gesundheit, die veröffentlichten Schriften, Ansehen und Leumund allgemein, die Volkstümlichkeit unter den Gläubigen und das Ansehen bei anderen Bischöfen und Prälaten, ebenso die Ergebnisse und Erfolge seiner bisherigen Arbeit für die Kirche.
Dreitägiges Fasten und Beten von Orthodoxen, Katholiken und Protestanten für gute Wahl
In den nächsten Wochen betet die gesamte koptisch-orthodoxe Kirche, daß der Heilige Geist die 2405 Wähler erleuchtet, die den Dreiervorschlag zu bestimmen haben. Die Wahl des neuen orthodoxen Patriarchen interessiert alle Christen Ägyptens. Die koptisch-orthodoxe Kirche ist die weitaus größte christliche Gemeinschaft am Nil. Ihr innerer Zustand und ihr Verhältnis zum Staat und zur moslemischen Bevölkerungsmehrheit haben auch größten Einfluß auf die anderen Christen des Landes. Anfang Oktober baten daher orthodoxe, katholische und protestantische Christen gemeinsam mit einem dreitägigen Fasten und Beten Gott um einen geeigneten und würdigen neuen Patriarchen für die koptisch-orthodoxe Kirche.
Der am 2. Dezember durch Los bestimmte Patriarch wird der 188. Nachfolger des Evangelisten Markus auf dem Bischofsstuhl von Alexandria und Oberhaupt aller orthodoxen Kopten sein. Der Evangelist hatte im ersten Jahrhundert nach Christus den christlichen Samen in den fruchtbaren Boden des Nildeltas gesät. In Ägypten entstand das Mönchstum und wurden die Berufungen der ersten Kirchenväter geweckt.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews