(Vatikan) Ein ungenannt bleibender Bischof wandte sich erstmals 2009 für Klärungen an die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei. Nach der Veröffentlichung der Instruktion Universae Ecclesiae vom 30. April 2011 sandte er erneut ein Schreiben, diesmal mit zwei Dubia zur richtigen Interpretation der Instruktion. Die Antwort der Kommission „ist konziliant gegenüber den traditionalistischen Gruppen der harten Richtung wie die Priesterbruderschaft St. Pius X. ausgefallen“, wie Messa in Latino kommentierte. Rom erwartet von den Gläubigen der klassischen Form des Römischen Ritus lediglich anzuerkennen, daß die „ordentliche Form“ des Römischen Ritus gemäß geltendem Kirchenrecht „rechtmäßig“ ist. Es verlangt keine Anerkennung gemäß göttlichem Recht. Das entspricht der Natur des Motu proprio Summorum Pontificum als kirchenrechtlichem Dokument. Rom verlangt von den Katholiken, die Zugang zur heiligen Liturgie im Alten Ritus wünschen, nicht, daß sie Neuerungen des Novus Ordo, die von der Tradition der Kirche abweichen, wie weibliche Ministranten und die Handkommunion, als in den Augen Gottes für akzeptabel halten.
Den Brief des Bischofs verfaßte ein emeritierter Theologieprofessor, der den Brief und die Antwort der katholischen Wochenzeitung The Wanderer zur Verfügung stellte.
Die Dubia beziehen sich auf den Artikel 19 der Instruktion Universae Ecclesiae: „Die Gläubigen, die Gottesdienste in der forma extraordinaria erbitten, dürfen nicht Gruppen unterstützen oder angehören, welche die Gültigkeit oder Erlaubtheit der heiligen Messe oder der Sakramente in der forma ordinaria bestreiten und/oder den Papst als Obersten Hirten der Gesamtkirche ablehnen [validitatem vel impugnent legitimitatem].“
Der Bischof richtete seine Anfrage an Rom, weil die Priester, die traditionsverbundene Katholiken seelsorglich betreuen, nicht immer wissen könnten, ob alle diese Personen den im Artikel 19 genannten Voraussetzungen entsprechen.
„1. Ist der Begriff legitimitas, wie er in Artikel 19 von UE verwandt wird, zu verstehen
a) als in ordentlichem Verfahren entsprechend dem Kirchenrecht (ius ecclesiasticum) zustande gekommen oder
b) in Übereinstimmung mit kirchlichem und göttlichem Recht (ius divinum), so daß darin nichts lehrmäßig Falsches oder anderswie nicht Gottgefälliges zu sehen ist.“
2. Wenn (b) im Bezug auf die Bedeutung von legitimitas die mens der Kommission darstellen sollte, ist dann die Gewährung des Zugangs zur Messe in der außerordentlichen Form so zu verstehen, daß sie:
A) nur für jene Katholiken gilt, die die legitimitas jedweden spezifischen Textes oder der Praxis jedweder Art nicht in Frage stellen, die ordnungsgemäß durch eine universale oder ortskirchliche Rechtsnorm über die Zelebration in der ordentlichen Form beschlossen wurde; oder
B) den unter (A) genannten Gläubigen und auch jenen, die grundsätzlich die Legitimität der nach dem reformierten Missale Romanum und dessen Generalinstruktion zelebrierten Messen anerkennen, aber nicht die Legitimität gewisser Praktiken, die, obwohl darin nicht vorgesehen, durch universelle oder lokale Bestimmungen als Optionen zugelassen sind.
Das zweite dubium bezieht sich auf jene zahlreichen traditionsverbundenen Katholiken, die die Legitimität der ordentlichen Form der Messe (im Sinne von B) in der am stärksten der Tradition entsprechenden Option anerkennen, die aber bestimmte Praktiken für falsch und nicht gottgefällig betrachten, die durch viele Jahrhunderte von der Weltkirche abgelehnt und verboten wurden, die aber jetzt durch lokale liturgische Bestimmungen vieler oder eines Großteils der Diözesen und Bischofskonferenzen zugelassen sind (zum Beispiel: Handkommunion, weiblicher Dienst am Altar, Kommunionspendung durch Laien).“
Die Antwort der Päpstlichen Kommsission Ecclesia Dei erfolgte gewissermaßen nach über dreijähriger Bedenkzeit und wurde am 23. Mai 2012 unter der Protokollnummer 156/2009 erteilt (nachfolgend ein Auszug):
Città del Vaticano, 23 Maggio 2012
Exzellenz,
[…]
Das erste [dubium] fragt, ob der Ausdruck legitimas in UE, Artikel 19 ist dahingehend zu verstehen, daß:
(A) vorschriftsgemäß erlassen durch angemessene Prozeduren des Kirchenrechts (ius ecclesiasticum), oder
(B) in Übereinstimmung sowohl mit dem kirchlichen als auch mit dem göttlichen Recht (divinum ius), das heißt weder doktrinell nicht orthodox noch nicht gottgefällig.
Diese päpstliche Kommission möchte sich auf die Aussage beschränken, daß „legitim“ hier im Sinne von 1 (a) zu verstehen ist. Das zweite [dubium ] ist durch die Antwort geklärt. [ius ecclesiasticum und nicht auch divinum ius].
[…]
Mons. Guido Pozzo
Sekretär
Die Internetseite Summorum Pontificum schreibt dazu: „Die Implikationen dieser Antwort sind zweifellos erst nach ausführlichen rechtlichen Erwägungen vollständig zu bestimmen. Allerdings erscheint jetzt schon sicher, daß eine grundsätzliche Kritik an der Zulässigkeit und Gottgefälligkeit einzelner Bestimmungen der Liturgiereform, wie sie z.B. in der Ablehnung weiblicher Altardiener oder der Handkommunion zum Ausdruck kommen kann, in Zukunft von progressistischer Seite nicht mehr angeführt werden kann, um Befürwortern der überlieferten Liturgie zu unterstellen, sie bestritten die „Legitimität“ der Liturgiereform und erfüllten deshalb nicht die in Summorum Pontificum und UniversঠEcclesiঠaufgestellten Bedingungen für die Feier der hl. Messe in Einheit mit Papst und Kirche.
Oder weniger juristisch gewunden ausgedrückt: Die Liturgiereform ist zwar rechtlich korrekt zustandegekommen und daher gültig – aber das bedeutet noch nicht, daß sie in allen Einzelheiten und Ausdrucksformen voll der unwandelbaren Lehre der Kirche und dem Willen Gottes entspricht.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino