(Vatikan) Wie geht es weiter in den Versöhnungsgesprächen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft St. Pius X.? Der Ball liegt nun wieder bei der Bruderschaft. Papst Benedikt XVI. ließ deren Generaloberen Msgr. Bernard Fellay am 13. Juni durch William Kardinal Levada in Rom eine Neufassung der „Doktrinellen Präambel“ übergeben, die zum Teil die Anmerkungen und Ergänzungen der Bruderschaft zur ursprünglichen Fassung vom September 2011 enthielt. Kardinal Levada teilte dem Generaloberen und dessen Erstem Assistenten, Pater Niklaus Pfluger den Standpunkt des Papstes dazu mit. Gleichzeitig, ein positives Zeichen, wurde der Bruderschaft erstmals offiziell die kanonische Errichtung als Personalprälatur angeboten.
Noch weitere Verhandlungen? – Zeitfenster nützen
In der Stellungnahme der Piusbruderschaft zur zweistündigen Begegnung mit Kardinal Levada fallen zwei Aspekte auf. Einmal, daß die Bruderschaft die von Kardinal Levada vorgebrachten Erklärungen als „Einschätzung seines Dikasteriums“ bezeichnet. Zum anderen, daß von den „Schwierigkeiten in Glaubensfragen […] welche das II. Vatikanum und der Novus Ordo Missae verursachen“ die Rede ist, mit der Konsequenz, daß der „Wille nach weitergehenden Klärungen […] in eine neue Reihe von Gesprächen münden“ könnte. „Man sollte die Gelegenheit eines offenen Zeitfensters nicht ungenützt lassen“, kommentierte ein Mitglied der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei vor wenigen Wochen die derzeitige Situation.
Die Formulierung deutet an, daß die von der Glaubenskongregation in ihrer ordentlichen Vollversammlung im Mai diskutierten und dann von Papst Benedikt XVI. überprüften Neufassung der „Doktrinellen Präambel“ wohl eine erhebliche Verbesserung darstellt, aber noch nicht seine vollständige Zustimmung findet.
Tatsächlich präzisierte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi am 14. Juni gegenüber Journalisten, daß die Neufassung der „Präambel“ nicht eins zu eins dem am 15. April von Msgr. Fellay übergebenen Vorschlag entspricht, sondern das Ergebnis seiner Überprüfung durch die Glaubenskongregation und des Papstes ist. Wörtlich sagte Pater Lombardi, daß es sich zwar weitgehend, aber „nicht exakt“ um den Text der Bruderschaft handelt.
Will Piusbruderschaft Benedikt XVI. als Träumer unerfüllbarer Träume bloßstellen?
Die spanische Tageszeitung La Gaceta schreibt, daß Msgr. Fellay am 13. Juni nach Rom gefahren sei, um die „Doktrinelle Präambel“ zu unterzeichnen. Zu unterzeichnen, was bereits einvernehmlich vereinbart worden war. Warum dann der Rückzieher? Bezieht er sich auf die Frage der kanonischen Errichtung oder hat er tiefergehende Ursachen? Will die Piusbruderschaft Papst Benedikt XVI. und sein Pontifikat letztlich doch bloßstellen als das eines unverbesserlichen Träumers der unerfüllbarer Träume? So fragt sich La Gaceta. Wenn nicht, und es gibt gute Gründe anzunehmen, daß dem nicht so ist, zumindest nicht so sein sollte, dann wird es an der Zeit, zu einem Abschluß zu kommen und aus der „Splendid Isolation“ herauszutreten. Daß sowohl die Bruderschaft als auch die katholische Kirche Gewinner einer Versöhnung sein würden, davon sind viele gewichtige Beobachter überzeugt.
Wird Generalkapitel im Juli entscheiden?
Innerhalb der Bruderschaft hieß es in den vergangenen Monaten mehrfach, daß Msgr. Fellay und seine beiden Assistenten ein Verhandlungsmandat, aber kein Entscheidungsmandat hätten. In der ersten Juli-Woche findet ein Generalkapitel der Piusbruderschaft statt, das den Weg freimachen könnte für die Unterschrift und das die Versöhnung besiegelnde Dokument.
Papst Benedikt XVI. hatte bereits 1988 als Präfekt der Glaubenskongregation direkt die Gespräche zwischen dem Gründer der Bruderschaft, Msgr. Marcel Lefebvre und dem Heiligen Stuhl miterlebt. Die Einigung schien bereits besiegelt, da zog der Erzbischof seine Zustimmung im letzten Augenblick zurück. Damals ging es in erster Linie darum, die Nachfolge des Erzbischofs sicherzustellen, was Rom akzeptiert hatte. Msgr. Lefebvre mißtraute Rom aber letztlich und weihte unerlaubt die vier Bischöfe der Bruderschaft, was zum Bruch mit dem Heiligen Stuhl führte.
Innerkirchliche Situation von 2012 nicht mit jener 1988 vergleichbar
Das innerkirchliche Klima von 1988 und 2012 sind kaum miteinander vergleichbar. Allein schon deshalb hoffen viele, und fürchten es dennoch, daß die Versöhnungsgespräche nicht im letzten Moment erneut platzen könnten wie damals. Papst Benedikt XVI. ist der Piusbruderschaft auf eine Weise entgegengekommen, wie es vor wenigen Jahren innerkirchlich noch für völlig undenkbar gehalten wurde. Er tut dies, wie mehrfach betont, nicht nur mit Blick und dem Wunsch auf eine Versöhnung und eine Überwindung des 1988 entstandenen Bruchs. Er tut dies aus der festen Überzeugung, daß die Kirche für die Aufgaben, Herausforderungen und unruhigen Zeiten, die ihr in den westliche Staaten bevorstehen, umgebaut und vorbereitet werden muß. Der Papst sieht in der Piusbruderschaft einen Baustein dieses Umbaus.
Wollen deutsche Bischöfe nach Versöhnung Tabula rasa gegen Piusbruderschaft machen?
In den vergangenen Tagen kursierte im deutschen Sprachraum eine Meldung, verbreitet durch die Internetseite Summorum Pontificum, wonach die deutschen Bischöfe entscheiden wollten, für den Fall einer kanonischen Anerkennung der Piusbruderschaft, diese umgehend aus den deutschen Diözesen hinauszuwerfen. Es scheint noch nicht klar, zu welchem Zweck diese Schreckensmeldung verbreitet wurde, die offensichtlich Panik erzeugen sollte. Sie verdeutlicht jedenfalls, unabhängig davon, ob sie echt ist oder nicht, daß der Heilige Stuhl eine solche Möglichkeit bei der kanonischen Errichtung berücksichtigen wird müssen.
Gut platzierte Hiobsbotschaft? – Personalprälatur mit der Jurisdiktion von Personalordinariaten
Msgr. Fellay deponierte bereits den Wunsch der Bruderschaft, als Personalprälatur, aber nicht nach dem Vorbild des Opus Dei errichtet zu werden. Damit könnten die jeweiligen Diözesanbischöfe darüber entscheiden, ob sich die Bruderschaft in ihrer Diözese niederlassen könnte oder nicht. Oder diese auch aus ihrer Diözese ausweisen. Die Hiobsbotschaft aus Deutschland kam gewissermaßen zum richtigen Zeitpunkt. Sie wirkt wohl plaziert. Kein deutscher Diözesanbischof kann annehmen, daß Papst Benedikt XVI. geduldig jahrelange Versöhnungsgespräche führt, damit die deutschen Bischöfe dann Tabula rasa machen können und damit die Versöhnung im deutschen Sprachraum für die Bruderschaft zur Katastrophe werden würde.
Msgr. Fellay würde die hierarchische Gliederung einer Personalprälatur vorziehen, die mit der Jurisdiktion von Personalordinariaten ausgestattet wäre. Damit wäre die Bruderschaft nicht dem Wohlwollen der Diözesanbischöfe ausgeliefert. Die Formel wird in der lateinischen Kirche bereits bei den in die Einheit mit Rom zurückgekehrten Anglikanern angewandt und ist für mit Rom unierte Ostkirchen erprobt. Die unter der Leitung eines Generaloberen (dann den Titel eines Prälaten) von Rom errichteten Territorialordinariate würden von Bischöfen der Bruderschaft geleitet, denen auch Weihbischöfe zur Seite treten könnten, womit auch die Nachfolgefrage und die Weihe weiterer Bischöfe geregelt wäre, die innerhalb der Piusbruderschaft als wichtiges Thema empfunden wird.
Antisemitismusvorwurf als innerkirchliches Distanzierungsinstrument?
Ziemlich rätselhaft bleibt eine in deutschen Kirchenkreisen kursierende, gegen die Piusbruderschaft in Stellung gebrachte Behauptung des Antisemitismus. Eine Behauptung, die durch die eindeutige Distanzierung von der für Aufsehen sorgenden Äußerung von Bischof Williamson zum Holocaust und in jüngster Zeit durch einen mehrteiligen Artikel im Mitteilungsblatt der Bruderschaft zum Thema „Die Bekehrung des jüdischen Volkes“ eindrucksvoll widerlegt wird.
Auch Umsetzung von Summorum Pontificum ein Gradmesser für Papsttreue
Wiederholt wurde der Vorwurf dennoch am vergangenen Samstag vom Programmdirektor des angesehenen katholischen Hörfunksenders Radio Horeb. [Update 27. Juli 2012: Nach einer O‑Ton Überprüfung, wofür wir Radio Horeb danken, steht fest, daß der Antisemitismusvorwurf durch die Hörerin in der Sendung geäußert wurde und nicht durch den Programmdirektor, der diesbezüglich vielmehr zur „Vorsicht“ mahnte. Wir entschuldigen uns beim Programmdirektor von Radio Horeb für die falsche Wiedergabe der Stelle.] Der dem Papst besonders verpflichtete Sender, scheint seine Schwierigkeiten damit zu haben, Benedikt XVI. sowohl bei der Versöhnung mit der Piusbruderschaft zu folgen als auch bei der Anerkennung des Alten Ritus. Während andere katholische Rundfunksender des deutschen Sprachraums bereits vereinzelt oder regelmäßig die Heilige Messe auch in der Außerordentlichen Form des Römischen Ritus übertragen, hat Radio Horeb diesen Schritt noch nicht gewagt. Dabei gehört der Sender zur Weltfamilie von Radio Maria, wo man auch in punkto Tridentinischer Messe dem Papst folgt. Radio Maria Italien überträgt seit einiger Zeit regelmäßig die Heilige Messe auch im Alten Ritus und strahlte erklärende Sendungen zur Einführung in die klassische Form des Römischen Ritus aus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: The Catholic Reporter