(Vatikan) Religionslehrer sein ist kein Menschenrecht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte klar, daß die katholische Kirche das alleinige Recht besitzt, zu bestimmen, wer für sie Religionsunterricht erteilen darf und wer nicht. Der Gerichtshof verwarf damit eine Klage eines ehemaligen Religionslehrers, der gegen seine Entlassung vor Gericht gezogen war. Ein richtungsweisendes Urteil für Europa.
Der laisierte spanische Priester José Antonio Fernández Martànez, inzwischen verheirateter Familienvater von fünf Kindern, war 1997 als Religionslehrer entlassen worden. Grund dafür war eine Veröffentlichung von ihm in einer Publikation des Movimiento Pro Celibato Opcional, einer kirchenkritischen Bewegung gegen den „Zwangszölibat“. Der damals zuständige Diözesanbischof von Cartagena, Msgr. Javier Azagra Labiano im spanischen Murcia entzog Martànez darauf die Lehrerlaubnis als Religionslehrer, was seine Entlassung zur Folge hatte.
Entlassener kirchenkritischer Religionslehrer wollte Lehrerlaubnis ertrotzen
Darüber entstand ein Rechtsstreit, der bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geführt wurde. Martànez und ihm nahestehende kirchenkritische Kreise behaupteten eine „unmenschliche Härte“ der Kirche gegen einen fast 60jährigen Familienvater, der durch die Entlassung seine Existenz und damit die Versorgung seiner Familie verloren habe. Er behauptete, daß durch die Entlassung sein Recht auf Meinungs- und Redefreiheit und ebenso seine Rechte auf Wahrung seiner Privat- und Familiensphäre verletzt worden seien. Diese Rechte würden mehr wiegen als das Recht der katholischen Kirche als Arbeitgeber einen Vertrag nicht erneuern zu müssen. Mit einem jahrelangen gerichtlichen Feldzug sollte die Lehrerlaubnis von der Kirche ertrotzt werden.
Religionslehrer verpflichten sich freiwillig Glaubenslehre und kirchliche Ordnung anzuerkennen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah das anders. Mit sechs Stimmen gegen eine gab er der katholischen Kirchen Recht, daß es ihr zustehe zu bestimmen, wer für sie Religionsunterricht erteile und wer nicht. Die zuständige spanische Diözese beharrte darauf, daß das Kirchenrecht klare Richtlinien, Qualifikationen und Maßstäbe kenne, die Religionslehrer zu erfüllen hätten. Dazu gehöre selbstverständlich und in erster Linie die Anerkennung der katholischen Glaubenslehre und der kirchlichen Ordnung. Dazu verpflichte sich jeder Religionslehrer freiwillig vor Antritt seines Dienstes. Daran sei auch die Lehrerlaubnis gekoppelt.
Die Frage im Fall Martànez war nicht seine persönliche oder familiäre Situation, sondern sein Verhalten. Der Priester war laisiert worden und hatte von der Kirche eine Anstellung als Religionslehrer erhalten und war als solcher von 1991 bis 1997 an verschiedenen Schulen tätig. Er wandte sich aber offen gegen Positionen der Kirche. Dadurch löste er die notwendig gewordenen Konsequenzen selbst aus. Martànez ist Mitglied der kirchenkritischen Bewegung gegen den „Zwangszölibat“.
Bei Lehrerlaubnis für Religionsunterricht wiegt Religionsfreiheit mehr als individuelle Wünsche und Ansichten
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah dies ebenso. Es gebe keinen Anspruch darauf, Religionslehrer zu sein. Darüber zu bestimmen, stehe allein der Kirche zu. Der Gerichtshof stellte fest, daß die kirchliche Entscheidung, die Lehrerlaubnis nicht zu erneuern, „rein religiöser Natur“ ist. Das Grundrecht der Religionsfreiheit erlaube es dem Gerichtshof nicht, sich weiter in diese Frage einzumischen. Das Grundrecht der Meinungs- und Redefreiheit des Klägers sei in keiner Weise beeinträchtigt worden. Der Gerichtshof nahm das Recht des zuständigen Bischofs zur Kenntnis, geeignete Kandidaten vorzuschlagen oder auch nicht. Die Qualifikation des Klägers stehe im konkreten Fall im Gegensatz zu den „ethischen Grundsätzen der Religion und ihrer Überzeugungen“.
Man könnte mit anderen Worten zusammenfassen, jemand könne nicht bestimmte Verpflichtungen gegenüber einem religiösen Arbeitgeber eingehen, diese dann verletzen und sich dann über Konsequenzen wundern.
Als einziger Richter stimmte das spanische Mitglied des Richtersenats, Alejandro Saiz Arnaiz gegen die Kirche. Der spanische Verfassungsrechtler ist für seine Nähe zur Sozialistischen Partei Spaniens PSOE bekannt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: infoCatolica