BRIEF AN DIE PRIESTER
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Liebe Priester,
am kommenden Hochfest des heiligsten Herzens Jesu, das auf den 15. Juni 2012 fällt, werden wir wie gewohnt den Weltgebetstag zur Heiligung der Priester begehen.
Die Worte der Heiligen Schrift: «Das ist es, was Gott will: eure Heiligung!» (1Thess 4,3) sind zwar an alle Christen gerichtet, aber sie betreffen in besonderer Weise uns Priester, die wir nicht nur die Einladung angenommen haben „uns zu heiligen“, sondern auch „Diener der Heiligung“ für unsere Brüder und Schwestern zu werden.
Dieser „Wille Gottes“ hat sich in unserem Fall sozusagen verdoppelt und unendlich vermehrt, so dass wir ihm in jeder Amtshandlung, die wir vollbringen, gehorchen dürfen und müssen.
Das ist unsere wundervolle Bestimmung: Wir können uns nicht heiligen, ohne an der Heiligkeit unserer Brüder und Schwestern zu arbeiten, wir können nicht an der Heiligkeit unserer Brüder und Schwestern arbeiten, ohne dass wir zuvor an unserer eigenen Heiligkeit gearbeitet haben und weiterhin arbeiten.
Als der selige Johannes Paul II. die Kirche in das neue Jahrtausend führte, erinnerte er uns an die Normalität dieses „Ideals der Vollkommenheit“, das sofort allen vorgelegt werden muss: «Einen Katechumenen fragen: „Möchtest du die Taufe empfangen?“, das schließt gleichzeitig die Frage ein: „Möchtest du heilig werden?“» [1]Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, Nr. 31.
Sicherlich ist am Tag unserer Priesterweihe diese Tauffrage erneut in unseren Herzen erklungen und verlangte erneut unsere persönliche Antwort, aber sie ist uns auch anvertraut worden, damit wir sie unseren Gläubigen zu stellen wissen und dabei ihre Schönheit und ihren Wert hüten.
Diese Überzeugung steht nicht im Widerspruch zum Bewusstsein von unsrer persönlichen Unzulänglichkeit und nicht einmal der Schuld, mit der einige zuweilen das Priestertum in den Augen der Welt erniedrigt haben.
Nach zwanzig Jahren – und in Anbetracht der schlimmen verbreiteten Nachrichten – müssen wir weiterhin in unserem Herzen mit größerer Kraft und Dringlichkeit die Worte erklingen lassen, die Johannes Paul II. am Gründonnerstag 2002 an uns gerichtet hat: «In dieser Zeit erschüttern uns als Priester zutiefst die Sünden einiger unserer Mitbrüder, welche die Gnade des Weihesakramentes verraten haben, indem sie den schlimmsten Ausformungen des mysterium iniquitatis in der Welt nachgegeben haben. Auf diese Weise entstehen schwerwiegende Skandale, die zur Folge haben, daß ein dunkler Schatten des Verdachts auf alle anderen verdienstvollen Priester fällt, die ihren Dienst ehrlich, konsequent und bisweilen mit heroischer Liebe ausüben. Während die Kirche den Opfern ihre Fürsorge zum Ausdruck bringt und ihre Kraft aufbietet, gemäß der Wahrheit und der Gerechtigkeit auf jede schmerzliche Situation zu reagieren, sind wir alle – im Bewußtsein der menschlichen Schwachheit, aber im Vertrauen auf die heilende Kraft der göttlichen Gnade – dazu aufgerufen, das mysterium Crucis mit Liebe anzunehmen und uns beim Streben nach Heiligkeit mehr anzustrengen. Wir müssen beten, daß Gott in seiner Vorsehung einen großmütigen Aufbruch in den Herzen zugunsten des Ideals der Ganzhingabe an Christus erwecke, welche die Grundlage für den priesterlichen Dienst bildet. » [2]JOHANNES PAUL II., Brief an die Priester zum Gründonnerstag 2002.
Als Diener der Barmherzigkeit Gottes wissen wir also, dass das Streben nach Heiligkeit von Reue und Vergebung ausgehend immer wieder neu beginnen kann. Aber wir spüren auch, wie notwendig es ist, darum zu bitten: als einzelne Priester, im Namen aller Priester und für alle Priester. [3]KONGREGATION FÜR DEN KLERUS, Der Priester als Diener der göttlichen Barmherzigkeit. Leitfaden für Beichtväter und geistliche Leiter, 9. März 2011, 14–18; 74–76; 110–116 (Der Priester als … Continue reading
Unser Vertrauen wird dann weiterhin gestärkt durch die Einladung, welche die Kirche selbst an uns richtet: von neuem die Porta fidei zu durchschreiten und all unsere Brüder und Schwestern dabei zu begleiten.
Wir wissen, dass das Apostolische Schreiben, mit dem der Heilige Vater Benedikt XVI. das Jahr des Glaubens ausgerufen hat, diesen Titel trägt. Es wird am kommenden 12. Oktober 2012 beginnen.
Eine Reflexion über die Umstände dieser Einladung mag uns eine Hilfe sein.
Diese Einladung ergeht in Verbindung mit dem 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils (11. Oktober 1962) und dem 20. Jahrestag der Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche (11. Oktober 1992). Darüber hinaus wurde für den Monat Oktober 2012 die Vollversammlung der Bischofssynode zum Thema Die Neuevangelisierung und die Weitergabe des christlichen Glaubens einberufen. Es wird also von uns erwartet, dass wir jedes dieser vier „Kapitel“ vertiefen:
– das Zweite Vatikanische Konzil, damit es neu angenommen wird als „die große Gnade …, in deren Genuß die Kirche im 20. Jahrhundert gekommen ist““: „In ihm ist uns ein sicherer Kompaß geboten worden, um uns auf dem Weg des jetzt beginnenden Jahrhunderts zu orientieren“, „ eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche.“ [4]Vgl. Porta fidei, Nr.5.
– den Katechismus der Katholischen Kirche , damit er wirklich angenommen und verwendet wird „als gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft, … als sichere Norm für die Lehre des Glaubens“. [5]Ebd., Nr. 11
– die Vorbereitung der nächsten Bischofssynode, damit sie wirklich „eine günstige Gelegenheit sein wird, um das gesamte kirchliche Gefüge in eine Zeit der besonderen Besinnung und der Wiederentdeckung des Glaubens zu führen“ [6]Ebd., Nr. 4 .
Fürs erste – als Einführung in die gesamte Arbeit – können wir kurz nachdenken über den Hinweis des Papstes, worauf alles zustrebt:
„Die Liebe Christi ist es, die unsere Herzen erfüllt und uns dazu drängt, das Evangelium zu verkünden. Heute wie damals sendet er uns auf die Straßen der Welt, um sein Evangelium allen Völkern der Erde bekanntzumachen (vgl. Mt 28,19). Mit seiner Liebe zieht Jesus Christus die Menschen aller Generationen an sich: Zu allen Zeiten ruft er die Kirche zusammen und vertraut ihr die Verkündigung des Evangeliums mit einem Auftrag an, der immer neu ist. Darum ist auch heute ein überzeugterer kirchlicher Einsatz für eine neue Evangelisierung notwendig, um wieder die Freude am Glauben zu entdecken und die Begeisterung in der Weitergabe des Glaubens wiederzufinden.“ [7]Ebd., Nr. 7
„Menschen aller Generationen“, „allen Völkern der Erde“, „neue Evangelisierung“: angesichts dieser universalen Perspektive müssen vor allem wir Priester uns fragen, wie und wo diese Aussagen anknüpfen und woraus sie bestehen können.
Wir können also zunächst daran erinnern, dass bereits der Katechismus der Katholischen Kirche mit einer umfassenden Perspektive beginnt, wenn er anerkennt: «Der Mensch ist „gottfähig“» [8]Erster Teil. Kapitel I. ; aber er tut dies, indem er als erstes Zitat den folgenden Text des Zweiten Vatikanischen Konzils wählt:
«Ein besonderer Wesenszug („eximia ratio“) der Würde des Menschen liegt in seiner Berufung zur Gemeinschaft mit Gott. Zum Dialog mit Gott ist der Mensch schon von seinem Ursprung her aufgerufen: er existiert nämlich nur, weil er, von Gott aus Liebe („ex amore“) geschaffen, immer aus Liebe („ex amore“) erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt. Viele unserer Zeitgenossen erfassen aber diese innigste und lebensvolle Verbindung mit Gott („hanc intimam ac vitalem coniunctionem cum Deo“) gar nicht oder verwerfen sie ausdrücklich.» [9]Gaudium et Spes, Nr. 19 und Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 27.
Wie sollte man vergessen, dass sich die Konzilsväter mit dem eben zitierten Text – gerade mit dem Reichtum der gewählten Formulierungen – direkt an die Atheisten wenden wollten, um die unermessliche Würde der Berufung zu bekräftigen, von der diese sich schon allein als Menschen entfremdet hatten? Und sie taten dies mit denselben Worten, die dazu dienen, die christliche Erfahrung auf der Höhe ihrer mystischen Intensität zu beschreiben!
Auch das Apostolische Schreiben Porta Fidei beginnt mit der Bekräftigung, dass diese Tür „in das Leben der Gemeinschaft mit Gott führt“, was bedeutet, dass sie es uns ermöglicht, uns direkt in das zentrale Glaubensgeheimnis zu versenken, dass wir bekennen müssen: „Den Glauben an die Trinität – den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist – zu bekennen entspricht an einen einzigen Gott, der die Liebe ist, zu glauben.“ (Ebd., Nr. 1).
Dies alles muss unser Herz und unseren Verstand erfüllen, damit wir uns bewusst werden, was das größte Drama unserer heutigen Zeit ist.
Die bereits christianisierten Nationen sind nicht mehr versucht, einem generischen Atheismus zu erliegen (wie in der Vergangenheit), sondern es besteht die Gefahr, dass sie Opfer jenes besonderen Atheismus werden, der daher kommt, dass man die Schönheit und lebensspendende Innigkeit der Offenbarung der Dreifaltigkeit vergessen hat.
Heute sind es vor allem die Priester, die in ihrer täglichen Anbetung und in ihrem täglichen Dienst alles zur dreifaltigen Gemeinschaft zurückführen müssen: nur von ihr ausgehend und sich in sie versenkend können die Gläubigen wahrhaft das Antlitz des Sohnes Gottes und seine Zeitgenossenschaft entdecken und wirklich das Herz jedes Menschen und die Heimat erreichen, zu der alle berufen sind. Und nur so können wir Priester den Menschen von heute neu die Würde schenken, Person zu sein, sowie ihnen einen Sinn vermitteln für menschliche Beziehungen und das soziale Leben und das Ziel der gesamten Schöpfung.
„An den einen Gott glauben, der Liebe ist“: eine Neuevangelisierung wird nur dann wahrhaft möglich sein, wenn wir Christen in der Lage sind, die Welt erneut zum Staunen zu bringen und ihr Herz anzurühren durch die Verkündigung des Wesens der Liebe unseres Gottes in den drei göttlichen Personen, die diese Liebe ausdrücken und uns in ihr dreifaltiges Leben einbeziehen.
Die Welt von heute mit ihren immer schmerzhafteren und besorgniserregenden Spaltungen braucht den dreifaltigen Gott, und ihn zu verkünden, das ist Aufgabe der Kirche.
Damit die Kirche diesen Auftrag erfüllen kann, muss sie unauflöslich mit Christus vereint bleiben und darf sich nie von ihm trennen lassen: sie braucht Heilige, die „im Herzen Jesu“ wohnen und frohe Zeugen der dreifaltigen Liebe Gottes sind.
Und um der Kirche und der Welt zu dienen, müssen die Priester Heilige sein!
Aus dem Vatikan, 26. März 2012
Hochfest der Verkündigung des Herrn
Mauro Kardinal Piacenza
Präfekt
Celso Morga Iruzubieta
+ Titularbischof von Alba Marittima
Sekretär
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LESUNGEN UND TEXTE
ZUR VERTIEFUNG ODER FÜR DEN GOTTESDIENST
BIBLISCHE LESUNGEN
Aus dem Johannesevangelium, 15, 14–17
Aus dem Lukasevangelium, 22, 14–27
Aus dem Johannesevangelium, 20, 19–23
Aus dem Hebräerbrief, 5, 1–10
AUS DEN KIRCHENVÄTERN
HL. JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Über das Priestertum, III, 4–5; 6.
ORIGENES, Homilien zu Levitikus, 7, 5.
AUS LEHRAMTLICHEN TEXTEN
Gaudium et Spes, Nr. 19 und Katechismus der Katholischen Kirche , Nr. 27.
JOHANNES PAUL II., Brief an die Priester zum Gründonnerstag, 2001.
BENEDIKT XVI., Predigt am Gründonnerstag, 13. April 2006.
AUS DEN SCHRIFTEN DER HEILIGEN
HEILIGER GREGOR DER GROßE, Dialoge, 4, 59.
HEILIGE KATHERINA VON SIENA, Dialog der göttlichen Vorsehung, Kap. 116; vgl. Sl 104, 15.
HEILIGE TERESA VON LISIEUX, Ms A 56r; LT 108; LT 122; LT 101; Pr Nr. 8.
SELIGER CHARLES DE FOUCAULD, Ecrits Spirituels, pp. 69–70.
HEILIGE TERESA BENEDICTA A CRUCIS (EDITH STEIN), WS, 23.
GEBET FÜR DIE HEILIGE KIRCHE
UND DIE PRIESTER
O mein Jesus, ich bitte Dich für die gesamte Kirche;
schenke ihr Liebe und Erleuchtung Deines Geistes.
Verleihe den Worten der Priester Kraft,
auf dass versteinerte Herzen
erweichen und zu Dir, Herr, zurückkehren.
Herr, gib uns heilige Priester.
Du Selbst erhalte sie in der Heiligkeit.
O Göttlicher und Höchster Priester,
möge die Macht Deiner Barmherzigkeit
sie überallhin begleiten und sie beschützen
vor den Fallen und Schlingen des Teufels,
die er unentwegt den Seelen der Priester stellt.
Möge die Macht Deiner Barmherzigkeit, o Herr,
alles, was die Heiligkeit eines Priesters verdüstern könnte,
zermalmen und zunichte machen,
denn Du vermagst alles.
Geliebtester Jesus,
ich bitte Dich um den Triumph der Kirche,
um den Segen für den Heiligen Vater und alle Priester;
um Gnade der Bekehrung für verstockte Sünder;
um besonderen Segen und Erleuchtung
bitte ich Dich, Jesus, für die Priester,
bei denen ich in meinem Leben beichten werde.
(Heilige Schwester Faustyna Kowalska)
GEWISSENSERFORSCHUNG FÜR PRIESTER
1. » Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind. « (Joh 17,19)
Habe ich als Priester ernsthaft den Vorsatz, heiligmäßig zu leben? Bin ich davon überzeugt, dass die Fruchtbarkeit meines priesterlichen Dienstes von Gott kommt und dass ich mich, mit der Gnade des Heiligen Geistes, mit Christus identifizieren und mein Leben für das Heil der Welt hing eben muss?
2. » Das ist mein Leib « (Mt 26,26)
Ist das heilige Messopfer der Mittelpunkt meines inneren Lebens? Bereite ich mich gut darauf vor, feiere ich es andächtig und versenke ich mich danach in dankbares Gebet? Ist die hl. Messe für mich an jedem Tag ein regelmäßiger Bezugspunkt für mein Gotteslob und meinen Dank an Gott für seine Wohltaten? Nehme ich dabei immer wieder Zuflucht zu seiner Güte und Nachsicht und leiste ich Wiedergutmachung für meine Sünden und für die Sünden aller Menschen?
3. » Der Eifer für dein Haus verzehrt mich. « (Joh 2,17)
Feiere ich die hl. Messe nach den festgesetzten Riten und Normen, mit echter Motivation, nach den approbierten liturgischen Büchern? Gehe ich sorgfältig mit den im Tabernakel aufbewahrten geweihten Hostien um, erneuere ich sie in regelmäßigen Abständen? Bewahre ich die sakralen Gefäße mit Sorgfalt auf? Trage ich in Würde die von der Kirche vorgeschriebenen liturgischen Gewänder, in dem Bewusstsein, dass ich in persona Christi Capitis, in der Person Christi des Hauptes der Kirche, handle?
4. » Bleibt in meiner Liebe! « (Joh 15,9)
Bereitet es mir Freude, bei meiner Meditation und stillen Anbetung vor Jesus Christus zu verweilen, der im allerheiligsten Sakrament gegenwärtig ist? Halte ich treu an dem täglichen Besuch vor dem allerheiligsten Sakrament fest? Ist mein Schatz im Tabernakel?
5. » Erkläre uns das Gleichnis « (Mt 13,36)
Halte ich gewissenhaft täglich meine Betrachtung, indem ich mich bemühe, jede Art von Ablenkung, die mich von Gott trennt, zu überwinden? Indem ich nach dem Licht des Herrn suche, dem ich diene? Meditiere ich regelmäßig die Heilige Schrift? Spreche ich gewissenhaft meine gewohnten Gebete?
6. » Allezeit beten und darin nicht nachlassen « (Lk 18,1)
Bete ich vollständig, würdig, gewissenhaft und andächtig das tägliche Stundengebet? Bin ich in dieser wichtigen Dimension meines Dienstes, nämlich im Namen der ganzen Kirche zu beten, meiner Verpflichtung gegenüber Christus treu?
7. » Komm und folge mir nach « (Mt 19,21)
Ist er, unser Herr Jesus Christus, die wahre Liebe meines Lebens? Komme ich mit Freude der Verpflichtung meiner Liebe gegenüber Gott nach, indem ich die zölibatäre Enthaltsamkeit lebe? Habe ich mich bewusst auf unreine Gedanken, Wünsche oder Handlungen eingelassen; habe ich unziemliche Unterhaltungen geführt? Habe ich mich unmittelbar in eine Gelegenheit begeben, gegen die Keuschheit zu sündigen? Habe ich meinen Blick in Acht genommen? War ich vorsichtig im Umgang mit den verschiedenen Menschengruppen? Ist mein Lebenswandel für die Gläubigen ein Zeugnis für die Tatsache, dass die Reinheit etwas ist, das möglich, fruchtbar und frohmachend ist?
8. » Wer bist Du? « (Joh 1,19)
Finde ich in meinem gewohnheitsmäßigen Verhalten Anhaltspunkte für Schwäche, Faulheit oder Schlaffheit? Entsprechen meine Gespräche der menschlichen und übernatürlichen Gesinnung, die ein Priester haben sollte? Achte ich darauf, dass sich in mein Leben keine oberflächlichen oder ordinären Elemente einschleichen? Stehen all meinen Handlungen im Einklang mit meinem Priesterstand?
9. » Der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. « (Mt 8,20)
Liebe ich die christliche Armut? Mache ich mein Herz in Gott fest und bin ich innerlich losgelöst von allem übrigen? Bin ich bereit, um Gott besser zu dienen, auf all meinen derzeitigen Komfort, auf meine persönlichen Pläne und auf meine legitimen Neigungen zu verzichten? Besitze ich überflüssige Dinge, habe ich für unnötige Dinge Geld ausgegeben oder lasse ich mich von Konsumgier beherrschen? Tue ich das möglichste, die Zeiten der Ruhe und der Erholung in der Gegenwart Gottes zu leben, im Bewusstsein, dass ich immer und überall Priester bin, auch in diesen Zeiten?
10. » Weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast « (Mt 11,25)
Gibt es in meinem Leben Sünden des Hochmuts: übertriebene Empfindlichkeit, Reizbarkeit, Widerstand gegen das Verzeihen, Neigung zu Mutlosigkeit, usw.? Erbitte ich von Gott die Tugend der Demut?
11. » Und sogleich floss Blut und Wasser heraus « (Joh 19,34)
Habe ich die Überzeugung, dass ich, wenn ich „in persona Christi“ handle, unmittelbar in den Leib Christi, die Kirche, einbezogen bin? Kann ich ehrlich sagen, dass ich die Kirche liebe und dass ich mit Freude ihrem Wachstum, ihren Anliegen, einem jeden ihrer Mitglieder und der ganzen Menschheit diene?
12. » Du bist Petrus « (Mt 16,18)
Nihil sine Episcopo – nichts ohne den Bischof – pflegte der hl. Ignatius von Antiochien zu sagen: Liegen diese Worte meinem priesterlichen Dienst zu Grunde? Habe ich die Anweisungen, Ratschläge und Zurechtweisungen meines Bischofs gehorsam angenommen? Bete ich besonders für den Heiligen Vater, in voller Übereinstimmung mit seinen Lehren und Anliegen?
13. » Liebt einander! « (Joh 13,34)
Habe ich im Umgang mit meinen Brüdern im Priesterstand mit Eifer die Liebe gelebt oder habe ich mich im Gegenteil aus Egoismus, Teilnahmslosigkeit oder Gleichgültigkeit nicht für sie interessiert? Habe ich meine Brüder im Priesterstand kritisiert? Habe ich denen beigestanden, die an körperlicher Krankheit oder seelischem Schmerz leiden? Lebe ich die Brüderlichkeit, damit keiner allein ist? Behandle ich alle meine Brüder im Priesterstand und auch die gläubigen Laien mit derselben Liebe und Geduld Christi?
14. » Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben « (Joh 14,6)
Kenne ich von Grund auf die Lehren der Kirche? Eigne ich sie mir an und gebe ich sie wahrheitsgetreu weiter? Bin ich mir der Tatsache bewusst, dass es einen schweren Missbrauch darstellt, der den Seelen Schaden zufügt, wenn ich etwas lehre, was nicht mit dem feierlichen oder ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche übereinstimmt?
15. » Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! « (Joh 8,11)
Die Verkündigung des Wortes Gottes führt die Gläubigen zu den Sakramenten. Beichte ich regelmäßig und häufig, wie es meinem Stand und den heiligen Dingen, mit denen ich umgehe, angemessen ist? Spende ich großzügig das Sakrament der Versöhnung? Bin ich weitgehend verfügbar für die geistliche Leitung der Gläubigen, indem ich ihnen eine bestimmte Zeit widme? Bereite ich die Predigt und die Katechese sorgfältig vor? Predige ich mit Eifer und spricht aus meiner Predigt die Liebe zu Gott?
16. » Und er rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm « (Mk 3,13)
Bemühe ich mich liebevoll darum, die Keime der Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben zu entdecken? Trage ich Sorge dafür, dass sich unter allen Gläubigen ein stärkeres Bewusstsein der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit ausbreitet? Bitte ich die Gläubigen, um Berufungen und für die Heiligung der Priester zu beten?
17. » Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen « (Mt 20,28)
Habe ich danach gestrebt, mich im Alltag den anderen zu widmen, indem ich ihnen dem Evangelium entsprechend diene? Mache ich die Liebe zum Herrn auch in Werken sichtbar? Sehe ich im Kreuz die Gegenwart Christi und den Sieg der Liebe? Ist mein Alltag vom Geist des Dienens geprägt? Betrachte ich auch die Ausübung der mit dem Amt verbundenen Autorität als eine unerlässliche Form des Dienens?
18. » Mich dürstet « (Joh 19,28)
Habe ich für die Seelen, die Gott mir anvertraut hat, gebetet und mich tatsächlich und mit Großmut für sie aufgeopfert? Erfülle ich meine seelsorgerlichen Pflichten? Sorge ich mich auch um die Seelen der Verstorbenen?
19. » Frau, siehe, dein Sohn! …Siehe, deine Mutter! « (Joh 19,26–27)
Wende ich mich voller Hoffnung an die allerseligste Jungfrau Maria, die Mutter der Priester, damit sie mir hilft, ihren Sohn Jesus mehr zu lieben und auch die Liebe anderer zu ihm zu vermehren? Pflege ich die marianische Frömmigkeit? Nehme ich mir jeden Tag Zeit für den heiligen Rosenkranz? Nehme ich im Kampf gegen den Satan, die Begehrlichkeit und das Streben nach eitlem Vergnügen, Zuflucht zu ihrer mütterlichen Fürsprache?
20. » Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. « (Lk 23,46)
Bin ich eifrig, den Sterbenden beizustehen und ihnen die Sakramente zu spenden? Betrachte ich in meiner persönlichen Meditation, in der Katechese und in der normalen Predigttätigkeit die Lehre der Kirche über die Letzten Dinge? Erbitte ich die Gnade der Beharrlichkeit bis zum Ende und ermahne ich die Gläubigen dasselbe zu tun? Bringe ich häufig und andächtig das Messopfer und Fürbittgebete für die Verstorbenen dar?
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↑1 | Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, Nr. 31. |
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↑2 | JOHANNES PAUL II., Brief an die Priester zum Gründonnerstag 2002. |
↑3 | KONGREGATION FÜR DEN KLERUS, Der Priester als Diener der göttlichen Barmherzigkeit. Leitfaden für Beichtväter und geistliche Leiter, 9. März 2011, 14–18; 74–76; 110–116 (Der Priester als Pönitent und geistlicher Schüler). |
↑4 | Vgl. Porta fidei, Nr.5. |
↑5 | Ebd., Nr. 11 |
↑6 | Ebd., Nr. 4 |
↑7 | Ebd., Nr. 7 |
↑8 | Erster Teil. Kapitel I. |
↑9 | Gaudium et Spes, Nr. 19 und Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 27. |