Liebe Brüder und Schwestern!
In der letzten Katechese vorigen Mittwoch habe ich am Beispiel der ersten christlichen Gemeinde von Jerusalem gezeigt, wie die Kirche auf neue Situationen immer wieder aus dem Licht des Glaubens nach Antworten sucht und Antworten findet. Die Apostelgeschichte berichtet uns da von der Situation der Verfolgung, auf die Antwort zu finden ist. Heute möchte ich eine andere Situation beleuchten, nämlich das Problem, das das Wachstum der Urgemeinde mit sich brachte. Es gab die Gefahr der Spaltung zwischen aramäisch und griechisch sprechenden Gläubigen, denn die Bedürftigen der griechisch sprechenden Gläubigen fühlten sich vernachlässigt bei der Zuteilung der guten Gaben. In dieser Situation einer drohenden Spaltung riefen die Apostel die Jünger zusammen, um diese für das Leben der Kirche grundlegende Frage zu entscheiden. Sie selber, die Apostel, wollten gemäß dem Auftrag des Herrn dem Gebet und der Verkündigung des Wortes Gottes den ersten Platz geben. Die ebenfalls wichtige Aufgabe der Sorge um die Notleidenden, die sie nicht angemessen mitbewältigen konnten, vertrauten sie daraufhin »sieben Männern von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit« (Apg 6,3) an. Diese Begebenheit aus der Apostelgeschichte unterstreicht die Wichtigkeit der Arbeit und der täglichen Aufgaben, besonders die Wichtigkeit der Gerechtigkeit, des Einsatzes für die Armen und Bedürftigen als eine wirkliche Priorität der heiligen Kirche; sie zeigt aber auch, daß wir zuallererst Gott brauchen. Auch diese sieben Männer, die dafür eingeteilt sind, für die Gerechtigkeit zwischen den Volksgruppen und für die Liebe zu den Armen zu sorgen, müssen Menschen voll Weisheit und Heiligem Geist sein. Es dürfen nicht bloße Macher sein; es müssen Menschen sein, die mit dem Licht des Glaubens, vom Herzen her sehen und handeln. Diese Begebenheit aus der Apostelgeschichte unterstreicht also dieses und zeigt uns, daß ohne die Fähigkeit, innezuhalten und auf den Herrn zu hören und in Dialog mit ihm zu treten, wir Gefahr laufen, uns vergebens Sorgen über Probleme und Schwierigkeiten zu machen, daß wir dann den Maßstab der Gerechtigkeit nicht mehr finden und die Liebe veräußerlicht und bloßer Aktivismus wird. Der hl. Bernhard hat einmal gesagt, daß zu viele Besorgnisse und ein hektisches Leben zunächst gemeint sind, um das Gute zu tun, dann aber doch zur Verhärtung des Herzens führen. Ohne das treue tägliche Gebet, ohne das innere In-Kontakt-Sein mit Gott wird die noch so gut gemeinte Aktivität leer, läßt uns leer zurück und dient auch den anderen nicht. Der Gebetsschatz der Kirche kennt eine schöne Anrufung am Beginn jeder Tätigkeit, die so lautet: »Herr, komm unserem Beten und Arbeiten mit deiner Gnade zuvor und begleite es, damit alles, was wir beginnen, bei dir seinen Anfang nehme und in dir zu Ende komme.«
Ganz herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, insbesondere die Gruppe der Hörer des Bayerischen Rundfunks. Inmitten der Herausforderungen des täglichen Miteinanders haben die Apostel den Vorrang Gottes betont. Auch wir wollen die Prioritäten richtig setzen, damit das Gebet und das Wort Gottes der Atem unserer Seele und unseres Lebens sein können und wir nicht unter den vielen Alltagsdingen ersticken und die Maßstäbe verlieren und selber leer werden. Der Herr schenke uns allen dazu seinen Segen.